Europa dominiert die Tour de France: Frankreich stellt - wenig überraschend - die stärkste Teilnehmernation beim größten Radrennen der Welt. Überraschend ist: Die Tour ist weniger international als in den Vorjahren.
Anzeige
Die Tour de France ist ein französisches Rennen durch Frankreich. Klar, es gibt längst Starts oder Etappen im Ausland, doch der Großteil der Strecke führt eben durch die Grande Nation. Das ist jedes Jahr so und hat sich auch im Laufe der Zeit nicht groß verändert. Was sich stärker verändert hat, ist das Fahrerfeld. Das zeigt ein Blick in die Geschichte des Rennens: Bei der Erstaustragung 1903 starteten 80 Fahrer, darunter sechs Schweizer, fünf Belgier, zwei Deutsche, ein Italiener und alle anderen waren Franzosen. Eine rein europäische Angelegenheit.
Das ist heute anders. Der Radsport ist ein internationaler Sport mit Fahrern, Teams und Rennen in allen Erdteilen. Die UCI WorldTour, die Beletage des Radsports, wird in 15 Ländern bzw. auf vier Kontinenten ausgetragen. Mit neuen Sponsoren und neuen Märkten der Radindustrie kamen in den vergangenen Jahren auch neue Nationalitäten hinzu. Wird also auch die Tour de France als Aushängeschild des Radsport immer internationaler?
Die Anzahl der Nationen nimmt ab
Überraschenderweise nein. Die Zahl der teilnehmenden Nationen nahm in jüngster Zeit ab: Waren es 2016 noch 35 Nationalitäten und 2017 noch 32, so sind es 2019 genau wie schon 2018 nur noch 30. Grund hierfür könnte auch eine Reform des Regelwerks sein, die manche Teams zum Umdenken zwang. Seit 2018 sind nur noch acht Fahrer pro Mannschaft bei den Grand Tours (Tour de France, Giro d'Italia und Vuelta a España) zugelassen, womit sich die Gesamtzahl der Starter beispielsweise bei der Tour von 198 auf 176 reduzierte. Das Rennen sollte so spannender und weniger gut kontrollierbar werden.
Das hat aber auch Auswirkungen auf die Startplätze für Fahrer, die nicht aus den klassischen Radsportnationen stammen. Während die Anzahl der Starter aus Hochburgen wie Frankreich (35), Belgien (21) oder Italien (15) mehr oder weniger konstant blieb, verloren kleinere Nationen an Boden. So hatte die Region Asien und Ozeanien in den beiden Vorjahren noch je 18 Starter, doch in diesem Jahr sind es nur noch 13 Profis. Auch für afrikanische Athleten gibt es bei der Tour de France immer weniger Platz, beklagt auch Natnael Berhane im DW-Interview. Von sechs Startern 2015, über fünf in den Jahren 2016 und 2017 sowie vier im Vorjahr auf aktuell drei bei der diesjährigen Ausgabe. Die Anzahl der Fahrer aus Amerika blieb mit zwölf Startern konstant. Europa, seit jeher die Basis des Profiradsports, stellt mit 148 Teilnehmern das absolute Gros des Pelotons.
Wer gewinnt die Tour de France?
Vierfachsieger Chris Froome fehlt bei der Tour de France nach seinem schweren Sturz. Doch auch ohne ihn kämpft ein erlesenes Feld um das Gelbe Trikot - und es könnte einen Überraschungssieger geben.
Bild: Reuters/S. Mahe
Wer macht das Rennen?
Auch ohne den schwer gestürzten Chris Froome wird es ein packendes Rennen. Die Tour de France verspricht Spannung, auch wenn das bisherige Sky-Team (nach Sponsorenwechsel jetzt Ineos) wieder das stärkste ist. Unser Kandidatencheck zeigt, wer den Briten gefährlich werden könnte...
Bild: picture-alliance/Belga/D. Waem
10 Enric Mas (Deceuninck-Quickstep)
Eingefallene Wangen, tiefsitzende Augen, spindeldürre Glieder und kurz geschorenes Kopfhaar - Enric Mas jagt manchem Betrachter einen Schrecken ein. Doch der 24-jährige Spanier ist kerngesund und extrem austrainiert. Als starker Bergfahrer wurde er 2018 überraschend Zweiter der Vuelta, fuhr in diesem Jahr aber bisher unauffällig. Prognose: Es reicht noch nicht für ganz vorne.
