Überflutungen, Stürme, Hitze - besonders arme Länder werden von Extremwetterereignissen heimgesucht. Nach dem "Klima-Risiko-Index" waren die Philippinen 2013 am stärksten betroffen.
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Philippinen: Ein Jahr nach Taifun "Haiyan"
Wie sieht es zwölf Monate später in den vom Wirbelsturm verwüsteten Gebieten aus? DW-Reporterin Roxana Isabel Duerr hat sich in der besonders betroffenen Stadt Tacloban umgesehen und umgehört.
Bild: DW/R. I. Duerr
Höchste Windstärke
Vor einem Jahr traf Supertaifun "Haiyan" als erstes auf die philippinische Insel Samar und erreichte dort Spitzengeschwindigkeiten von fast 380 Stundenkilometern. Balangiga ist eines der ärmsten Dörfer der Region und wurde besonders hart getroffen – zahlreiche Gebäude wurden zerstört, rund 13.000 Menschen waren von heute auf morgen obdachlos. Die Dorfkirche aber hielt weitgehend stand.
Bild: ICRC/H. Lu
Wiederaufbau
Eine Gruppe Arbeiter im Dorf Quinapondan im Osten Samars transportiert Baumaterial. Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz haben in den vom Taifun betroffenen Regionen für die Anwohner sogenannte "Geld-für-Arbeit"-Programme ("cash for work") ins Leben gerufen. Für Schuttbeseitigung und Mithilfe bei Wiederaufbau wurde die Dorfbevölkerung über einen gewissen Zeitraum entlohnt.
Bild: ICRC/J. Edep
Sturmsicher?
Bauingenieurin Rachel Orit von der Hilfsorganisation CARE erklärt Anwohnern der Gemeinde Lanauan auf der Insel Leyte, wie Häuser sturmsicherer gebaut werden können. Wie aber sollen Gebäude extrem hohen Windstärken von über 300 Stundenkilometern standhalten?
Bild: DW/R. I. Duerr
Noch kein Zuhause
Tausende Familien in den betroffenen Gebieten sind immer noch in Zeltlagern und Notunterkünften untergebracht. Unter den derzeitigen Bedingungen wären diese Menschen einem erneuten Taifun hilflos ausgesetzt.
Bild: DW/R. I. Duerr
Blaues Gold
Taifun "Haiyan" hat viele Menschen von der Wasserversorgung abgeschnitten. Es vergingen Monate, bis die Wasserleitungen repariert werden konnten. Noch heute haben nicht alle Gemeinden auf den Inseln Samar und Leyte unmittelbaren Zugang zu Wasser. Diese Anwohner eines Bezirks von Guiuan auf der Insel Samar teilen sich eine Trinkwasserquelle.
Bild: ICRC/M R Hasan
Dachlos
Ein Junge vor seiner dachlosen Grundschule im Dorf Lanauan, drei Autostunden von Tacloban entfernt. In entlegenen Dörfern der Insel Leyte geht der Wiederaufbau langsamer voran als in den Städten. Aufgrund schwierig befahrbarer Straßen mussten die Menschen dort nach der Katastrophe wochenlang auf Hilfsgüter und Unterstützung warten.
Bild: DW/R. I. Duerr
Landwirtschaft lahmgelegt
Reisfelder und Kokospalmen-Plantagen, die Lebensgrundlage vieler Menschen, wurden durch den Wirbelsturm zerstört: "Haiyan" hat die lokale Landwirtschaft lahmgelegt, und es wird noch Jahre dauern, bis sich die betroffenen Provinzen von der Katastrophe erholen werden.
Bild: DW/R. I. Duerr
Neues Boot, kein gutes Geschäft
Der Supertaifun hat unzählige Fischerboote zerstört, auch das von Dioscoro Villaceran. Seit 30 Jahren ist er Fischer in Tacloban. Durch eine Spende hat er nun endlich ein neues Boot erhalten und kann seinem Beruf wieder nachgehen. Das Geschäft laufe aber nicht so gut wie vorher: "Die Leute sind ärmer geworden und kaufen jetzt weniger Fisch."
Bild: DW/R. I. Duerr
Friedhof von Palo
Massengrab vor der Kirche in der Stadtgemeinde Palo auf der Insel Leyte. Über 6000 Tote wurden offiziell bestätigt. Die Behörden rechnen allerdings damit, dass "Haiyan" mehr als 10.000 Menschenleben forderte.
Bild: DW/R. I. Duerr
"Eva Jocelyn"
Gleich neun Frachtschiffe spülte "Haiyan" am Stadtrand von Tacloban an Land. Ein Schiff, die "Eva Jocelyn", sollte zunächst als "Haiyan"-Denkmal zurückbleiben. Die Anwohner wehrten sich allerdings dagegen und forderten die Beseitigung des 3000-Tonnen-Handelsschiffes – zu schmerzhaft seien die damit verbundenen Erinnerungen. Die "Eva Jocelyn" soll nun im nächsten Monat entfernt werden.
Bild: DW/R. I. Duerr
Viele Stürme erlebt
Der 93-jährige Rogelio Solajes hat in seinem Leben schon zahlreiche Taifune erlebt, doch die Brutalität von "Haiyan" war auch für ihn neu. Solajes überlebte, indem er sich stundenlang an einer Palme auf einem Hügel festhielt. Auch seine 12-köpfige Familie überlebte den Sturm.
