El Yazidi: Was will der neue Vorsitzende des ZMD?
17. Februar 2025
"Wir sehen uns als deutsche Muslime", sagte Abdassamad El Yazidi der Deutschen Welle. Er ist neuer Vorsitzender des Zentralrats der Muslime (ZMD). Eine Vertreterversammlung wählte den gebürtigen Hessen mit knapp 81 Prozent der Stimmen in die Spitzenposition, die er seit dem Sommer 2024 und dem überraschenden Rücktritt von Aiman Mazyek bereits kommissarisch ausgeübt hatte. Der 49-jährige El Yazidi war seit 2016 ZMD-Generalsekretär.
Der Sohn eines marokkanischen Gastarbeiter-Ehepaares sieht sich selbst als Migrant der "dritten Generation". Schon sein Großvater ging zur Arbeit nach Deutschland. Der Vater, in Marokko als Lehrer ausgebildet, arbeitete im Rhein-Main-Gebiet Jahrzehnte als "Hilfsschlosser"; El Yazidi kann vom Stolz der Familie erzählen, als der Vater für 25-jährige Tätigkeit ohne einen Fehltag wegen Erkrankung geehrt wurde.
Vor seinem Engagement beim ZMD war er leitender Angestellter eines großen Logistikunternehmens am Frankfurter Flughafen. Nach einem privaten Umzug kam er in die kleine Moschee-Gemeinde in Pfungstadt südlich von Darmstadt, die ihn als Gemeindevorsteher gewinnen wollte - und ihn auch überzeugte. "Die kleinste Moschee in Deutschland", sagt er gelegentlich im Scherz.
"Wir sind Teil der deutschen Gesellschaft"
"Wir sind auf vieles stolz, was Deutschland ausmacht. Aber wir fühlen uns inzwischen als Muslime und insbesondere ich, als Gesicht und als Vertreter einer Religionsgemeinschaft, als Bürger zweiter Klasse. Für vieles, was in unserer Gesellschaft schief läuft, macht man uns verantwortlich", sagt El Yazidi, Vater von vier Kindern.
Gerade bei der jungen Generation von Migranten sorge die aktuelle Stimmung für Unwohlsein. Und nicht wenige gut ausgebildete jüngere Menschen zögen, "weil sie sich in Deutschland nicht willkommen fühlen", die Auswanderung in Erwägung. "Das sollte der Gesamtgesellschaft zu denken geben." El Yazidi wirft etablierten Parteien in der deutschen Politik vor, beim Thema Migration Schlagworte und Rhetorik von der in Teilen rechtsextremen AfD übernommen zu haben. "Auch in den sogenannten Volksparteien überbieten sich einige Akteure darin, die AfD im Grunde rechts überholen zu wollen."
Der 1987 gegründete Zentralrat ist mit Moscheegemeinden in neun Landesverbänden nicht der größte muslimische Zusammenschluss in Deutschland. Aber El Yazidi verweist im Gespräch mit der DW auf eine ungewöhnliche Vielfalt. Der ZMD vertrete – anders zum Beispiel als die Ditib, die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion – nicht nur eine bestimmte Nationalität. So gebe es albanische und bosnische, türkische und arabische Muslime. Sowohl Schiiten als auch Sunniten gehörten dem Verband an. "Der verbindende Grundgedanke ist die Bürgerschaft in Deutschland." Die Mitglieder brächten sich vielfältig in die Zivilgesellschaft ein.
El Yazidi spricht von Anfragen weiterer Moscheegemeinden, die sich anschließen wollten, von der baldigen Gründung weiterer Landesverbände. Dabei gibt es seit Jahren immer wieder auch Kritik am ZMD. Bei der Deutschen Islam-Konferenz der zu Ende gehenden Legislaturperiode war der Zentralrat nicht eingebunden. Ihm wurde, hieß es, späte Distanzierung vom Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) vorgehalten. El Yazidi sagt, die jetzige Vertreterversammlung habe den Ausschluss von zwei Moscheen, darunter des Islamischen Zentrums München (IZM), mit deutlicher Mehrheit bekräftigt. Dort liefen nun juristische Auseinandersetzungen.
Der Streit um die ATIB
Zugleich weist El Yazidi Kritik am Verbleib des Moscheeverbands "Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e.V." (ATIB) im ZMD zurück. Die ATIB habe sich von früheren Positionen verabschiedet und sei dazu auf Distanz gegangen. Er selbst habe sich lange damit befasst. "Wir halten ATIB für eine demokratische Organisation." Der Verband bemühe sich um Transparenz und sachliche Aufarbeitung. Solche positiven Entwicklungen würden von offizieller Seite zu wenig gesehen.
El Yazidi ist wie kein anderer Repräsentant der Muslime in Deutschland seit langem im interreligiösen Dialog engagiert. So nahm er im Februar 2019 in Abu Dhabi an offiziellen Begegnungen während des Besuchs von Papst Franziskus auf der Arabischen Halbinsel teil, bei dem der Papst mit führenden sunnitischen Geistlichen ein umfangreiches Dokument unterzeichnete.
Im Januar 2020 gehörte der ZMD-Vertreter zu einer Delegation der Muslimischen Weltliga unter ihrem Generalsekretär Mohammad Al-Issa, die gemeinsam mit der Spitze der American Jewish Congress (AJC) die KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau besuchte und dort der von den Deutschen ermordeten sechs Millionen Juden gedachte.
Der interreligiöse Dialog, sagt El Yazidi der DW, sei für ihn "ein Herzensanliegen" und eine "religiöse Verantwortung". Er halte den Koran für "das Buch des Dialogs", für eine Einladung zum Miteinander. Er versuche auch, sowohl den jüdisch-muslimischen Dialog als auch den christlich-muslimischen Dialog in Deutschland voranzubringen. In Zeiten der Konflikte strebe er einen Pakt der Religionsgemeinschaften für das Leben und das Miteinander der Menschen an. "Hier in Deutschland sind wir auf der Ebene der Religionsvertreterinnen und -vertreter sehr weit. Aber wir müssen das noch mehr in die Basis tragen und Austausch anregen."
Zum Dialog beim Papst
Und El Yazidi verweist auch auf internationale "Religionsdiplomatie". International gebe es "sehr positive Entwicklungen, die von Deutschland verschlafen werden". Der ZMD-Präsident spricht davon, dass das Auswärtige Amt seine Expertise zum Thema Religion und zur Friedensverantwortung der Religionen "leider abgefertigt" habe. "Das mit der werteorientierten Außenpolitik war vielleicht doch nicht so ernst gemeint, wie es vorher geklungen hat", sagt er.
Seine jüngste Reise aufs internationale Parkett führte El Yazidi wenige Tage vor seiner Wahl nach Rom. Papst Franziskus empfing ihn mit muslimischen Repräsentanten aus europäischen Ländern im Vatikan. "Er ermutigt uns zur Begegnung und zum Dialog."