1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Wohnungen von Journalisten durchsucht

29. Juni 2021

Die nur noch wenigen unabhängigen Medien in Russland sind großem politischen Druck ausgesetzt. Eine Razzia richtete sich jetzt gegen das Online-Nachrichtenportal "Proyekt".

Roman Badanin winkt Journalisten nach dem Verlassen des Polizeigebäudes
"Proyekt"-Chefredakteur Roman Badanin verlässt die Polizeistation in Moskau Bild: OpenMedia/AP/picture alliance

Russische Polizisten haben die Wohnungen mehrerer Journalisten und ihrer Familien in Moskau durchsucht. Betroffen waren der Chefredakteur des unabhängigen Internet-Portals "Proyekt" (Das Projekt), Roman Badanin, die Reporterin Maria Scholobowa und Vize-Chefredakteur Michael Rubin, wie die Redaktion im Nachrichtendienst Telegram mitteilte. Alle drei seien verhört und dann wieder freigelassen worden. Computer und Telefone wurden beschlagnahmt. Die Webseite des Online-Mediums konnte zwischenzeitlich nicht aufgerufen werden.

Innenminister Kolokolzew im Visier

"Proyekt" hatte kurz zuvor einen Recherche-Film zum Reichtum des russischen Innenministers Wladimir Kolokolzew publiziert. Kolokolzew wird darin der Vetternwirtschaft beschuldigt. Zudem soll er Verbindungen zu Verbrechern haben. Unmittelbar nach Veröffentlichung wurde der Zwölf-Minuten-Streifen bereits mehr als 116.000 Mal aufgerufen.

Das Innenministerium in Moskau wollte jedoch keinen Zusammenhang herstellen und erklärte, die Durchsuchungen stünden im Zusammenhang mit Verleumdungsvorwürfen gegen Badanin. Das Nachrichtenportal "Proyekt" mutmaßte, mindestens zwei der drei Durchsuchungsaktionen beträfen den Fall um Badanin. Dieser gilt als Verdächtiger in einem Prozess zu einem Vorgang aus dem Jahr 2017, wie seine Anwältin dem unabhängigen TV-Sender Doschd sagte. Zu der Zeit war Badanin noch Chefredakteur des Senders. Er arbeitete unter anderen mit der Journalistin Scholobowa an einem Dokumentarfilm, der Verbindungen des Geschäftsmanns Ilya Traber zu Präsident Wladimir Putin und zum organisierten Verbrechen zeigen sollte.

Laut dem Vorsitzenden der Menschenrechtsorganisation Agora, Pawel Tschikow, lief die Verjährungsfrist in diesem Fall allerdings bereits 2019 ab.

Die Journalistin Maria Scholobowa mit ihrem Anwalt vor dem Polizeigebäude in Moskau Bild: Pavel Golovkin/AP/picture alliance

Zwei kritische Medien als "ausländische Agenten" eingestuft     

Kremlkritische Medien in Russland beklagen zunehmend politischen Druck. Gegen zahlreiche  Journalisten sind Gerichtsverfahren anhängig, viele Medienvertreter sitzen im Gefängnis. Im April war das russische Nachrichtenportal "Meduza" mit Sitz in Lettland als "ausländischer Agent" eingestuft worden. Medien mit diesem Etikett müssen ihre Finanzierung offenlegen. Das wirkt abschreckend auf wichtige Werbepartner und erschwert die Arbeit erheblich.

"Medusa" ist seitdem auf Finanzhilfen angewiesen. Das Portal musste Redaktionsräume schließen und die Gehälter der Mitarbeiter drastisch reduzieren. Im Mai wurde auch das Online-Wirtschaftsmedium "VTimes" als "ausländischer Agent" eingestuft. Im Juni musste "VTimes" den Betrieb einstellen.

se/kle (dpa, ap, rtr, afp)