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PolitikIsrael

Wohin steuert EU-Nahost-Politik?

27. Mai 2024

Zur Lage in Israel und den Palästinensischen Gebieten gibt es in der EU wenig praktikable und neue Ansätze. Ist die Anerkennung eines Staates Palästina durch mehr EU-Staaten hilfreich? Bernd Riegert aus Brüssel.

Außenministertreffen in Brüssel
EU-Außenbeauftragter Josep Borrell: Die Zwei-Staaten-Lösung muss endlich kommenBild: FRANCOIS WALSCHAERTS/AFP/Getty Images

Die Europäische Union hält trotz des aktuellen Krieges zwischen der Hamas und Israel langfristig an einer "Zwei-Staaten-Lösung" für einen Frieden im Nahen Osten fest. Darunter versteht die EU den Staat Israel auf der einen Seite und einen Staat Palästina in Grenzen, die schon vor über 30 Jahren in den sogenannten Oslo-Übereinkünften zwischen Israel und den Palästinensern grob festgelegt wurden, auf der anderen Seite.

Josep Borrell, der Außenbeauftragte der EU, wies in Brüssel beim Treffen der EU-Außenministerinnen und Außenminister noch einmal darauf hin, dass die EU zwar offiziell an der "Zwei-Staaten-Lösung" festhält, aber "die Zwei-Staaten-Lösung wird von Tag zu Tag schwieriger. Wir müssen darüber reden." Die humanitäre Krise im Gazastreifen habe jetzt Priorität, so der oberste EU-Diplomat, aber "wenn wir eine dauerhafte politische Lösung wollen, müssen wir uns mehr engagieren."

Anerkennung wächst auf elf EU-Staaten

Alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erkennen Israel als Staat an. Die palästinensischen Gebiete sehen nur neun der 27 Mitglieder als Staat an. Das soll sich an diesem Dienstag ändern. Dann wollen auch Spanien und Irland den Staat Palästina anerkennen, der aus dem Westjordanland, Ostjerusalem und dem Gazastreifen besteht. Allerdings gibt es keine einheitliche Regierung für die Gebiete. Im Gazastreifen herrschte bislang Hamas, die von der EU als Terrororganisation eingestuft wird.

Malta und Slowenien haben angekündigt, Palästina anzuerkennen, sobald die Zeit günstig sei. Belgien hat entschieden, die Palästinensergebiete bis auf Weiteres Staatlichkeit nicht zuzubilligen, teilte die belgische Außenministerin Lahbib mit. 

Die meisten westeuropäischen EU-Mitglieder haben ebenso wenig wie Großbritannien oder die USA Palästina anerkannt. Die osteuropäischen Mitglieder von Polen bis Bulgarien haben Palästina schon Ende der 1980er Jahre anerkannt, damals noch als Teil des Ostblocks, der auf der propalästinensischen Seite stand. Auch die DDR hatte Palästina als vollwertigen Staat gesehen. Mit dem Ende der Deutschen Demokratischen Republik am 3. Oktober 1990 und dem Beitritt zur Bundesrepublik erlosch auch diese Anerkennung.

Deutschland, Frankreich, Italien warten mit Anerkennung

Die Mehrheit der EU-Staaten, darunter Deutschland, will einen palästinensischen Staat dann akzeptieren, wenn Frieden herrscht und auch Israel diesen Schritt tut. Das ist eher unwahrscheinlich. Die Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu lehnte schon vor dem derzeitigen Krieg gegen die Hamas eine Zwei-Staaten-Lösung ab. Die Terrorgruppe Hamas lehnt einen israelischen Staat ab und hat sich die Vernichtung des jüdischen Staates zum Ziel gesetzt.

"Wir befürworten die Gründung des palästinensischen Staates, aber der palästinensische Staat muss Israel anerkennen und von Israel anerkannt werden. Es kann sicherlich kein palästinensischer Staat sein, der von der Hamas geführt wird, die eine Terrororganisation ist", sagte der italienische Außenminister Antonio Tajani, der derzeit auch Vorsitzender der Gruppe der sieben wichtigsten Industriestaaten ist.