Bild: DW/R. I. Duerr
Nationales Trauma
Keine Nation der Welt erlebt so viele tropische Stürme wie die Philippinen, doch der Schock von "Haiyan" sitzt noch sehr tief. Insbesondere Kinder können das erlebte Trauma meist nur schwer verarbeiten.
Bild: DW/R. I. Duerr
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Mit Böen von bis zu 350 Stundenkilometer fegte Taifun Haiyan am 8. November 2013 über die Philippinen. Es war der stärkste Taifun, denen die Menschen auf dem Inselstaat jemals ausgesetzt waren. Mehr als 6000 von ihnen kamen bei der Katastrophe ums Leben. Viele der Bewohner haben bis heute kein dauerhaftes Dach über dem Kopf - sind mit dem Wiederaufbau beschäftigt.
Der Sturm hat Verzweiflung und Trauer über das Land gebracht. Und er hat dazu geführt, dass der Inselstaat einen freudlosen ersten Platz errungen hat: als das Land, dass 2013 weltweit am stärksten von Wetterextremen getroffen wurde. Platz zwei und drei im neu veröffentlichten "Klima-Risiko-Index 2015" belegen Kambodscha und Indien. Weiter folgen Mexiko, St. Vincent und die Grenadinen, Pakistan, die Demokratische Volksrepublik Laos, Vietnam, Argentinien und Mosambik.
Verwundbarkeit der Staaten
Bereits seit neun Jahren veröffentlicht die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch ihr Ranking. Als Untersuchungsgrundlage für den Index dienen die Anzahl der Menschen, die bei Extremwetterereignissen ums Leben kamen und die direkten ökonomischen Verluste innerhalb eines Landes.
Sönke Kreft gehört zu den Autoren der Studie. Er ist Teamleiter bei Germanwatch im Bereich Internationale Klimapolitik: "Der Klima-Risiko-Index unterstreicht, wie wichtig es ist, die Erwärmung unter zwei Grad zu halten, um noch weit größere Katastrophen zu vermeiden", sagt er und spielt damit auf das sogenannte "Zwei-Grad-Ziel" an - das politische Ziel, die globale Erderwärmung auf weniger als zwei Grad gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung zu begrenzen.
Und so ist es natürlich kein Zufall, dass Germanwatch die Studie ausgerechnet am zweiten Tag des Weltklimagipfels in Lima (2.12.2014) der Öffentlichkeit präsentiert. "Es gilt den Klimawandel so zu begrenzen, dass nicht ständig neue Rekordkatastrophen zu erwarten sind", appelliert Sönke Kreft. Die Studie selbst ist allerdings deutlich vorsichtiger dabei, einen direkten Zusammenhang zwischen Extremwetterereignissen und den Folgen des Klimawandels zu ziehen. Schließlich erlaube die Auswertung der Daten keine Aussagen darüber, welchen Einfluss der Klimawandel an den Extremwetterereignissen habe, heißt es dort. Ziel der Publikation sei es vielmehr "ein Bild der Verwundbarkeit der Staaten" zu zeichnen.
Arme Staaten am meisten gefährdet
Und so sind es ausgerechnet die ärmsten Staaten unserer Erde, die auch in diesem Punkt besonders verwundbar erscheinen: Neun der zehn Länder, die von Naturkatastrophen besonders heimgesucht werden, sind nach dem sogenannten Langfristindex (1994-2013) Entwicklungsländer - und zwar solche mit niedrigem oder niedrig-mittleren Pro-Kopf-Einkommen.
Konkret wurden Honduras, Myanmar und Haiti als die meistbetroffenen Länder des langfristigen Klima-Risiko-Index ermittelt. Ihnen folgen Nicaragua, die Philippinen, Bangladesch, Vietnam, die Dominikanische Republik, Guatemala und Pakistan. "Der Index zeigt, dass Lateinamerika und die Karibik - also die Gastgeberregion der aktuellen Weltklimakonferenz - besonders von heftigen Wetterereignissen betroffen sind", kommentiert Werner Kreft seine Studie. Und wohl in Richtung Politik fügt er hinzu: "Wir erhoffen uns, dass die Ergebnisse des Index das Problembewusstsein für Klimaschutz und -anpassung in Lateinamerika weiter steigern."
Jahrhundertflut lässt Deutschland im Ranking steigen
Zwischen 1994 und 2013 starben weltweit mehr als 530.000 Menschen bei Extremwetterereignissen. Und es ist nicht so, als gehe die Industriestaaten das alles nichts an: Auch Hunderttausende Menschen in Deutschland haben bei der "Jahrhundertflut" 2013 erlebt, was es heißt, einer Naturgewalt ausgesetzt zu sein - auch wenn sich das Leid der Menschen entlang der Elbe kaum mit den Tausenden von Toten auf den Philippinen messen lässt. Die materiellen Schäden in Deutschland beliefen sich jedoch auf mehr als zehn Milliarden Euro. Und so nimmt Deutschland für das Jahr 2013 im Klima-Risiko-Index den 32. Platz ein.