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Deutschland: Die Rückkehr der Wölfe

Brigitte Osterath
9. August 2017

Der Wolf ist zurück, Naturliebhaber sind begeistert - andere aber fordern, dass die Rudel bejagt werden sollen. Einige schießen Wölfe illegal - wie jetzt in Baden-Württemberg. Welche Zukunft haben die Rudel?

Wolf
Bild: picture-alliance/dpa/I. Wagner

In Baden-Württemberg wurde am 08. August ein Wolfsrüde tot aufgefunden - der Naturschutzbund Deutschland (NABU) spricht vom 24. Fall in Deutschland seit Wölfe im Jahr 2000 wiedereingeführt worden sind. Der NABU meint, das sind keine Einzelfälle - es gebe Menschen, die gezielt Jagd auf Wölfe machen.

Während Wolfsfreunde und Wolfsgegner darüber streiten, wie mit den gesetzlich geschützten Wildtieren umgegangen werden soll, steht der Schäfer Holger Benning dazwischen. Er besucht seine Schafsherden mindestens einmal pro Tag. Dabei überprüft er, ob noch genug Spannung auf dem Elektrozaun ist. Und er füttert seine 17 Herdenschutzhunde. Sie beschützen seine Schafe vor den Wölfen, die durch die Gegend streifen. 

Seit zehn Jahren streifen Wölfe wieder durch in die Lüneburger Heide im Norden Deutschlands und suchen nach Fressbarem. "Es gibt immer mal wieder Risse", berichtet der Schäfer. Aber er ist überzeugt, dass sich das verhindern lässt. "Dort, wo vernünftige Hunde stehen, ist das Risiko zumindest gering."

Holger Benning: Mit den richtigen Hunden hat der Wolf kaum ChancenBild: Rainer Dückerhoff

Bis jetzt hat Holger Benning noch kein einziges Schaf an die Wölfe verloren. Aber nicht jeder hatte so viel Glück. Insgesamt haben Wölfe bisher über 600 Nutztiere in der Gegend getötet - hauptsächlich Schafe, aber auch Kühe und Gatterwild.

Ein neuer alter Gefährte

In Deutschland wurden Wölfe Ende des 19. Jahrhunderts ausgerottet. Nach dem Fall der deutsch-deutschen Mauer und mit der Öffnung der innereuropäischen Grenzen, wanderten die Raubtiere aus Polen und anderen osteuropäischen Ländern erneut nach Deutschland ein- und entschieden sich zu bleiben.

Seitdem wächst der Wolfsbestand stetig. Ende 2016 verzeichnete die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) 47 Rudel und 21 Wolfspaare in deutschen Wäldern. Das entspricht etwa 130 erwachsenen Wölfen.

Zunächst besiedelten sie den Osten Deutschlands, vor allem Sachsen und Brandenburg. Dann breiteten sie sich bis zur Lüneburger Heide in Niedersachsen aus. Inzwischen gibt es dort mindestens neun Rudel mit etwa 80 Wölfen, die Welpen eingeschlossen. "Vor ein paar Jahren hieß es mal, es sei wie ein Lottogewinn, wenn man mal einem Wolf über den Weg läuft", erinnert sich Holger Benning. "Dann hab ich mittlerweile schon fünf Mal im Lotto gewonnen."

Sind Bennings Schafsherden sicher vor dem Wolf? Bisher schon.Bild: Rainer Dückerhoff

Sehr oft sichtet der Schäfer Wolfsspuren rund um seine Schafsweiden: Kot oder Fußabdrücke. "Sie sind definitiv hier." 

"Koexistenz möglich"

Naturliebhaber freuen sich, dass der Wolf - einst von den Menschen ausgerottet - zurückgekehrt ist. Für den NABU ist es - so seine Webseite - "aus Naturschutzsicht einer der größten Erfolge".

"Der Wolf gehört hierher und ich finde das grundsätzlich positiv, dass er zurück ist", sagt Peter Schütte vom NABU. "Ich weiß aber, dass das bei einer so dichten Besiedelung, wie wir sie in Deutschland haben, zu Problem führen kann." Schütte leitet ein Projekt, das Landwirte beim Schutz ihrer Herden mit Arbeitskraft unterstützt- etwa wenn es darum geht, Zäune zu errichten. "Es gibt Lösungen für eine Koexistenz zwischen Mensch und Wolf", sagt er, und meint damit Elektrozäune und Herdenschutzhunde.

Allerdings: Solche Schutzmaßnahmen bedeuten viel Extra-Arbeit für die Landwirte - und Kosten. "Ich nehme Gehaltseinbußen von 20.000 Euro im Jahr hin", sagt Benning. "Ich kann das Lammfleisch nicht teurer machen, denn sonst geht der Kunde zum Supermarkt und kauft das frische Neuseelandlamm, das eh schon billiger ist, als das, was wir produzieren können." Er bedauert, dass es überall heißt, die Schäfer sollen ihre Herden schützen, "aber bezahlen will es niemand."