Bild: imago images/Sirotti
9 Nairo Quintana (Movistar)
Ist die Zeit von Nairo Quintana schon vorbei? Von 2013 bis 2016 fuhr er bei Tour, Giro und Vuelta stets auf die Plätze eins bis vier, war am Berg eine Macht. Doch in letzter Zeit schwächelt der stille Kolumbianer, der Medientermine scheut und meist abgeschirmt wird, ausgerechnet bei den schweren Anstiegen. Es dürfte seine letzte Chance als Kapitän bei der Tour sein. Prognose: Er nutzt sie nicht.
Bild: Reuters/S. Mahe
8 Romain Bardet (Ag2r La Mondiale)
Die Hoffnungen wiegen schwer auf den schmalen Schultern des Romain Bardet. Der schlaksige Kletterer soll die lange Durststrecke der Franzosen bei der Tour beenden. In den letzten Jahren sah es so aus, als käme er diesem Ziel näher. Doch aktuell fährt Bardet, der einen Uni-Abschluss in Management besitzt, seiner Form und den Gegnern hinterher. Prognose: Verliert im Zeitfahren zu viel Zeit.
Bild: AFP/Getty Images/A.-C. Poujoulat
7 Adam Yates (Mitchelton-Scott)
"Wir haben unterschiedliche Wege genommen, sind uns aber sehr nah und sprechen täglich miteinander", sagt Adam Yates über seine Beziehung zu seinem Zwillingsbruder Simon. Beide sind talentierte Anwärter auf das Gesamtklassement. In Frankreich wird Simon, der beim Giro Kapitän war, wohl für Adam fahren. Der ist in den Bergen gut, im Zeitfahren solide. Prognose: Kann mitspielen, aber nicht gewinnen.
Bild: imago images/Sirotti
6 Emanuel Buchmann (Bora-Hansgrohe)
Vom talentierten Mitfahrer zum Podiumskandidaten - Emanuel Buchmann hat bei den Vorbereitungsrennen einen starken Eindruck hinterlassen. Am Berg zählt der stille Schwabe inzwischen zu den Besten, im Zeitfahren hat er sich gesteigert. Was dem 26-jährigen noch fehlt, ist der Punch und das Selbstvertrauen für einen großen Sieg. Prognose: Seine Kurve geht weiter nach oben.
Das Double aus Giro und Tour hat sich in den letzten Jahren stets als zu anspruchsvoll erwiesen. Auch dem erfahrenen "Hai aus Messina" wird man die Strapazen der Italienrundfahrt, die er auch wegen eines taktischen Fehlers verlor, noch anmerken. Doch mit seiner Konstanz und Leidensfähigkeit wird der 34-Jährige punkten. Prognose: Dem Hai fehlen ein paar Zähne für einen kraftvollen Biss.
Bild: AFP/Getty Images/L. Benies
4 Thibaut Pinot (Groupama-FDJ)
Die Angst vor den Abfahrten ist besiegt, an seiner Zeitfahrschwäche hat er gearbeitet - ist Thibaut Pinot nun endlich bereit für mehr als eine gute Platzierung? Fast. Der Franzose wählte einen kontinuierlichen Aufbau und fokussiert sich erstmals wieder auf die Tour. Sein Team ist gut, aber andere sind besser. Prognose: Pinot wird angreifen, seine Gegner aber nicht alle abschütteln können.
Bild: AFP/Getty Images/A.-C. Poujoulat
3 Geraint Thomas (Ineos)
Der Titelverteidiger hatte bei der Tour de Suisse eine Schrecksekunde: Nach einem schweren Sturz schien bereits der Traum vom zweiten Toursieg ausgeträumt. Doch der 33-jährige Waliser kann starten. Seine Vorbereitung lief nicht ideal - ihm wird die Leichtigkeit des Vorjahres fehlen. Prognose: Aber zum Podium reicht es dennoch.
Bild: picture-alliance/empics/P. Goding
2 Jakob Fuglsang (Astana)
Jahrelang stand der Däne in Diensten anderer Top-Fahrer: Jakob Fuglsang fuhr schon für die Schleckbrüder als Helfer und stand auch bei Astana meist im Schatten. Nun ist er Kapitän und das zu Recht. In diesem Jahr war er der konstanteste der Tour-Kandidaten, hat sich am Berg noch einmal gesteigert. Prognose: Kommt dem Gelben Trikot sehr nah.
Bild: Imago/Sirotti
1 Egan Bernal (Ineos)
Viva Colombia! Die radsportverrückte Nation freut sich auf den nächsten Star, der im Juli die Heimat verzückt. Und dieses Mal möglicherweise so richtig. Egan Bernal hat außergewöhnliche Leistungsdaten und fährt bei Ineos im stärksten Team. Bei der Tour de Suisse war er nicht zu schlagen, jetzt könnte er der Tour seinen Stempel aufdrücken. Prognose: Er lässt Kolumbien jubeln.