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Wo ist der Glamour hin?

Patrick Tippelt, Bangkok14. November 2005

Bangkok, lange ein Mekka für Schwule, droht pinke Einnahmen an Singapur zu verlieren. Warum schafft es die Metropole nicht einmal, eine akzeptable Homo-Parade auf die Beine zu stellen? Ein Ausflug ins schwule Thailand.

Der Himmel meinte es nicht gut mit den Schwulen. Unter einem düster verhangenen Himmel drängten sich am Sonntag (13.11.2005) klebrige Luft und zu wenige Homos am Straβenrand in Silom. Eine halbe Stunde später vernichtete ein für November ungewohnter Regen jede schwule Spur. Irgendwann stand nur noch ein Häufchen von als Showgirls verkleideten Jungs auf dem Bürgersteig, ein wenig verloren und bald abgedrängt von Pauschaltouristen auf der Suche nach gefälschten Gucci-Gürteln und der jüngsten, soeben auf dem Schwarzmarkt erschienenen Madonna-CD.

Berechtigter Orientalismus

Auch die diesjährige Bangkok Gay Pride-Parade enttäuschte die meisten Teilnehmer wieder einmal. Egal ob schmächtige Thai-Jungs in Muskelshirts oder eher stämmige Besucher aus dem Westen, meist mit mehr Haaren im Gesicht als auf dem Kopf - alle waren sie erstaunt, wie klein der Homo-Umzug ausfiel. Fünf Wagen und 30 Minuten lang verströmte er nur wenig Spaβ, kein bisschen Pep und erst recht keinen Glamour. Circa 3000 Teilnehmer - beim besten Willen kann da kein Vergleich gezogen werden zu den allsommerlichen Christopher Street Day-Paraden in deutschen Groβstädten, wo sich Hunderttausende ausgelassen feiern.

Millionen von Touristen kommen jährlich ins Land, und nicht wenige von ihnen sind schwul. Noch immer jagt so mancher von ihnen einem Orientalismus hinterher, der - besucht man die schwule Hauptausgehzone Bangkoks in Silom - auch nicht ganz ungerechtfertigt scheint. Dort trifft man nicht selten auf gemischte Männerpärchen, bei denen es offensichtlich ist, dass Geld und nicht das Aussehen den gröβten Reiz schafft. Gängige Vorurteile werden durch das schwule Nachtleben Bangkoks oft bestätigt.

Von Gay Pride keine Spur

Für eine Stadt wie Bangkok - mit einer geschätzten Einwohnerschaft von 9 bis zwölf Millionen - ist die homosexuelle Szene unwahrscheinlich klein und weist keine der im Westen bekannten Infrastrukturen auf. Schwule Jugend- und Coming Out-Gruppen, Homo-Beratungszentren, selbst schwule Cafés und Restaurants fehlen; lesbische Treffpunkte sind unbekannt. Die Szene ist komplett dem Nachtleben gewidmet.

Sicherlich kann man dies auch kulturell begründen. Die Sexualität spielt für die Platzierung in der Gesellschaft keine Rolle. Stolz zu sein auf seine Sexualität ist den Thais fremd. Bekennt man sich zu seiner Homosexualität, droht oft ein Gesichtsverlust. Transsexuelle werden eher akzeptiert, da sie aus dem sexuellen Rahmen ganz herausfallen.

Schwules Chaos

Doch dass die diesjährige Parade, Abschluss der Gay Pride-Woche, so kümmerlich ausfiel, ist bedauerlich. Da bekriegen sich die Organisatoren Jahr für Jahr und kämpfen um Details, während die ganze schwule Woche im Chaos versinkt. PR-Kampagnen sind unbekannt; keinen einzigen Artikel findet man in Thailands Presse über die Veranstaltung. Von Gay Pride keine Spur. Währenddessen fliehen reiche Schwule des öfteren nach Singapur, dem eigentlich drakonischen Stadtstaat, das Bangkok nichtsdestotrotz - vor allem dank freundlicheren Sperrstunden - jüngst den Rang als "schwule Hauptstadt Asiens" abgelaufen hat.

Nur Kellnerinnen und Friseusen

Natürlich findet auch in Bangkok ein reges schwules Leben statt - weit abgelegen vom durch Touristen belagerten Silom-Bezirk. Doch haben es viele Schwule, Lesben und Transsexuelle in Thailand schwerer als einen viele RTL II-ähnliche Berichte über das Land glauben lassen wollen. Zwar sind die Thais generell offen und tolerant. Aber auch hier haben viele Menschen Vorurteile gegenüber Sexualitäten, die von der Hetero-Norm abweichen. Transsexuelle werden belächelt und oft nur als Kellnerinnen und Friseusen eingestellt; Schwule dürfen sich selbst nur in abgeriegelten Homo-Schutzzonen ausleben; Lesbischsein wird als schlichte Phase definiert. Thailand hätte eine Gay Pride-Woche nötiger als Berlin, Hamburg und Köln. Das macht das Versagen der hiesigen Organisatoren umso bedauernswerter.