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Woody Allen: Rowohlt veröffentlicht Autobiografie

9. März 2020

In den USA wurde die Auslieferung von Woody Allens Biografie abgesagt - nach starken öffentlichen Protesten. In Deutschland wird das Buch bei Rowohlt im April erscheinen - trotz Protesten hauseigener Autoren.

Mailand | Woody Allen mit Ehefrau Soon-Yi Previn
Bild: picture-alliance/dpa/P. Della Bella

Die deutschsprachige Ausgabe der umstrittenen Autobiografie des prominenten US-Regisseurs wird wie geplant im Hamburger Verlag Rowohlt erscheinen. Das Buch mit dem Titel "Ganz nebenbei" kommt am 7. April 2020 auf den Markt. "so können sich interessierte Leser und Leserinnen ihr eigenes Urteil bilden", heißt es in der Verlagsmitteilung.

"Wir nehmen die Sorgen von Teilen der Öffentlichkeit, wie von Autorinnen und Autoren, die im Zuge der Veröffentlichung geäußert wurden, ernst", sagte der derzeitige Rowohlt-Verleger, der in absehbarer Zeit das Haus verlassen und nur noch als Autor arbeiten wird. Die aktuelle Debatte wolle der Verlag allerdings weiterführen. Geplant sei eine Veranstaltung dazu in naher Zukunft.

Protest gegen Veröffentlichung

Autoren des Hamburger Rowohlt Verlages, darunter Sascha Lobo, Margarete Stokowski, Till Raether und Sven Stricker, hatten gegen eine Veröffentlichung der deutschen Fassung der umstrittenen Biografie von Hollywood-Regisseur Woody Allen ("Woody Allen. Ganz nebenbei. Autobiografie") öffentlich protestiert.

"Das Buch eines Mannes, der sich nie überzeugend mit den Vorwürfen seiner Tochter auseinandergesetzt hat, sollte keinen Platz in einem Verlag haben, für den wir gerne und mit großem Engagement schreiben", heißt es in ihrem Protestschreiben.

Bild: picture-alliance/dpa/Rowohlt Verlag

Es gehe ihnen als Autoren nicht darum, das Buch grundsätzlich zu verhindern. "Woody Allen mangelt es nicht an Möglichkeiten sich mitzuteilen. Aber der Rowohlt Verlag muss ihn nicht noch unterstützen." Kritikpunkt sei u.a. auch der mangelnde Fakten-Check, wie er bei Sachbüchern längst Standard sei, heißt es weiter. Dies sei ein Zeichen fehlenden Respekts gegenüber den Opfern sexueller Gewalt.

Kritische Stimmen zur Debatte

Inzwischen gibt es auch Kritik an diesem Protestbrief. Der Comic-Zeichner und Autor Ralf König postete via Facebook: "Wie Rowohlt-Autoren vom Verlag verlangen können, einen Autoren nicht zu veröffentlichen, für dessen Fehlverhalten es nie Beweise, aber jede Menge berechtigte Zweifel gibt, ist mir unverständlich."

Auch Mara Delius, die Chefin der "Literarischen Welt", der wöchentlichen Literaturbeilage der Tageszeitung "Die Welt", äußerte Kritik: "Die Entscheidung des amerikanischen Verlags Ende vergangener Woche zeigte vor allem, dass man den Stein des Anstoßes, den angeblichen Missbrauch, so lange nicht für irritierend hielt, wie sich niemand öffentlich beschwerte und man mit dem Buch verdienen konnte. Was ist das für ein Signal?"

Auslieferung der Allen-Biografie in USA gestoppt

Die umstrittene Autobiografie von Hollywood-Regisseur Woody Allen sollte am 7. April 2020 auf dem amerikanischen Buchmarkt erscheinen. Doch daraus wird jetzt nichts: Publikation und Auslieferung des Buches ("Woody Allen. Apropos of Nothing. Autobiography") sind abgesagt worden. Allens Verlag Hachette – einer der größten in den USA mit Star-Autoren wie David Foster Wallace und J.K. Rowling im Programm – beugt sich dem massiven öffentlichen Protest.

Woody Allen hat 2017 US-Konzern Amazon verklagtBild: picture-alliance/AP/E. Agostini

Eine Sprecherin des US-Verlages sagte, die Entscheidung, das Buch fallen zu lassen, sei "schwierig" gewesen: "Wir nehmen die Beziehungen zu unseren Autoren ernst und sagen Bücher nicht einfach leichtfertig ab", hieß es von Verlagsseite. Nach internen Gesprächen wäre man aber zu dem Schluss gekommen, dass die Veröffentlichung "nicht mehr machbar" gewesen sei. 

