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Gesellschaft

Wohin mit Afrikas Corona-Müll?

Silja Fröhlich
15. Februar 2022

Masken, Handschuhe, Testkits - Zehntausende Tonnen an täglichem Müll entstehen durch die Corona-Pandemie. Afrika kam schon davor nicht mit der Müllentsorgung hinterher. Welche Gefahren birgt das für den Kontinent?

Äthiopien Hygienepersonal entsorgt Tonnen mit Corona-Müll
Bild: AMANUEL SILESHI//AFP via Getty Images

Sie liegen überall, achtlos weggeworfen, verstopfen Straßen und Flüsse. Die strahlend-blauen Gesichtsmasken, die Menschen weltweit vor einer Infizierung mit COVID-19 schützen sollen, sind zu einem ganz neuen Problem geworden. Es herrscht eine regelrechte Müll-Pandemie: 353 Millionen Gesichtsmasken landen in Subsahara-Afrika nach Schätzungen jeden Tag im Müll, davon die meisten in Westafrika.

Wenn Kenianerin Catherine Wanjoya durch Nairobi läuft, kann sie ihren Ärger darüber nicht verbergen. "Die Masken liegen in den Straßen, die Menschen werfen sie einfach weg. Schuld daran ist die Tatsache, dass wir unseren Müll nicht trennen und die Menschen sich einfach nicht interessieren", sagt sie im DW-Interview.

Benutzte Gesichtsmasken gewaschen und verkauft

Catherine Wanjoya, Gründerin von Genesis CareBild: Catherine Wanjoya

Wanjoya ist die Gründerin von Genesis Care, einem Unternehmen, das Automaten für Hygieneprodukte sowie Verbrennungsöfen für deren anschließende Entsorgung vertreibt. Vor der Pandemie verkaufte Genesis Care Menstruationsprodukte für Frauen, jetzt sind auch Masken und Handschuhe im Sortiment. Für Wanjoya hat die hygienische Beseitigung der Produkte Priorität.

"COVID-19 hat sich in Kenia zu Beginn der Pandemie schnell verbreitet, auch, weil die Masken einfach in die Gegend geworfen wurden", so Wanjoya. Sie wisse von Fällen, in denen Menschen benutzte Masken aufgehoben, gesäubert und wieder verkauft hätten. "Das Gleiche passiert auf öffentlichen Mülldeponien: Menschen sammeln dort gebrauchte Spritzen oder abgelaufene Medikamente und infizieren sich und andere dadurch."

Recycling bleibt ein Problem

Nach Angaben der Weltbank entsorgen Länder mit niedrigen Einkommen mehr als 90 Prozent ihres Abfalls auf unregulierten Müllkippen, auf Feldern oder durch offene Verbrennung. In Afrika werden aktuell nur etwa fünf Prozent des Mülls recycelt. Es fehle eine funktionierende Müllentsorgungsstruktur, sagt Umweltaktivistin Lillian Mulupi vom United Green Movement Kenya im DW-Interview. "In vielen Bezirken gibt es nicht genügend Müllabfuhrtrucks oder öffentliche Mülleimer, der Müll wird tagelang nicht abgeholt. Und selbst wenn man seinen Müll zu Hause trennt, kommt die Müllabfuhr und schüttet alles wieder zusammen." Auch legten Regierungen keinen Fokus auf Recycling.

Masken sind wichtig im Kampf gegen Corona - doch was passiert danach?Bild: LUC GNAGO/REUTERS

Das soll sich ändern: Die Afrikanische Union (AU) hat sich das Ziel gesetzt, dass afrikanische Städte bis 2023 mindestens 50 Prozent der von ihnen erzeugten Abfälle recyceln. Doch die Menge an Müll in Afrika wächst schnell: Bis 2025 werden Afrikas Haushalte nach Angaben der UN voraussichtlich 250 Millionen Tonnen produzieren. Und mit dem zusätzlich anfallenden Corona-Müll könnte das Ziel der AU in weite Ferne rücken.

Der neue "Corona-Müll"

Allein Medizinprodukte, die die Vereinten Nationen zwischen März 2020 und November 2021 für ärmere Staaten beschafft haben, stellen in der Entsorgung ein Problem dar, so ein Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO): etwa 87.000 Tonnen medizinische Schutzbekleidung, 2600 Tonnen nicht-infektiöse Abfälle sowie 731.000 Liter chemische Abfälle. Die Milliarden an weltweit verabreichten Impfungen produzieren weitere 144.000 Tonnen Abfall, darunter Spritzen, Nadeln und Sammelbehälter. Doch das wirkliche Ausmaß dürfte weit höher sein, wie auch der WHO-Bericht einräumt. In Südafrika etwa fallen mit 1578 Tonnen pro Tag die meisten medizinischen Abfälle in Afrika an, wie Forschungen eines interdisziplinären Teams in Ghana ergeben haben.