Herdenschutzhunde halten Wölfe ab - kosten aber auch Geld im UnterhaltBild: Rainer Dückerhoff

Allerdings: das Land unterstützt die Landwirte finanziell, um bessere Zäune zu errichten. Sie bezahlen auch Entschädigung, wenn ein Nutztier nachweislich von einem Wolf getötet wird.

"Es nimmt überhand"

Momentan sind Wölfe in Deutschland streng geschützt. Aber viele Leute in der Gegend denken, es sei Zeit, Wölfe ins Jagdrecht aufzunehmen und die Jagd zu eröffnen. Das meint auch Pferdezüchterin Sonja Christiansen. Es sollte erlaubt sein, Wölfe zu schießen, wenn es zu viele werden, sagt sie. "Ich mag keine Wölfe. Das ist mir einfach zu gefährlich - vor allem, weil es überhand nimmt. Angefangen hat es mit zweien, jetzt weiß keiner mehr so genau, wie viele wir eigentlich haben."

Sonja Christiansen: "Ich mag generell keine Wölfe."Bild: Rainer Dückerhoff

Sonja Christiansen befürchtet, dass Wölfe ihre Fohlen angreifen. Oder dass ihre Pferde so viel Angst bekommen, dass sie durchgehen und sich verletzen. "Wölfe passen einfach nicht mehr in unsere Zivilisation." Sie und ihre Familie gingen inzwischen nicht mal mehr spazieren. Dauernd müsse man fürchten, einem Wolf zu begegnen. "Und wie verhält man sich dann?"

Ställe statt Weiden

Rinderhalter Hendrik Meine glaubt auch, dass es Jägern erlaubt sein sollte, den Wolfsbestand auf niedrigem Niveau zu halten. "Es sagt ja keiner, dass man keinen Wolf  haben will - aber nicht tausend Stück. Dafür sind wir viel zu eng besiedelt."

Meine kennt Rinderhalter, auf deren Weiden Kälber und sogar erwachsene Kühe von Wölfen angegriffen wurden. Diese Landwirte werden von nun an ihre Tiere nur noch im Stall halten, bedauert Meine. "Weidehaltung - egal ob Kuh, Schaf oder Pferd - wird es, wenn es mit den Wölfen so weiter geht, in Zukunft nicht mehr geben."

Mit Unterstützung des NABU wird Meine bald einen 1,5 Meter hohen Elektrozaun um seine Weiden bauen. "Ich hoffe, dass das reichen wird."

Ein hoher Elektrozaun wird demnächst Hendrik Meines Kühe beschützenBild: Rainer Dückerhoff

Wolfsfreunde und Wolfsgegner

Den Wolf weiterhin schützen - oder abschießen? Diese Frage hat die Region gespalten. Eine harte Diskussion zwischen Wolfsfreunden und Wolfsgegnern ist entbrannt. Die Wolfsfrage ist sogar ein heißes Thema bei Regionalwahlkämpfen. Einige Anwohner zünden Mahnfeuer an, wenn sie einen Wolf in der Region gesichtet haben, um darauf aufmerksam zu machen, dass es Zeit ist, das Raubtier wieder loszuwerden.

Wenn es um Wölfe geht, werden Menschen irrational, meint Peter Schütte vom Nabu: "Der Wolf war im Mittelalter gefährlich für unsere Vorfahren, die vielleicht nur eine Kuh oder eine Ziege besessen haben. Wenn die tot war, war die Lebensgrundlage der Familie dahin." Die Situation sei heutzutage eine ganz andere, "aber die Angst vor diesem großen gefährlichen Raubtier ist trotzdem verhaftet."

Gekommen, um zu bleiben

Einige Menschen warnen, dass das Abschießen von Wölfen mehr schaden als nutzen würde. "Man bringt damit die Sozialstruktur der Wölfe durcheinander", sagt Hannelore Martin, Pferdezüchterin und Leiterin der NABU-Arbeitsgruppe "Pferd und Wolf".

Die Wölfe sind zurück

04:32

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Wie viele andere Pferdezüchter war auch Martin besorgt, als sie hörte, dass wieder Wölfe die Gegend durchstreifen. Aber ihre Nachforschungen hätten gezeigt, dass Wölfe Pferde nur in absoluten Ausnahmefällen angreifen, sagt sie. Sie plädiert dafür, "die Hysterie mal ein bisschen zurückzufahren".

Das Abschießen von Wölfen würde lediglich bewirken, dass sich neue Tiere in dem dann freien Revier ansiedeln. "Durch die Öffnung der Grenzen wandern Wölfe aus Osteuropa zu - das werden sie auch weiterhin tun." Hannelore Martin und Peter Schütte glauben daher, dass es nur eine Lösung gibt: Miteinander sprechen, mehr über den Lebenswandel der Wölfe herausfinden und Wege zu einer Koexistenz finden.

Denn während die Menschen in der Lüneburger Heide noch darüber diskutieren, ob Wölfe dorthin gehören oder nicht, haben die Wölfe diese Frage für sich bereits beantwortet: Sie werden hierbleiben.

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