Protestkundgebung vor dem Verlagsgebäude

70 Mitarbeitern hatten am Donnerstag (05.03.2020) ihre Schreibtische und Büros verlassen, um vor dem Verlagsgebäude von Hachette gegen das Buch zu protestieren. Sie werfen der Geschäftsleitung vor, die Missbrauchsvorwürfe gegen den prominenten Regisseur und vor allem das Leid der Opfer zu ignorieren.

Damit schlossen sie sich ausdrücklich dem ehemaligen Haus-Autor Ronan Farrow an, der angekündigt hatte, in Zukunft nicht mehr mit dem Verlag zusammen arbeiten zu wollen. Farrow ist der Sohn von Woody Allen und Mia Farrow.

Ronan Farrow steht auf der Seite seiner Mutter Bild: Getty Images/Time/N. Galai

Der 32-Jährige Journalist hatte die #MeToo-Bewegung mit seinen investigativen Recherchen und Reportagen über die sexuellen Übergriffe von Hollywood-Produzent Harvey Weinstein los getreten. Im Gegensatz zu seinem Bruder Moses steht er auf der Seite seiner Mutter, der US-amerikanischen Schauspielerin Mia Farrow.

Keine Anklage gegen Woody Allen

Woody Allen ist juristisch bislang nicht wegen dieser Anschuldigungen belangt worden. Seit 1992 steht in diesem Punkt Aussage gegen Aussage: Im damaligen Streit um das Sorgerecht für ihre drei gemeinsamen Kinder warf seine frühere Lebensgefährtin Mia Farrow ihrem Mann vor, die gemeinsame Adoptivtochter Dylan – heute 34 – als Kind sexuell missbraucht zu haben. Dylan war zu diesem Zeitpunkt sieben Jahre alt, Woody Allen bestreitet die Vorwürfe.

Bei einem aktuellen Interview in Paris hatte Allen im Sommer 2019 noch auf die Frage, ob sein bewegtes Leben nicht Stoff für tausend Seiten Biografie hergebe, mit typischen Understatement geantwortet: "Auf gar keinen Fall, dafür ist es nicht spannend genug."

Familienfoto aus glücklicheren Zeiten: Woody Allen und Mia Farrow mit Adoptivtochter Dylan (1988)Bild: picture-alliance/dpa

Der Hamburger Rowohlt Verlag scheint sich nach wie vor viel von der Veröffentlichung der deutschen Fassung zu versprechen: Pressestimmen, prominente Publizität und hohe Verkaufszahlen. Bis zum Montag (09.03.2020) war keine klärende Stellungnahme dazu aus dem Verlag, der gerade seinen Neu-Verleger Florian IIlies eingebüßt hat, zu hören.

Faktencheck bei Biografien wichtig

Ebenso wie die englische Originalfassung in den USA ist das Buch längst gedruckt und auslieferungsbereit. Der Journalist Till Raether, der den Protestbrief der Rowohlt-Autoren mit unterzeichnet hat, verwies im Interview auf den offenen Brief des #MeToo-Reporters Ronan Farrow. Darin habe dieser bereits auf das fehlende "Fact-Checking" der Allen-Biografie hingewiesen, sagte Raether.

Der Rowohlt Verlag hält sich derweil zurück. Es sei unklar, "ob wir den Erscheinungstermin 7. April werden halten können", ließ die Pressestelle in Hamburg am Montag (09.03.2020) wissen. Der amerikanische Verlag habe die Rechte an den Autor zurückgegeben. "Daher klären wir derzeit  - wie die anderen europäischen Verlage - die Rechtelage", hieß es weiter.

Die Mitarbeiter des New Yorker Verlages Hachette Book Group hatten ihren Protest letzte Woche klar begründet: "Wir stehen Ronan Farrow, Dylan Farrow und den Opfern sexueller Übergriffe in Solidarität zur Seite", ließen sie in den temporären Abwesenheitsnotizen ihrer Email-Accounts jeden wissen. 

Doch auch  in den USA gibt es Autoren, die die Entscheidung des Hachette Verlags nicht gutheißen. So twitterte der Horrorschriftsteller Stephen King: "'Mir ist dabei sehr unwohl. Nicht wegen Allen, er ist mir schnuppe. Aber mich ängstigt die Frage, wer als nächstes mundtot gemacht wird." Und in einem zweiten Tweet: "Wenn Sie glauben, Allen sei ein Pädophiler, dann kaufen Sie einfach sein Buch nicht. Gehen Sie nicht in seine Filme. Gehen Sie nicht ins Carlyle, um ihn Jazz spielen zu hören. Wählen Sie mit Ihrer Brieftasche ... So machen wir das in Amerika."

Dies ist eine aktualisierte Version eines früheren Artikels. 

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