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Wo die Milchstraße am Nachthimmel funkelt

Thomas Gith21. März 2014

In Großstädten lassen sich kaum noch Sterne beobachten. Das Licht von Straßenlaternen und Industrie überstrahlt die nächtliche Pracht. Ganz anders im Westhavelland: Dort ist Deutschlands erster Sternenpark entstanden.

Milchstraße, aufgenommen von Gülpe aus (Foto: Dr. Andreas Hänel)
Bild: Dr. Andreas Hänel

Viele ältere Menschen kennen das noch aus ihrer Kindheit: In einer wolkenlosen Nacht funkelt die Milchstraße am Nachthimmel. Als weißes Band zieht sie sich über die Köpfe, ist umgeben von unzähligen anderen glänzenden Sternen. Allerdings: Diese sinnliche Erfahrung ist selten geworden. Vor allem in Großstädten. Der Grund: Das Licht von unzähligen Straßenlampen, aus Haushalten und Industrie überstrahlt die Sterne und hellt den Nachthimmel künstlich auf.

Besonders jungen Menschen ist der Blick in die Sterne daher heute meist fremd. Einer Emnid-Umfrage zufolge haben mehr als 40 Prozent der unter 30-jährigen Deutschen noch nie die Milchstraße gesehen. Denn in Berlin, Köln oder auch München ist der Nachthimmel meist hell, und wer den Sternenhimmel genießen möchte, der muss schon die Ballungsräume verlassen und eine möglichst dunkle Region aufsuchen.

Sternenpark nur eine Stunde von Berlin

Das nächtliche Westhavelland ist solch eine Region. Es liegt rund 80 Kilometer westlich von Berlin und gilt laut verschiedenen Lichtmessungen als eine der dunkelsten Gegenden Deutschlands. Seit Mitte Februar darf sich der dortige Naturpark als Deutschlands erster Sternenpark bezeichnen. Ausgezeichnet wurde er als solcher von der International Dark Sky Association, einer Nichtregierungsorganisation aus den USA.

Sternenerlebnisraum im Naturparkzentrum MilowBild: Hardy Berthold

Auf der Fahrt zum neuen Sternenpark erstrahlt zunächst noch das Berliner Lichtermeer über einem, doch schon einige Kilometer hinter dem Stadtrand wird es immer dunkler. Auf den Feldern, die die Landstraße nach Milow säumen, breitet sich ein tiefes Schwarz aus. Denn Straßenlampen oder andere künstliche Lichtquellen gibt es in der näheren Umgebung nicht. Am Himmel funkeln bereits hier tausende Sterne.

Neumond begünstigt Sternensicht

Steht dann noch der Mond günstig, ist die Sicht aufs Firmament besonders prächtig. "Bei Neumond oder bei abnehmendem Mond, lassen sich die Sterne besonders gut beobachten", sagt die Geoökologin Helga Küchly. Ohne das helle Mondlicht wird selbst sehr schwaches Sternenlicht sichtbar.

In Milow angekommen, zeigt sich der Sternenhimmel schließlich in seiner ganzen Pracht: Die Milchstraße zieht sich als helles Band über den Nachthimmel, Sternenbilder wie der große Wagen und die Kassiopeia sind mit bloßem Auge zu erkennen, genauso wie die Andromeda-Galaxis.

Capella blinkert am Nachthimmel

Harald Bardenhagen von der Astronomiewerkstatt Sterne ohne Grenzen blickt nach oben. Er zeigt auf einen sehr hellen Stern, der über einem Hausdach blinkt. "Das ist die Capella", erläutert Bardenhagen. "Sein Licht wird an unterschiedlich warmen Luftschichten gebrochen. Das Blinkern entsteht also durch Luftbewegungen in der Atmosphäre." Mit Recht kann man in dieser Nacht und an diesem Ort also von einem funkelnden Sternenhimmel sprechen.

Um den zu erhalten, muss die Kommune einiges tun. Denn die Kriterien, um die Region als Sternenpark bezeichnen zu dürfen, sind streng. So dürfen vor Ort künftig etwa nur noch vollabgeschirmte Straßenlampen benutzt werden. "Ihr Licht muss nach unten strahlen und darf nicht zur Seite oder gar nach oben entweichen", erläutert Kordula Isermann von der Naturparkverwaltung. Außerdem dürfen die Lampen eine Farbtemperatur von 3000 Kelvin nicht überschreiten.

Dämmerungshimmel über den Städten

Doch damit nicht genug: Die Kommune muss sich außerdem Gedanken machen, ob die Beleuchtung wirklich erforderlich ist und wie sie sich am besten gestalten lässt. Denn anders als etwa in Berlin, Köln oder München soll im Westhavelland keine nächtliche Lichtglocke entstehen. Solche Lichtglocken liegen Nachts über den Städten und lassen das Sternenlicht verblassen.

Auch tagsüber eine schöne Gegend: Gänse am Gülper SeeBild: Jürgen Seeger

Forscher wie Stephan Völker, Professor für Lichttechnik an der TU Berlin, sprechen auch von einem künstlichen Dämmerungshimmel. "Geprägt ist der vor allem durch direktes Licht", so Völker. "Also durch Licht von Scheinwerfern etwa, die Gebäudefassaden nach oben hin anstrahlen, aber auch durch reflektiertes Licht von Straßenlampen." Das nach oben hin entweichende Licht wird dabei von Schwebeteilchen in der Atmosphäre, also etwa von winzigen Schmutzpartikeln, reflektiert.

Sternenparadies Gülpe

Die Folge: Das Licht wird zurück zur Erde gestrahlt, die Nächte werden hell und der Sternenhimmel verblasst. Eine sternenfressende Lichtglocke ist entstanden. Im Westhavelland will man diesem Phänomen vorbeugen. Und der Einsatz lohnt sich. Ganz besonders deutlich wird das auch in Gülpe, einem besonders dunklen und damit sternenklaren 160-Seelen-Örtchen im Westhavelland. Der schwarze Nachthimmel dort ist übersät mit tausenden glitzernden Sternen.

Harald Bardenhagen legt den Kopf in den Nacken und blickt ins Universum. Für Sternenliebhaber wie ihn ist Gülpe ein Paradies. Auf Anhieb erkennt er mehrere Sternenbilder am klaren Nachthimmel. "Da oben zum Beispiel ist die Kassiopeia, das Himmels-W", sagt Bardenhagen und zeigt hoch über sich. "Das sieht aus wie ein W, bei dem der vordere Teil ein bisschen weggeklappt ist."

Die Milchstraße in vollem Glanz

Und dann neigt Harald Bardenhagen den Kopf etwas weiter nach unten und blickt ins Zentrum der Milchstraße. Ihr helles Band, das sich in Gülpe in faszinierend klarer Weise über den dunklen Nachthimmel zieht, ist dort sogar noch etwas heller. Das Licht einiger ihrer Sterne ist teilweise mehr als 150 Jahre lang unterwegs, um auf die Erde zu gelangen. Im nächtlichen Gülpe kann man es schließlich sehen.

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