Annalena Baerbock: Israel muss sich an Völkerrecht halten Bild: Kira Hofmann/photothek/IMAGO

Bevor man sich mit einer Zwei-Staaten-Lösung wieder ernsthaft beschäftigen kann, muss der blutige Konflikt zwischen Hamas und Israel beendet werden. Darin sich die EU-Außenministerinnen und Außenminister bei ihrer Tagung in Brüssel an diesem Montag einig. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock forderte erneut, eine humanitäre Feuerpause in Gaza, "um das Leid für die festgehaltenen Geiseln zu beenden, um das Leid für die Menschen in Gaza endlich zu beenden." Nach den Terrorattacken auf Israel, bei denen die Hamas 1200 Menschen tötete und 250 verschleppte, hat die israelische Armee eine groß angelegte Militäraktion gestartet, um die Stellungen der Hamas im Gazastreifen auszuheben.

Anordnung des Gerichts wird ignoriert - was nun?

Von einer Feuerpause ist man wohl noch weit entfernt. Die Hamas feuerte aus Rafah im Gazastreifen erneut Raketen Richtung Tel Aviv ab. Die israelische Armee beschoss ein Flüchtlingscamp bei Rafah, was nach palästinensischen Angaben zu mindestens 35 Todesopfern geführt hat. "Beide Seiten missachten damit die Anordnungen des Internationalen Gerichtshofes", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell in Brüssel. "Das ist ein echtes Dilemma. Wie kann die internationale Gemeinschaft die Umsetzung der Beschlüsse des Internationalen Gerichtshofes durchsetzen?", fragte Borrell die übrigen Außenminister. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hatte am Freitag auf Antrag Südafrikas angeordnet, dass Israel seine militärische Operation in Rafah, einer Stadt im Süden des Gazastreifens, sofort beenden und mehr humanitäre Hilfe zulassen müsse.

Angriff auf Zeltlager in Rafah: Israel nennt dies einen "tragischen Vorfall"Bild: Ali Jadallah/AA/picture alliance

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock spricht für die große Mehrheit des Mitgliedsstaaten, wenn sie in Brüssel sagt: "Die vorläufigen Maßnahmen des Internationalen Gerichtshofs sind bindend und sie müssen natürlich befolgt werden. Wir erleben das Gegenteil. Es gab weitere Raketen auf Tel Aviv von Hamas. Zugleich sehen wir, dass es kein Gewinn für Israels Sicherheit ist, dass keine Geisel freikommt, wenn jetzt Menschen in Zelten verbrennen." 

Baerbock verwies damit auf den israelischen Angriff auf ein Flüchtlingslager, der jetzt auch von der israelischen Staatsanwaltschaft untersucht werden soll. "Das Völkerrecht gilt für alle. Das gilt auch für die israelische Kriegsführung", sagte Baerbock in Brüssel. Der italienische Außenminister Antonio Tajani wies daraufhin, dass auch die Hamas Völkerrecht verletzt, indem sie ihre Stellungen in der Mitte der zivilen Bevölkerung versteckt.  Die Hamas instrumentalisiere die Menschen in Rafah. "Israel soll auch in eine mediale Falle gelockt werden", so Antonio Tajani. Die Bilder von zivilen Opfern im Gazastreifen würden natürlich Israels Absichten diskreditieren.

Auch Israels Bürger leiden: Angehörige erinnern in Tel Aviv an die von der Hamas EntführtenBild: Marko Djurica/REUTERS

"Kein Antisemitismus vom Chefankläger"

Der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell, übte harsche Kritik an Israels Regierung. Die Ankündigung, Jerusalem werde sich auf keinen Fall an die Anordnungen des Gerichtshofes halten, sei nicht hinzunehmen. Nicht nur dem Internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen, der für Staaten zuständig ist, sondern auch dem Internationalen Strafgerichtshof, der für einzelne Personen zuständig, sei mit Respekt zu begegnen, forderte Josep Borrell.

Der Chefankläger am Strafgerichtshof in Den Haag hatte unter anderem einen Haftbefehl gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu wegen Kriegsverbrechen beantragt. "Wir müssen das Gericht entscheiden lassen, ohne Beschimpfung, was es vom Antrag des Chefanklägers hält. Leider ist das nicht der Fall. Der Chefankläger wurde des Antisemitismus bezichtigt, was immer dann passiert, wenn es etwas gibt, das die Regierung Netanjahu nicht mag. Der Vorwurf des Antisemitismus gegen den Ankläger ist hier auf gar keinen Fall zu akzeptieren", so Josep Borrell.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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