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MeinungsfreiheitDeutschland

Writers in Prison Day: Wenn das freie Wort bedroht ist

15. November 2023

Die Autorenvereinigung PEN fordert die sofortige Freilassung inhaftierter Schriftstellerinnen und Schriftsteller weltweit. Wo ist die Lage am schlimmsten?

Ein Männ hängt Fotos von Frauen und Männern auf
In Mexiko starben 2022 besonders viele Journalisten eines gewaltsamen TodesBild: Luis Barron/Eyepix/ipa/picture alliance

Weltweit geraten Schriftsteller, Journalisten und Verleger ins Visier von Unrechtsregimen. Den Mut zur Meinungsäußerung bezahlen sie mit ihrer Freiheit. So kam Iryna Danylovych von der russisch besetzten ukrainischen Halbinsel Krim ebenso ins Gefängnis wie Go Sherab Gyatso im zur Volksrepublik China gehörenden Tibet, Soulaiman Raissouni in Marokko oder auch María Cristina Garrido Rodríguez in Kuba. Die vier Schriftstellerinnen und Autoren seien "akut bedroht", mahnen die weltweit 140 PEN-Zentren in einem gemeinsamen Appell. Najem Wali, der Writers-in-Prison-Beauftragte des deutschen PEN-Zentrums in Darmstadt, ergänzt: "Solange eine oder einer von ihnen nicht frei ist, ist niemand frei."

Es sind tragische Schicksale, auf die der PEN den Blick der Öffentlichkeit lenkt. "Schriftstellerinnen und Schriftsteller leisten Widerstand, setzen sich für Gerechtigkeit und freie Gesellschaften ein", so Wali im DW-Gespräch. "Dafür werden viele verfolgt, bedroht, angriffen, eingekerkert, verbannt und nicht selten getötet." Ein Beispiel ist der in Indien geborene britisch-amerikanische Schriftsteller Salman Rushdie. Ein Attentat auf offener Bühne im August 2022 überlebte der Autor der "Satanischen Verse" nur knapp. Erst kürzlich wurde er in Frankfurt am Main mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.

Verfolgt: die ukrainische Autotin Iryna DanylovychBild: Mary Lawlor UN Special Rapporteur

Unter Vorwänden inhaftiert

Iryna Danylovych etwa, eine ukrainische Bürgerjournalistin und Menschenrechtsaktivistin, deckte Missstände im Gesundheitssystem der besetzten Krim auf. Im Am 29. April 2022 wurde sie gewaltsam entführt. Am selben Tag durchsuchten russische Sicherheitskräfte ihr Haus und beschlagnahmten ihr Telefon und ihre technische Ausrüstung. Erst zwei Wochen später spürte ihr Anwalt sie in einem Untersuchungsgefängnis in Simferopol auf. Wegen des angeblichen Besitzes von Sprengstoff wurde sie angeklagt, als "ausländische Agentin" gelistet und zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt. Aus Protest gegen die schlechte medizinische Versorgung im Gefängnis trat Danylovych im März in einen Hungerstreik. Nach Angaben ihrer Familie ist sie gesundheitlich schwer angeschlagen. 

In Tibet verfolgt: der Schriftsteller Go Sherab GyatsoBild: TCHRD

Nicht besser ergeht es dem tibetischen Schriftsteller, Pädagogen und Intellektuellen Go Sherab Gyatso, auch bekannt als "Gosher". Auch um seine Gesundheit sorgt sich die Schriftstellervereinigung wegen "mangelnder medizinischer Versorgung". Gosher verbüßt eine zehnjährige Gefängnisstrafe. Verurteilt wurde er dem PEN zufolge Ende 2021 nach einem geheimen Prozess. Zuvor hätten ihn Sicherheitskräfte in der Stadt Chengdu in der Provinz Sichuan unter dem Verdacht der "Anstiftung zur Sezession" festgenommen. Gosher wurde in die Autonome Region Tibet überstellt und dort offiziell angeklagt. In seinen Schriften widmet er sich dem tibetischen Buddhismus sowie der Sprache und Kultur Tibets. Er hatte Chinas Regierung kritisiert: sie schränke den Zugang tibetischer Kinder zu Bildung in ihrer Muttersprache ein.

