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Kunst

"Unabhängiger Journalismus ist wichtiger als Preise"

Hilal Köylü ss
14. Februar 2017

Der türkische Bildjournalist Burhan Özbilici erklärt im Gespräch mit der Deutschen Welle, was ihm der World Press Award bedeutet. Seine Aufnahme von der Ermordung des russischen Botschafters ging um die Welt.

Burhan Özbilici
Bild: privat

DW: Wie hat es sich angefühlt zu erfahren, dass Sie den World Press Award erhalten? 

Burhan Özbilici: Was mir wichtig ist, sind nicht die Auszeichnungen, sondern einfach nur meinen Beruf ausüben zu können. Zurzeit bin ich in Amsterdam, und Dutzende von Journalisten wollen mit mir Interviews wegen der Auszeichnung führen. Alle fragen: "Du wirst jetzt auf den ersten Seiten der Zeitungen deines Landes sein, was geht da in dir vor?" Und ich habe allen explizit mitgeteilt, dass mir dieser Preis überhaupt nicht wichtig ist. Was mir viel viel wichtiger ist, ist unabhängiger, gewissenhafter und verantwortungsbewusster Journalismus. Ich bin ein Journalist, der an etwas glaubt und Werte vertritt. Jahrelang konnte ich meinen Beruf ausüben, ohne meine Prinzipien zu opfern. Und diese werde ich auch niemals opfern. Um ehrlich zu sein, fühle ich mich also wegen der Auszeichnung nicht gerade unbedingt auf einem Höhenflug vor lauter Glück. Aber es ist schon schön zu sehen, dass es noch unabhängigen Journalismus gibt und dass der auch geschätzt wird. Das ist schon zufriedenstellend.

Der Botschafter wurde ja vor Ihren Augen erschossen, und Sie haben diese Momente Sekunde für Sekunde aufgenommen. Wie bewerten Sie Ihre Verfassung in diesem Moment, wenn Sie jetzt zurückblicken?

Es war ein schrecklicher, leidvoller, furchtbarer Vorfall. Ich hätte natürlich bevorzugt, dass es gar nicht erst dazu gekommen wäre, aber es ist nun passiert. Aber wäre ich nicht dagewesen, wäre jemand anderes dagewesen. Ich hätte auch flüchten können, aber ich bin dort geblieben. Ich habe einfach meinen Job als Journalist gemacht, bin meiner Aufgabe nachgegangen. In dem Moment, als also der Botschafter vor meinen Augen erschossen wurde, fühlte es sich an, als ob mein Gehirn einerseits festfror und andererseits gleichzeitig brannte und zerschmolz. Ich drang sofort tief in den Moment hinein. Die Person, die da schließlich ermordet wurde, war der Botschafter Russlands in Ankara. Zu dem Zeitpunkt gab es weltweit eine Krisensituation wegen Syrien, und die türkisch-russischen Beziehungen waren sehr empfindlich. Es war ein extrem wichtiger, historischer Moment. Wir haben einen Vorfall miterlebt, der die Türkei durchaus geschädigt hat. Dieser Moment hat uns noch einmal gezeigt, wie lebenswichtig unabhängiger Journalismus wirklich ist. Nur unabhängige Journalisten können die Wahrheit sehen, in die Wahrheit eindringen und auch den Mut haben, Wahrheiten zu enthüllen und zu zeigen.

Özbilicis Bild ging um die WeltBild: Reuters/AP/World Press Photo Foundation/B. Ozbilici


Welchen Schwierigkeiten stehen Journalisten und Bildjournalisten in der Türkei gegenüber?

Die Lage ist nicht gerade sehr rosig. Es gehört nicht zu unserem Job, politische Kommentare zu geben, genauso wenig wie es der Job der Politiker ist, sich mit Journalismus zu befassen. Es würde reichen, wenn sie uns alleine ließen. Unabhängiger Journalismus ist die einzige Bedingung, unter der eine Gesellschaft aufrecht erhalten werden kann. Das sehe ich immer wieder, wenn ich Interviews mit der weltweiten Presse führe. Die sehen alle einen Nachrichtenwert in der Tatsache, dass ich diesen Preis erhalten habe und berichten dementsprechend darüber. Ich aber möchte, dass der Wert von qualitativ hochwertigem, unabhängigem Journalismus gewürdigt wird. Ich möchte, dass die Journalisten, die hierfür kämpfen, die hierfür hart arbeiten, unterstützt werden. Wir haben uns schließlich dazu verpflichtet, unter allen noch so schweren Umständen unseren Job zu tun. Außerdem stellen wir immer wieder unter Beweis, dass wir all diese schweren Bedingungen auch bezwingen können. So wie ich das beurteile, werden wir auch die Schwierigkeiten in der Türkei überwinden können - aber nur, wenn niemand sich bei niemand anderem mehr einmischt.

Das Interview führte Hilal Köylü. 

Burhan Özbilici, 59, ist Preisträger des World Press Photo Awards 2017. Er arbeitet zurzeit als Fotojournalist für Associated Press in Ankara. Zuvor hatte Özbilici den Izzet Kezer Foto Preis für dieselbe Aufnahme des Attentats auf den russischen Botschafter erhalten.

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