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Von der Spree an den Rhein

Christoph Strack11. Juli 2014

Nun ist es amtlich: Der Papst schickt Kardinal Rainer Maria Woelki als Erzbischof von Berlin nach Köln. Er wird eines der reichsten Bistümer an die Strenge der Botschaft von Franziskus in puncto Armut erinnern.

Kardinal Rainer Maria Woelki
Bild: picture-alliance//dpa

Am Freitagmittag gaben der Vatikan und das Kölner Erzbistum zeitgleich bekannt, was schon zuvor an die Öffentlichkeit gedrungen war. Damit wird Kardinal Rainer Maria Woelki Nachfolger von Kardinal Joachim Meisner. Ende Februar hatte der Papst das Rücktrittsgesuch des 80-Jährigen angenommen.

Papst Franziskus setzt mit der Personalentscheidung für das wichtigste deutsche Bistum ein Signal. Der künftige Chef des Kölner Erzbistums hat sich in den vergangenen Jahren bei sozialen Themen einen Namen gemacht und drängt auf mehr Nähe zu den Armen. Bei kirchlichen Reformfragen lässt der 57-jährige Woelki Bereitschaft zu Veränderungen erkennen. Er selbst wirkt auch als Kardinal wie ein einfacher Priester und pflegt einen gelegentlich mönchisch, aber nicht klerikal wirkenden Habitus.

Mit Woelki kommt erneut der künftige Erzbischof von Köln aus Berlin. Doch diesmal unter ganz anderen Vorzeichen. Vor gut 25 Jahren hatte - noch zu Zeiten der deutschen Teilung - der damalige Papst Johannes Paul II. den aus der DDR stammenden Berliner Bischof Joachim Meisner an den Rhein versetzt. Hier das lebenslustige, rheinisch-katholische Milieu der westlichen Bundesrepublik, dort der streng konservative Meisner – Unterschiede in Mentalität und Prägung, die es beiden Seiten nicht leicht machten. Über Jahrzehnte setzte sich Meisner im deutschen Katholizismus mit römischer Rückendeckung gegen liberalere Kräfte durch – in seinem Erzbistum ebenso wie gegen die Mehrheit der Deutschen Bischofskonferenz. Erst vor vier Monaten ging er 80-jährig in den Ruhestand.

Die neue Bescheidenheit

Woelki stammt selbst aus Köln, was sein Dialekt auch nach drei Jahren in Berlin noch verrät. Und nicht nur der Dialekt. Er kann ernst und lebensfroh zugleich wirken. Als ihn Papst Benedikt XVI. ausgerechnet am Karnevalssamstag 2012 in Rom zum Kardinal - dem damals jüngsten Kardinal überhaupt - machte, war der neue Purpurträger dennoch froh, beim abendlichen Empfang mit Gleichgesinnten Lieder aus dem rheinischen Brauchtum singen zu können.

Woelki (2.v.l.) im Gespräch mit Kardinal Gianfranco Ravasi, Präsident des Päpstlichen Rates für Kultur, Robert Zollitsch, ehemaliger Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, und Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister von Berlin (v.l.n.r.)Bild: picture-alliance/dpa

Woelki, der vor seinem Theologiestudium seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr ableistete, war lange Jahre als Kölner Weihbischof an der Seite von Kardinal Meisner. Im Sommer 2011 dann der damals ausgesprochen überraschende Aufstieg zum Erzbischof von Berlin. Ein halbes Jahr später die Kardinalswürde. Woelki – inzwischen eine der wichtigsten Stimmen der katholischen Kirche in Deutschland - wirkt dennoch manchmal so, als seien ihm Titel und Förmlichkeit zu viel.

"Ich versuche, meine Wurzeln nicht zu vergessen: Dass ich aus relativ bescheidenen Verhältnissen komme und dass es auch bei uns zuhause relativ bescheiden zugegangen ist", sagte er vor einigen Monaten in einem Interview mit der Deutschen Welle. Ein Lebensstil, der sich an diesem Vorsatz ausrichtete, kam in der deutschen Hauptstadt gut an. Woelki bezog eine Etagenwohnung im Wedding, einem Arbeiterviertel mit mulitikulturellem Charakter. Und schon bevor Papst Franziskus die neue Bescheidenheit ausrief, war es möglich, den Berliner Erzbischof auf dem Fahrrad zu begegnen oder in der U-Bahn zu treffen.

