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Kunst

Chinesischer 3D-Künstler Qi Xinghua im Interview

Sabine Peschel
30. Juni 2017

Qi Xinghua hat einige der größten 3D-Wandgemälde der Welt geschaffen. Jetzt malt der 35-jährige chinesische Streetart-Künstler in Berlin. Wir haben ihn dabei beobachtet und eine Pause für ein Gespräch über Kunst genutzt.

Deutschland Wandgemälde vom Qi Xinghua am Eingang zum Park am Gleisdreieck in Berlin
Wandgemälde vom Qi Xinghua am Eingang zum Park am Gleisdreieck in BerlinBild: DW/S. Peschel

In China ist er als Graffiti Man bekannt. Qi Xinghua verwandelt die Wunden seiner Stadt Peking in überdimensionale Figuren und kommentiert, jede Stadt brauche ihre Tattoos. Er hielt Guiness-Buch-Rekorde für die größten 3D-Gemälde und muss zusehen, wie seine Straßenkunst immer wieder verschwindet. Bei seinen spontanen Malaktionen ist er immer auf der Hut vor der Polizei. Im Internet ist Qi ein Star. Er nutzt die sozialen Medien, bloggt und postet Bilder seiner Kunstwerke und Aktionen.

Jetzt hat Berlin den 1982 in der Provinz Heilongjiang geborenen 3D-Künstler eingeladen, eine Wand im Park am Gleisdreieck zu bemalen. Eine Woche lang, noch bis zum Sonntag, 2. Juli, hält sich Qi Xinghua in der deutschen Hauptstadt auf. Am 28. Juni hat er ein Wandgemälde unter einem Eisenbahnbogen am Eingang zum Gleispark fertiggestellt.

Qi Xinghua vor seinem Wandgemälde am Eingang zum Park am Gleisdreieck in BerlinBild: DW/S. Peschel

Als wir ihn treffen, ist sein Gemälde fast fertig. Noch klettert er Leitern hoch und runter, um zu tupfen, Farbe zu verspritzen wie Jackson Pollock, oder Wolkenformationen zu sprühen. Ein chinesischer Fan assistiert ihm, rührt Farbe an oder hält die Leiter; er hat über Facebook von der Malaktion erfahren. Laute chinesische und internationale Rock- und Indie-Musik wummert aus dem Lautsprecher. Rammstein mischt sich mit Luo Ning und verjazzten Coverversionen älterer Megahits. Die Aktion lockt immer neue Menschen an. Unablässig wird fotografiert und kommentiert. Das Bild gefällt den Berlinern, auch den Parkwächtern, die am Ende zur Abnahme kommen.

Deutsche Welle: Sie haben gerade hier in Berlin ein Wandgemälde fertiggestellt. Es fehlen nur noch der Name in Umschrift und vielleicht ein paar letzte Tupfer. Was für ein Gefühl ist das?

Qi Xinghua: Ein sehr gutes. Wenn ich male, wie jetzt in diesen zwei Tagen, bin ich konzentriert, dann blende ich alles andere aus. Jetzt kann ich entspannen.

Wie gefällt Ihnen diese Location hier unter einem Eisenbahnbogen am Eingang zum Park am Gleisdreieck, ganz in der Nähe der Bülowstraße in Berlin Kreuzberg?

Ich finde sie super. Die Wand ist wettergeschützt, das Bild sollte also längere Zeit erhalten bleiben. Und der Park direkt dahinter ist wunderbar, groß und sehr belebt.

Dieses 3D-Gemälde von Qi Xinghua ist noch bis 3. September bei der Street-Art-Ausstellung in München zu sehenBild: picture-alliance/dpa/A. Heinl

Sie sind zum ersten Mal in Berlin, aber nicht in Deutschland, oder?

Ja, ich war schon in Dresden und habe dort ein großes Bild gemalt. Nicht auf eine Wand, sondern auf Leinwand. Man kann es also transportieren, es wird gerade in München ausgestellt.

Sie sind durch Ihre dreidimensionalen Wandmalereien sehr bekannt geworden. Wie kamen Sie auf die Wandmalerei?

Ich habe 2002 begonnen, an der Zentralen Akademie für die Schönen Künste in Peking zu studieren. Schon damals begann ich mich für Streetart, Graffiti und Wandmalerei zu interessieren. Als man sich spezialisieren musste, habe ich das gewählt.

Sie sind auch im Internet sehr aktiv. Sie publizieren Fotos Ihrer Werke auf Weibo - dem chinesischen Twitter, Instagram und Facebook. Auf Weibo folgen Ihnen inzwischen 260.000 Menschen. Welche Bedeutung hat das für Sie?

Mir ist das sehr wichtig. Kunst ist nichts Privates. Als Künstler lebt man öffentlich, arbeitet und bewegt sich im öffentlichen Raum. Diese Öffentlichkeit kann ich über die sozialen Netzwerke für mich herstellen. Und es gibt einen zweiten Aspekt, der für mich von großer Bedeutung ist: Meine Arbeiten verschwinden oft sehr schnell wieder. Sie werden zerstört, übermalt oder von Werbung überdeckt. Im Internet leben wenigstens die Bilder der Bilder weiter.