Sorge um die Gesundheit der Inhaftierten

In Marokko verfolgt: der Journalist Soulaiman RaissouniBild: privat

Der marokkanische Journalist Soulaiman Raissouni hingegen wurde im Mai 2020 wegen angeblicher sexueller Übergriffe festgenommen, was er als politisch motiviert zurückweist. Fast ein Jahr lang saß er ohne Gerichtsverfahren in Haft und wurde dann zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Der Prozess sei von Unregelmäßigkeiten geprägt gewesen und habe ohne ihn und seine Verteidiger stattgefunden, berichtet der PEN. Auch sei Raissouni mittels Pegasus-Spyware überwacht worden. Nach einem langen Hungerstreik gehe es ihm gesundheitlich nicht gut, sein Berufungsantrag sei abgelehnt worden. Die Vereinten Nationen und das Europäische Parlament äußerten Besorgnis über die Willkür seiner Inhaftierung und fordern Raissounis Freilassung.

In Kuba verfolgt: die Autorin María Cristina Garrido RodríguezBild: privat

Offenkundig vorgeschoben waren auch die Vorwürfe gegen die kubanische Dichterin und Aktivistin María Cristina Garrido Rodríguez: Wegen "Öffentlicher Unordnung", "Angriffs", "Anstiftung zu einer Straftat”, "Verachtung" und "Widerstands" wurde sie im März 2022 zu sieben Jahren Haft verurteilt. Zuvor hatte sie an friedlichen Protesten teilgenommen. Rodríguez verbüßt ihre Haft im Frauengefängnis Guatao. Dort werde sie grausam behandelt, erklärt der PEN. 

"Die Mechanismen bei der Verfolgung missliebiger Autorinnen und Autoren sind", wie Najem Wali sagt, "überall auf der Welt dieselben." Diktaturen hätten Angst vor dem freien Wort, weil es Erinnerung und Gedächtnis bedeute. Das könne zu Protesten führen. "Diktatoren regieren mit der Hoffnung, dass die Menschen nichts gesehen und nichts gehört haben - und daher schweigen." Der Schriftsteller Wali erfuhr das am eigenen Leib, als er in den 1980er-Jahren im Irak verhaftet wurde und in den Folterzentren von Machthaber Saddam Hussein landete. Seit Mai 2022 ist Wali Writers-in-Prison-Beauftragter und Vizepräsident des deutschen PEN-Zentrums.

Meinungsfreiheit weltweit bedroht

Derweil zeichnet das Internationale Writers-in-Prison Committee in London ein düsteres Bild der Lage der Meinungsfreiheit. Mindestens 68 getötete oder bedrohte Schriftsteller und Journalisten verzeichnet der PEN International in seinem Jahresbericht 2022, "vor allem in Nord- und Südamerika, Europa, Asien-Pazifik und dem Nahen Osten.”

Am stärksten bedroht ist die Meinungsfreiheit laut Wali derzeit in Mexiko - gemessen an der Zahl ermordeter Journalisten und Autoren. Doch beobachte man Ähnliches auch in China, in Russland, in der Türkei, in Syrien, Zimbabwe und El Salvador. Es sei schwer, sagt Wali, eine Rangliste aufzustellen. Gleichwohl gebe es "Brennpunkte” wie etwa den Iran mit der von Frauen angeführten Protestbewegung. 

Seit 1980 erinnert die Schriftstellervereinigung PEN immer am 15. November an das Schicksal verfolgter Autorinnen und Autoren. Der Gedenktag wurde durch das "Writers in Prison"-Komitee des internationalen PEN ins Leben gerufen - als Reaktion auf die, wie es heißt, "wachsende Zahl der Länder, die versuchen, Autorinnen und Autoren durch Repressionen mundtot zu machen."

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