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Wohin steuert Pakistan nach den Anschlägen?

Ana Lehmann/Esther Felden11. Januar 2013

Über 100 Menschen starben bei Anschlägen in mehreren pakistanischen Städten. Die Hintergründe der Taten sind unterschiedlich. Doch sie werfen eine Frage auf: Steuert das Land politisch auf den Abgrund zu?

Am Schauplatz des Bombenanschlags in Quetta (Foto: REUTERS)
Bild: Reuters

Die Menschen waren gekommen, um Spaß zu haben, um zu spielen. Stattdessen wurden mehr als 80 in den Tod gerissen und rund 120 weitere verletzt, als sich ein Selbstmordattentäter am Donnerstag (10.01.2013) im südwestpakistanischen Quetta vor einem Billard-Cafe in die Luft sprengte. Wenige Minuten später, nachdem Helfer und Journalisten eingetroffen waren, kam es zu einer zweiten Explosion. Durch die Detonation einer Autobombe stürzte das Dach des Gebäudes ein, dabei starben weitere Menschen.

Zu den offenbar koordiniert ausgeführten Anschlägen bekannte sich eine sunnitische Extremistengruppe. "Es handelt sich um die Vereinigung Lashhar-e-Jhangvi, eine militante anti-schiitische Gruppierung“, erklärt Rahimullah Yosufzai, Pakistan-Experte in Peshawar der Deutschen Welle. Die von der pakistanischen Regierung offiziell verbotene Gruppe operiere im Verborgenen. "Sie kämpfen nicht nur gegen die Schiiten, sondern auch gegen die Regierung, die im Kampf gegen den Terror die USA unterstützt."

Zweiter Anschlag in Quetta

Nur wenige Stunden zuvor hatte es bereits einen Anschlag in einem Geschäftsviertel von Quetta gegeben. Dabei starben zwölf Menschen, mehr als 40 wurden verletzt. Nach Polizeiangaben galt der Anschlag einer paramilitärischen Einheit. Zu dem Anschlag bekannte sich laut Agenturberichten die Separatistengruppe "Vereinte Armee von Belutschistan".

Der Staat tut in Belutschistan zu wenig - und zu spätBild: Reuters

"Das habe ich auch gehört", sagt Jochen Hippler, Friedensforscher an der Universität Duisburg-Essen, "aber das wäre sehr ungewöhnlich und würde nicht zu deren bisherigen Verhaltensweisen passen." Die Meldung könne stimmen oder auch nicht. "Ich bin etwas skeptisch, ob das tatsächlich so ist, weil das ein deutlicher Bruch mit der sonstigen Praxis dieser Gruppe sein würde", so Hippler.

Quetta ist die Hauptstadt von Belutschistan. Die unruhige Provinz im Südwesten des Landes nimmt fast die Hälfte des pakistanischen Staatsgebiets ein, ist allerdings nur dünn besiedelt. Lediglich acht Millionen Menschen leben dort - bei einer Gesamteinwohnerzahl Pakistans von 180 Millionen. Immer wieder kommt es in Belutschistan zu Anschlägen militanter Separatistengruppen.

"Vernachlässigtes Belutschistan"

Es gebe in Belutschistan eine separatistische Bewegung, die aber nicht besonders stark sei, erklärt der frühere Armeegeneral Jamshed Ayyaz, der lange Zeit in Belutschistan gedient hat. Es gebe nur höchstens zwei, drei politische Führer der Separatisten. "Insgesamt fühlt Belutschistan als Ganzes sich klar als Teil Pakistans", sagt Ayyaz. "Es gibt da die Paschtunen, die Brahui, die Belutschen, sie sind alle für Pakistan. Das einzige Problem ist, dass auch sie ihren Teil vom nationalen Kuchen wollen, sie wollen Sozialleistungen, sie wollen als Pakistaner ernst genommen werden."

Belutschistan: Von Armut und religiösen Spannungen geprägtBild: DW

Doch die Zentralregierung vernachlässige die Region, erläuert der pakistanische Verteidigungsexperte Talat Masood im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Die Regierung hat überhaupt kein Interesse, die Probleme der Menschen hier zu lösen. Keiner ist bereit, die Verantwortung zu übernehmen. Das macht die Lage noch schlechter. Es herrscht ein Machtvakuum", so Masood. "Diese Faktoren führen zu separatistischen Gewalttaten gegen Schiiten. Trotzdem unternimmt die Regierung nichts. Dadurch verschlechtert sich auch das politische Klima."

Angriff auch im Swat-Tal

Ebenfalls am Donnerstag ereignete sich eine Explosion im Swat-Tal im in der Nordwestlichen Grenzprovinz des Landes, bei der 22 Menschen starben und mehr als 80 Personen verletzt wurden. Wer dahinter steckt, ist bisher ungeklärt. "Viele Menschen verdächtigen die Taliban, die in der entlegenen Region weitgehend die Kontrolle übernommen haben, als Urheber der Attentate", sagt Rahimullah Yuzufzai. Doch diese hätten sich bisher nicht zu der Tat bekannt.

"Kein gescheiterter Staat"

Pakistan sei ein sehr instabiler Staat mit vielen Problemen in den Bereichen Sicherheit, Wirtschaft und Politik, fasst Yuzufzai zusammen. Es gebe viele Gruppen, die den Staat nicht akzeptieren und gegen ihn rebellieren. "Diese Gruppen haben sehr engagierte Kämpfer, unter ihnen auch Selbstmordattentäter, und sie sind schwer bewaffnet. Es gibt Probleme in Belutschistan, der Nordwestlichen Grenzprovinz, den sogenannten Stammesgebieten und in Karatschi, der Hauptstadt der Provinz Sindh. Aber ich würde dennoch nicht sagen, dass Pakistan ein gescheiterter Staat ist."

Viele Bereiche in Pakistan seien stabil, betont Yuzufzai und nennt die demokratische Regierung, das Parlament, ein starkes Militär, die lebendige Medienlandschaft, eine mächtige Justiz - und nicht zuletzt sei Pakistan eine Nuklearmacht. Die Menschen in Pakistan seien hoffnungsvoll, dass nach den nächsten Wahlen in einigen Monaten mehr Stabilität in Pakistan einkehren wird.

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