"Wenn ein Land mit einer Pandemie wie dieser konfrontiert ist, muss es sicherstellen, dass alle Maßnahmen ergriffen werden, um die Übertragungskette der Krankheit zu unterbrechen, und die Abfallentsorgung ist eine davon", betont Landry Kabego, WHO-Beauftragter für Infektionsprävention und -bekämpfung für Afrika, gegenüber der DW.

Keine fachgerechte Entsorgung möglich

Das Problem: Bereits vor Beginn der Pandemie hätten zahlreiche Gesundheitsdienste Schwierigkeiten bei der fachgerechten Entsorgung der Medizinabfälle gehabt. Einer von drei Gesundheitsdiensten weltweit könne seine Abfälle nicht fachgerecht entsorgen. Besonders problematisch sei es in ärmeren Ländern, so die WHO.

Medizinische Abfälle landen oft auf Straßen und illegalen MülldeponienBild: PIETER BAUERMEISTER/AFP via Getty Images

Das kann Unternehmerin Wanjoya bestätigen. "Wir arbeiten mit kleinen staatlichen Kliniken zusammen, und die können es sich finanziell nicht leisten, eigene Verbrennungsanlagen zu haben." Was nötig sei, so Wanjoya, sei eine Partnerschaft zwischen Unternehmen wie Genesis Care und der Regierung. "Dann könnten wir unsere Verbrennungsanlagen auch an staatliche Krankenhäuser verkaufen."

Kooperation und Aufklärung

Wichtig sei, die Bevölkerung darauf aufmerksam zu machen, dass Gefahren wie etwa die der Infektion mit Krankheiten durch die falsche Entsorgung von medizinischem Müll verstärkt würden. Eine klare Gesetzgebung sei hierbei maßgebend. "Wir brauchen Gesetze, die die Entsorgung regeln - und die befolgt werden", kritisiert Wanjoya. In Kenia hatte die Nationale Umweltmanagementbehörde im März 2020 Leitlinien für die Trennung und Entsorgung von Abfällen aus dem Gesundheitswesen eingeführt. Nach diesen Richtlinien sollen Masken nicht im Hausmüll landen - doch das passiert weiterhin.

Mülltrennung sei der Schlüssel, so Kabego. "In den meisten unserer Gesundheitseinrichtungen werden die Abfälle nicht richtig getrennt. In Afrika verbrennt man die Abfälle normalerweise. Wenn man nicht trennt, fallen viele infektiöse und nicht infektiöse Abfälle zusammen an." Gekennzeichnete Mülleimer in Gesundheitseinrichtungen sowie auch auf den Straßen seien daher wichtig. Regierungen seien zudem verantwortlich, dafür zu sorgen, dass die Müllentsorgung gewährleistet sei und die Bevölkerung aufgeklärt werde.

An Müll gespart werden kann auch im Gesundheitssektor, so die WHOBild: Salma Said/DW

Die Umwelt und sich selbst schützen

Die Autoren des WHO-Berichts schlagen zudem die Entwicklung von wiederverwendbarer Schutzbekleidung oder die Nutzung biologisch abbaubarer Ausrüstung vor. Auch ein Verzicht auf unnötige Verpackungsmaterialien sei nötig, um mehr Müll zu vermeiden. "Die bei der Impfung anfallende Abfallmenge muss minimiert werden", so Kabego. "Das Tragen von Handschuhen ist bei Impfungen nicht unbedingt nötig, wichtig ist,  vor und nach dem Berühren von Patienten eine angemessene Handhygiene durchzuführen."

Was bei dem Thema "Corona-Müll" jedoch wichtig bleibe, sei Eigeninitiative, sagt Lillian Mulupi. Es gebe bereits überall Gruppen, die Straßen, Flüsse und Strände säubern. "Werft euren Müll nicht einfach in die Gegend", appelliert die Aktivistin. "Wie man sein Haus putzt, so sollte man es auch fürs Dorf tun, den Bezirk, das Land, ganz Afrika." Jede und jeder Einzelne, so Mulupi, trägt Verantwortung dafür, dass Gesichtsmasken, Handschuhe und Impfnadeln nicht auf den Straßen landen - wodurch nicht nur Corona, sondern auch der Corona-Müll zur Gefahr für die Umwelt und für die eigene Familie wird.

Silja Fröhlich Redakteurin, Reporterin und Moderatorin
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