In seinen drei Berliner Jahren hat Woelki vieles richtig gemacht. Er lernte den alltäglichen Umgang mit nicht-katholischen Kirchen in der Ökumene. Für aufmerksames Zuhören nahm er sich Zeit. Der von ihm gepflegte entkrampfte Umgang mit der politischen Spitze der Stadt fällt auf. Und das, obwohl der Regierenden Bürgermeister und Katholik Klaus Wowereit, der in einer homosexuellen Partnerschaft lebt, in diesem Punkt nicht dem Ideal katholischer Moralvorstellung entspricht. Auch Wowereit reiste vor zwei Jahren für seinen Kardinal nach Rom.

Sorge um Asylbewerber

Deutliche Akzente setzte Kardinal Woelki mit sozialen Themen. So forderte er einen menschlichen Umgang mit Asylbewerbern, prangerte Kinderarmut an. Und in Berlins Problemviertel Neukölln sorgte maßgeblich er dafür, dass eine kirchliche Wohnungsbaugesellschaft überteuerte und verwahrloste Wohnblöcke für hunderte Roma übernahm. Die inzwischen längst sanierten Häuser werden nun von stolzen Bewohner in Schuss gehalten. Und gelegentlich schaut der Kardinal vorbei. "Das Christentum", sagt Woelki, "ist ja nun mal politisch. Da kann man sich nicht heraushalten." Und weil er auch der für die Caritas zuständige Bischof im deutschen Episkopat ist, ist er mit der Nähe zu den Menschen am Rande der Gesellschaft vertraut. Ein Vorteil bei offiziellen Gesprächen in der großen Politik.

Dass nun Woelki auf Meisner folgt, überrascht selbst Experten. In Äußerungen und bei Stilfragen hat sich der langjährige Meisner-Mitarbeiter Woelki von seinem früheren Chef erkennbar distanziert. Und als Favoriten für den Bischofsstuhl der rheinischen Metropole wurden andere Namen gehandelt, so der Trierer Bischof Stephan Ackermann und der Essener Bischof Franz-Joseph Overbeck. Nach den ersten Bischofsernennungen durch Franziskus in Deutschland - sie betrafen Passau und Freiburg - diskutiert man kirchenintern, ob der Papst bewusst Personalentscheidungen fällt, die an den bisherigen Auswahlverfahren vorbei erfolgen. Das kann auch in Köln passiert sein.

Setzte sich für Roma ein: Kardinal WoelkiBild: picture-alliance/dpa

Woelki ließ noch unter Papst Benedikt Reformbereitschaft erkennen. Dabei wurzelt der Erzbischof in der überkommenen katholischen Lehre. Aber ein rigider seelsorgerlicher Kurs beim Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen oder Homosexuellen ist nicht sein Ding. Er weiß um die Besonderheiten Kölns und das Fremdeln der Rheinländer mit jeder allzu harten Vorgabe von oben.

Für die Armen im reichen Bistum?

Vermutlich werden sich viele Kölner Katholiken wundern, wenn der neue Erzbischof in seine Geburtsstadt zurückkehrt. Denn Woelki war nicht nur drei Jahre an der Spree, um seinen Job zu machen - er tauchte mit Verstand und Selbstbewusstsein in eine kirchliche Lebensform ein, die es in Köln so (noch) nicht gibt. In Berlin ist Kirche eine Minderheit in einem säkular geprägten Milieu. Selbstverständlichkeiten, die sich an Statistiken oder Geldfragen ausrichten, wird er hinterfragen.

"Die Kirche muss bereit sein, sich immer zu reformieren", sagte Woelki der Deutschen Welle, "sich an den Ursprüngen, am Evangelium messen lassen." Angesichts der heutigen Herausforderungen mit Blick auf die Welt und die Frage nach Gott habe die Kirche an der Seite der Menschen zu stehen, die Not litten oder arm seien. "Da ist, glaube ich, der Papst ein gutes Beispiel und eine Herausforderung, durch die Art, wie er das tut."

Das Erzbistum Köln zählt mit seinen 2,1 Millionen Katholiken zu den wichtigsten und finanzstärksten Diözesen weltweit. Sein Jahresetat liegt bei 800 Millionen Euro. Woelki wird sich an seinen Überzeugungen messen lassen müssen, wenn er im Herbst das neue Amt antritt.

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