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Wolff: Noch kein Hurra!

Bernd Riegert14. August 2013

Die wirtschaftliche Entwicklung in den 17 Euro-Staaten ist etwas besser als erwartet. Kann man von einer Trendwende sprechen? Guntram Wolff, Direktor der Denkfabrik "Bruegel" und Ökonom in Brüssel, warnt.

Guntram Wolff, Direktor Bruegel Institut Brüssel Copyright: privat via Daphne Grathwohl, DW Brüssel
Bild: privat

Deutsche Welle: Nach den neuesten Zahlen der Europäischen Statistikbehörde Eurostat ist die Euro-Zone aus der Rezession heraus. Die Wirtschaft der 17 Euro-Länder wuchs im zweiten Quartal des Jahres um 0,3 Prozent gegenüber dem ersten Quartal. Außerdem gibt es einige positive Frühindikatoren zum Geschäftsklima, die zeigen, dass es aufwärts gehen könnte. Herr Wolff, können wir jetzt "Hurra" schreien? Ist die Krise vorbei?

Guntram Wolff: Ich würde sagen, dass die positiven Zahlen wirklich eine Erleichterung darstellen. Es ist wirklich eine positive Überraschung, insbesondere die deutschen und auch die französischen Zahlen waren ja sehr gut. Und auch Portugal hat sehr gute Zahlen im zweiten Quartal gezeigt. Ich möchte aber doch davor waren, jetzt gleich "Hurra" zu schreien und sich im Sessel zurückzulehnen. Es gibt noch massive Probleme, die gelöst werden müssen. Daran muss in den kommenden Monaten und im nächsten Jahr noch weiter gearbeitet werden.

Sie haben es angesprochen: Überraschend stark war die französische Wirtschaft, und das, obwohl man Frankreich ja immer ein wenig als das Sorgenkind betrachtet hat. Ist das nur ein Strohfeuer oder gibt es Anzeichen für eine langfristige Erholung?

Was in Frankreich eine Rolle gespielt hat, war sicherlich die Steuerreform für Unternehmen, die dort die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt hat. Die ist aber, meiner Meinung nach, nicht ausreichend, um die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wirtschaft voll wieder herzustellen. Zweitens hat geholfen, dass die Konsolidierungs-Geschwindigkeit in Frankreich etwas reduziert wurde. Aber es bleiben weiter große Dinge zu tun in Frankreich, insbesondere die Rentenreform. Die ist ganz wichtig für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.

Im kommenden Jahr soll die Wirtschaft der Euro-Zone um 1,2 Prozent wachsen, so die Prognose der EU-Kommission. Wird das reichen, um die Zahl der Arbeitslosen im südlichen Europa zu senken?

Nein, das wird nicht reichen. Die Wachstumszahlen insgesamt in Europa sind noch viel zu gering, um die Wende am Arbeitsmarkt zu erreichen. Die hohen Arbeitslosenzahlen in Südeuropa werden auch nächstes Jahr noch so bleiben. Das wird sich noch ein bisschen hinziehen, bis da wirklich Erleichterung zu sehen sein wird.

Ist Deutschland eigentlich immer noch die Wachstumslokomotive in der Euro-Zone und wird das so bleiben?

Deutschland ist die Lokomotive und hat die höchsten Wachstumszahlen in der Euro-Zone, aber meiner Meinung nach ist das Wachstum immer noch zu gering, um den Rest der Euro-Zone genügend zu treiben. Um die Anpassung der Euro-Zone langfristig zu ermöglichen, sollte Deutschlands Wachstum nominal, das heißt Wachstum plus Inflation, bei fünf Prozent liegen. Wir sollten wirklich noch ein wenig mehr haben als jetzt, einfach um die Anpassung der Euro-Zone zu schaffen.

Was muss denn Ihrer Meinung nach jetzt in der Euro-Zone geschehen, um das zarte Pflänzchen Wachstum weiter gedeihen zu lassen? Weniger sparen und mehr staatliche Investitionen, um die Konjunktur anzukurbeln, oder strenges Sparen, um die Haushalte schneller zu sanieren?

Ich denke, die staatlichen Investitionen sind vor allem in Deutschland wichtig. In Deutschland haben wir eine der geringsten staatlichen Investitionsquoten in der ganzen Europäischen Union. Es verwundert dann schon, dass in einem Land, wo man sich so billig Geld leihen kann, die Investitionen so niedrig sind. Gerade in Deutschland gibt es ja doch den ein oder anderen Engpass in der öffentlichen Infrastruktur. Man sieht in einigen Regionen wie dem Ruhrgebiet sehr klar, dass dort öffentliche Investitionen hinterher hinken. Ich würde dafür plädieren, dass Deutschland da mehr macht. Gleichzeitig muss man natürlich bei den Strukturreformen weiter machen. Das sind sowohl die landesspezifischen Strukturreformen, die weiterhin wichtig sind in Südeuropa und vielleicht auch in Deutschland, als auch die Reformen der Euro-Zone als Ganzes. Der Euro-Raum ist immer noch keine vollständige Währungsunion. Wir brauchen die Banken-Union. Die muss vollendet werden. Da sind wir erst auf dem halben Weg.

Noch ein Blick auf das Schlusslicht in der Euro-Zone, auf Griechenland, wo die Wirtschaft nach wie vor stark schrumpft. Gibt es einen Hoffnungsschimmer?

Das Bruttoinlandsprodukt ist ein kleines bisschen weniger schlecht als erwartet. Da fragt man sich immer, ob das nicht eine statistische Ungenauigkeit ist oder wirklich ein Hoffnungsschimmer. Ich bin noch sehr skeptisch von einer Kehrtwende oder einer Trendwende zu reden. Die Situation ist immer noch dramatisch schlecht. Die Wirtschaft schrumpft immer noch um die vier Prozent. Da wird es noch dauern, bis wir wirklich Land unter den Füßen haben.

Guntram Wolff ist Leiter der Brüsseler Denkfabrik "Bruegel". Der Ökonom ist Experte für die wirtschaftliche Entwicklung in Europa und der Euro-Zone. Er war im Forschungsstab der Bundesbank tätig und gehört zum wirtschaftlichen Berater-Team des französischen Präsidenten. Wolff lehrt außerdem an verschiedenen Universitäten.

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