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Neue Töne Seouls

Vera Möller-Holtkamp27. Oktober 2006

Südkorea will die UN-Sanktionen gegen Pjöngjang zumindest in Teilen erfüllen. Diese Entscheidung kommt einen Tag nachdem Nordkorea dem Süden mit Krieg gedroht hat.

Demonstranten mit Plakaten
Südkoreaner protestieren gegen die Atompolitik NordkoreasBild: AP

Die Regierung in Seoul hat sich zu Sanktionen gegen Nordkorea durchgerungen. Für offizielle Vertreter des Nordens, die im Zusammenhang mit dem Atomprogramm stehen, gilt künftig ein Einreiseverbot. Außerdem sollen Transaktionen und Zahlungen dieser Personen stärker kontrolliert werden. Das kündigte der südkoreanische Vereinigungsminister Lee Jong Seong an.

Zaghafte Sanktionen gegen Nordkorea

Südkoreanischer Grenzsoldat beobachtet die Grenze zu NordkoreaBild: AP

"Das sind erste, aber sehr kleine Schritte", winkt Patrick Köllner, Korea-Experte am Hamburger Institut für Asienkunde, ab. Damit komme Seoul den Forderungen des Bündnispartners USA ein Stück weit entgegen. Die wirklich sensiblen Punkte spare Südkorea aber aus. Gemeint sind die innerkoreanischen Gemeinschaftsprojekte, die sich nördlich der Demarkationslinie befinden: das Tourismusprojekt Keumgang und das Industrieprojekt Kaesoung. Es sind Prestigeprojekte der innerkoreanischen Vereinigungspolitik. Die Bush-Regierung vermutet, dass von diesen Projekten Devisen in nordkoreanische Atomwaffenprogramme fließen und fordert die Beendigung des südkoreanischen Engagements.

Südkorea im Dilemma

"Südkorea fährt hier eine zweigleisige Strategie," sagt Patrick Köllner. Es zeigt sich einerseits partnerschaftlich gegenüber den USA, weil es von seinem militärischen Schutz abhängt. Anderseits will der Süden den Dialog mit Nordkorea auf keinen Fall aufgeben. "Seoul will das Fernziel Wiedervereinigung nicht aus den Augen verlieren", ist sich Köllner sicher. Die USA haben zwar versichert, Südkorea im Notfall auch mit Hilfe von Atomwaffen zu verteidigen, trotzdem würde ein Erstschlag des Nordens ein Desaster auslösen - auch mit konventionellen Waffen. Seoul liegt nur 50 Kilometer von der Grenze entfernt.

Zwischen Sonnenschein und Atombombe

Kay Möller, Asienforscher bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, glaubt, Südkorea nähere sich neuerdings einer Vollmitgliedschaft bei der Initiative zur Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen (PSI) an. Es sei eine Frage der internationalen Glaubwürdigkeit Südkoreas, so Möller. Eine Mitgliedschaft würde aber auch bedeuten, dass der Süden nordkoreanische Schiffe notfalls mit Waffengewalt untersuchen müsste, damit verhindert werden könne, dass Pjöngjang auf dem Seeweg Atomwaffen verschiffe. "Ein solches Engagement birgt allerdings ein erhebliches Eskalationsrisiko," gibt Kay Möller zu Bedenken.

Bedingungslose Vereinigungspolitik auf dem Prüfstand

Bewaffnete Witzfigur? Ein südkoreanisches Plakat mit dem kommunistischen Führer Kim Yong IlBild: AP

In der südkoreanischen Bevölkerung hatte es bis zum Bekanntwerden des Atomtests am 9. Oktober 2006 eine weitverbreitete Unterstützung der "Sonnenscheinpolitik" gegenüber dem Norden gegeben. Aber diese Basis bröckelt: Neuerdings ist die Gesellschaft in diesem Punkt gespalten. Laut einer Umfrage von SBS Television halten nur noch 53 Prozent an der bedingungslosen "Entfrostungspolitik" fest. 44 Prozent der Befragten dagegen befürworten eine striktere Politik, die auch ein Handelsembargo einschließt. "Wenn sich dieser Trend verstärkt, wird die Politik darauf reagieren müssen", prognostiziert Köllner. Bisher hat der Süden die in der UN-Konvention festgelegten Handelsbeschränkungen nicht umgesetzt.

Wenn neben Japan nun auch Südkorea ein Embargo verhänge, würde das die Bevölkerung des kommunistischen Nordens empfindlich treffen. Zwei Drittel des Außenhandels wickelt Nordkorea mit Japan, Südkorea und China ab. Falls Seoul zu macht, wird der Pjönjang von China extrem abhängig. Und auch das liegt nicht im Interesse des Südens.

Neue Gesichter, neue Politik?

Unterdessen beginnt Soeul mit dem Umbau der Regierung. Südkoreas Geheimdienstchef Kim Seung Kyu hat fast drei Wochen nach dem Atomwaffentest seinen Rücktritt angeboten. Wenige Tage zuvor hatten zwei weitere Minister das Gleiche getan: Verteidigungsminister Yoon Kwang Ung und der Vereinigungsminister Lee Jong Seok. Die Rücktrittsangebote sind zwar von oberster Stelle noch nicht offiziell angenommen worden, das gilt aber nur noch als Formsache. Experten kennen dieses Phänomen aus Südkorea. "In Krisenzeiten gibt es 'Bauernopfer'. Hier reagiert die Regierung demonstrativ auf die erfolglose Annäherungspolitik", sagt Köllner.

Ministerwechsel an sich seien noch kein eindeutiges Indiz für einen Politikwechsel, in diesem Fall könnte das anders sein.

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