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Politik

Wohin steuert Deutschland?

2. Dezember 2019

Die SPD bekommt eine neue Spitze, die der großen Koalition kritisch gegenübersteht. Ist dies das Ende der Regierung Merkel? Es gibt verschiedene Szenarien, die nun eintreten können. Aus Berlin Sabine Kinkartz.

Berlin Bundestag Scholz und Merkel
Was wird aus Vize-Kanzler Olaf Scholz und Kanzlerin Angela Merkel?Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Am Samstag haben die Sozialdemokraten bekanntgeben, wen die Parteibasis künftig an ihrer Spitze sehen will. Mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans hat sich die SPD für zwei Politiker des linken Flügels entschieden, die wenig Wert auf eine weitere Regierungsbeteiligung legen. Stattdessen wollen sie sich darauf konzentrieren, die Partei radikal zu erneuern und nach links auszurichten.

Was bedeutet das für die Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel?

Mehrere Szenarien erscheinen denkbar. Ausgangspunkt ist jeweils der SPD-Bundesparteitag am kommenden Wochenende in Berlin. Dort will die SPD die bisherige Regierungsarbeit in der großen Koalition beurteilen und entscheiden, ob das Bündnis mit CDU und CSU bis zum Ende der Wahlperiode im Herbst 2021 weiterbestehen soll oder nicht.

  1. Sehr unwahrscheinlich: Die SPD entscheidet sich ohne Wenn und Aber für eine Fortsetzung der Koalition.
  2. Eher unwahrscheinlich: Die SPD beschließt den sofortigen Ausstieg aus der Koalition.
  3. Wahrscheinlich: Die SPD folgt der Empfehlung ihres neuen Führungsduos, den Koalitionsvertrag, also die To-do-Liste der Regierung, neu zu verhandeln.
  4. Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken sollen die SPD in die Zukunft führenBild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Wie reagiert die Union?

Bundeskanzlerin Angela Merkel, die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und CSU-Chef Markus Söder lehnen das ab. Die Kanzlerin sei grundsätzlich zur Zusammenarbeit und zum Gespräch bereit, "wie es in einer Koalition üblich ist", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Zugleich betonte er: "Eine Neuverhandlung des Koalitionsvertrags steht nicht an."

Viele in der Union meinen, dass der Koalitionsvertrag bereits zu viele sozialdemokratische Positionen enthält. Würde man weitere Zusagen an die SPD machen, würden CDU und CSU noch mehr Wähler verlieren. Die Ablehnung könnte aber auch der Versuch sein, vor dem SPD-Parteitag vorsorglich rote Linien einzuziehen, damit die Delegierten nichts fordern, was am Ende zum tatsächlichen Bruch der Regierung führen könnte. Spannend wird nun die Frage, was nach dem SPD-Parteitag passiert.

Option 1: SPD bleibt in der Koalition

Die Sozialdemokraten können eigentlich kein Interesse an Neuwahlen haben. In Umfragen dümpelt die Partei seit Monaten zwischen zwölf und 15 Prozent. Beim Meinungsforschungsinstitut infratest-dimap lag die SPD zuletzt auf Platz drei; nur knapp vor der AfD und abgeschlagen hinter Union und Grünen. Darauf werden auf dem SPD-Parteitag alle Minister und Ministerpräsidenten, aber auch die SPD-Bundestagsfraktion, die in der Regierung bleiben will, noch einmal deutlich hinweisen. Auch der in der Vorsitzenden-Wahl unterlegene Bundesfinanzminister Olaf Scholz will im Amt bleiben.

Um das zu erreichen, müsste die SPD sich aber zum Koalitionsvertrag bekennen. Da die neuen Vorsitzenden ihn nachverhandeln wollen, müssten die Forderungen so formuliert werden, dass die Union sich darauf einlassen könnte. Denkbar wäre eine Verschärfung der Klimagesetze, die ohnehin im Bundesrat auf Eis liegen. Im Gegenzug könnte der Union eine Unternehmenssteuerreform zugebilligt werden.

Option 2: Minderheitsregierung

Wenn die SPD die Koalition verlassen würde, hätte die Regierung von Angela Merkel keine Mehrheit mehr im Bundestag. Rein rechtlich würde sie aber im Amt bleiben, falls das Parlament ihr nicht mehrheitlich über ein Misstrauensvotum das Vertrauen entziehen würde. Allerdings könnte Merkel nicht einfach beschließen, ihr Amt einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin zu übergeben, da der Kanzler in Deutschland vom Parlament gewählt wird.

Da der Bundeshaushalt für 2020 im Parlament bereits verabschiedet wurde, könnte eine Minderheitsregierung unter Kanzlerin Merkel ohne große Probleme bis Frühjahr 2021 regieren. Größere politische Vorhaben würden allerdings nicht mehr umgesetzt werden können. Merkel steht einer Minderheitsregierung grundsätzlich kritisch gegenüber. Auch weil Deutschland im zweiten Halbjahr 2020 die EU-Ratspräsidentschaft innehaben wird und das mit einer nicht umfassend handlungsfähigen Bundesregierung kompliziert sein würde. 

Option 3: Jamaika

Ein Koalitionswechsel innerhalb einer Wahlperiode ist rechtlich möglich. CDU und CSU könnten versuchen, eine Koalition mit FDP und Grünen zu bilden. Dieses Bündnis wollte Merkel bereits nach der Bundestagswahl 2017. Damals ließ die FDP die Verhandlungen aber platzen. Diesmal würden sich wohl die inzwischen erstarkten Grünen verweigern. 2017 schnitten sie von allen im Bundestag vertretenen Parteien am schlechtesten ab, inzwischen liegen sie in den Umfragen auf Platz zwei hinter der Union.

Der grüne Parteichef Robert Habeck würde sich über Neuwahlen freuenBild: picture-alliance/dpa/G. Kirchner

Option 4: Vorgezogene Neuwahlen

Sollte die SPD das Regierungsbündnis aufkündigen, wären natürlich auch Neuwahlen denkbar. Dafür müsste Kanzlerin Angela Merkel im Parlament die Vertrauensfrage stellen und verlieren. Dann kann der Bundespräsident innerhalb von 21 Tagen den Bundestag auflösen. Anschließend müssen laut Grundgesetz binnen 60 Tagen Neuwahlen stattfinden.

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