Der chinesische Drache - jeder sieht das Symboltier anders, sagt Qi XinghuaBild: DW/S. Peschel

Sie nehmen sich oft die Schmuddelecken von Peking vor, übermalen abgeplatzte Stellen an Wänden oder Toren. Bekannt geworden sind die Pandas, die ein Tor säumten, oder das riesige Krokodil, das sich eine lange innerstädtische Mauer entlangzog. Eigentlich verschönern Sie die Stadt durch Ihre ungenehmigten Malaktionen. Aber fast alle Ihre Graffiti und Wandgemälde verschwinden innerhalb kurzer Zeit wieder. Wer ist für die Zerstörung verantwortlich? Die Besitzer, die Stadtverwaltung, die Bürokraten?

Da ich nie dabei bin, wenn diese Malereien zerstört werden, kann ich das nicht beantworten.

Macht es Sie traurig?

Der daoistische Philosoph Laotse prägte das Wort: "Wirken, nicht gewinnen! Schaffen, nicht besitzen." So sehe ich das auch. Es kommt darauf an, etwas zu schaffen und etwas zu hinterlassen, das nicht unbedingt materiell sein muss. Zum Beispiel eine Idee von einem Bild.

2011 haben Sie mit Ihrem gigantischen 3D-Bild "Lions Gate Gorge", das Sie für eine Shopping-Arkade in Guangzhou gemalt hatten, Aufsehen erregt. Es kam sogar als größtes dreidimensionales Bild der Welt ins Guinness-Buch der Rekorde. Existiert es noch?

Nein, das gibt es auch nicht mehr. Das war eine Auftragsarbeit, die auch nicht für die Ewigkeit gedacht war.

Paint it like Jackson Pollock - Detail aus Qi Xinghuas Berliner WandgemäldeBild: DW/S. Peschel

Sie waren bisher insgesamt vier Mal Guinessbuch-Rekordhalter. Sind Sie stolz darauf?

Das bedeutet mir gar nichts, das ist belanglos.

Für Ihr Berliner Gemälde haben Sie sich sehr traditionsbeladene Symbole gesucht: Drache und Adler. Warum?

Ich interpretiere meine Bilder nie selber. Ich will die Freiheit der Betrachter nicht einschränken. Jeder Mensch hat seine eigenen Interpretationen und seine eigenen Erfahrungen, zum Beispiel mit dem Symbol des Adlers. Aber was ich sagen kann: Natürlich ist der Drache ein chinesisches Symboltier, wenn nicht sogar ein Symbol für China. Und der Adler ein deutsches. Aber Drachen gibt es ja nicht wirklich. In die Vorstellung eines Drachen fließen viele verschiedene Tiere und Attribute mit ein, die dann den Drachen konstituieren. Und auch wenn es Adler tatsächlich gibt, verhält es sich beim deutschen Wappentier genauso. Und diese beiden Vorstellungswelten verschmelzen hier, vage, explosiv, vom Betrachter verschieden wahrgenommen. Darauf kam es mir an.

Ein farbverschmiertes Foto von Qi Xinghua, das er sich als Vorlage für den Adler auf seinem Wandgemälde mitgebracht hatBild: DW/S. Peschel

Deutschland und China verschmelzen also, platt gesagt. Sie haben für Ihr Gemälde auch die deutschen Nationalfarben gewählt: Schwarz, Rot, Gold bzw. Gelb. Das war Absicht, oder?

Alles was ich mache, überlege ich mir vorher gut. Rot und Gelb sind ja auch die Farben Chinas. Und auch Schwarz und Weiß.

Sie haben sich für den Adler eine Vorlage mitgebracht, den Adler im Wappen im Geländer der Weidendammer Brücke. Haben Sie das Foto selbst gemacht?

Ja. Ehe ich an einem Ort zu malen beginne, streife ich durch die Stadt und erkunde sie. Bei meinem Spaziergang begegnete ich diesem bekannten Wappen mit dem Adler. Ich hatte mein Motiv.

Sie malen oft Tiere und selten Menschen. Warum?

Tiere beschweren sich nicht. Menschen könnten sich falsch dargestellt finden.

Letzte Tupfer im Auge des DrachenBild: DW/S. Peschel

Kunst hat ja auch kommerzielle Aspekte. Sie malen große 3D-Wandgemälde und Streetart. Das lässt sich nicht transportieren, nicht in Museen ausstellen, schlecht bewahren. Wie macht sich Ihr Erfolg materiell bezahlt?

Nun, ich habe Auftraggeber, für die ich diese 3D-Werke schaffe. Öfter in China, aber auch an anderen Orten, zum Beispiel in Miami und in Dubai gibt es jeweils ein großes Werk von mir. Ab und zu verkaufe ich auch Bilder, die nicht auf eine Wand gemalt sind.

Sie haben auch ein Porträt der deutschen Kunstsammler und Mäzene Peter und Irene Ludwig gemalt. Wo hängt das jetzt?

Das hängt in der deutschen Botschaft in Peking.

Zuallerletzt setzt Qi Xinghua noch ein "China" unter seine SignaturBild: DW/S. Peschel
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