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WTO als Streitschlichter bei Sanktionen?

Johanna Schmeller11. August 2014

Das russische Agrarembargo gegen europäische Staaten trifft einzelne Nationen hart. Polen prüft derzeit die Möglichkeit, vor der WTO gegen Russland zu klagen. Russland wehrt sich. Reichen die Argumente aus?

Hauptsitz der World Trade Organization WTO. Foto: dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Russland kontert - Importstopp von Agrarprodukten aus dem Westen

03:38

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"Wir sind der Meinung, dass Russland sowohl beim Embargo gegen Polen wie auch beim Embargo gegen die EU internationales Recht gebrochen hat", erklärt der polnische Landwirtschaftsminister Marek Sawicki dem öffentlich-rechtlichen TV-Sender TVP den Vorstoß, juristisch gegen die Handelsbarrieren vorzugehen. Seit Anfang August darf kein polnisches Obst und Gemüse mehr nach Russland exportiert werden - laut Sawicki ein Ausfall in Höhe von 0,6 Prozent des polnischen BIP. Am vergangenen Donnerstag (07.08.2014) hatte der russische Regierungschef Dmitri Medwedjew zudem ein einjähriges Einfuhrverbot für Lebensmittel aus der EU angekündigt.

"Wenn ein WTO-Mitgliedsstaat der Ansicht ist, dass ein anderer WTO-Mitgliedsstaat eine Maßnahme ergriffen hat, die nicht im Einklang mit den WTO-Regeln steht, dann kann der betroffene WTO-Mitgliedsstaat so genannte 'consultations' anfordern", erklärt der WTO-Experte und Anwalt Eric Pickett.

Wenn diese Konsultationen nicht zur friedlichen Streitbeilegung führten, könne Polen bei einem weiteren WTO-Suborgan, dem so genannten Dispute Settlement Body (DSB), beantragen, dass ein Panel einberufen wird. Der DSB ist die Versammlung aller WTO-Mitgliedsstaaten.

Mehrstufiges Schiedsverfahren angestossen

Das einberufene Panel prüft zunächst den angefochtenen Sachverhalt und verfasst einen Bericht, ob die gerügte Maßnahme in Einklang mit den WTO-Regeln steht.

Kompromisslose Haltung: der russische Regierungschef Dmiti MedwedjewBild: Reuters

Danach könne das Land in Revision gehen, beim so genannten Appelate Body. "Nach dem Appelate Body hat der DSB die Möglichkeit, den Bericht anzunehmen oder abzulehnen", so Pickett. "Das geht nach dem Prinzip des so genannten 'negative consensus' - das heißt, dass ein Bericht dann angenommen wird, wenn sich nicht alle Mitgliedsstaaten dagegen aussprechen."

Eine Zustimmung der anderen WTO-Staaten ist nicht unwahrscheinlich. Auch die EU treffen die Agrarsanktionen schmerzlich. Neben Maschinen, Chemikalien und Medikamenten stehen Agrarprodukte - besonders Obst, Käse und Schweinefleisch - wertmäßig auf dem vierten Platz der Güter, die Europa nach Russland ausführt. Im vergangenen Jahr lag der Umsatz bei zwölf Milliarden Euro. Polen liegt - nach Litauen und vor Deutschland - auf Platz zwei; es exportiert vor allem Äpfel.

"Kriegsähnliche Zustände" in Moskau?

Doch noch ist nichts entschieden. "Das größte juristische Problem ist die Frage, ob ein Panel entscheidet, ob für Russland ein wesentliches Sicherheitsinteresse besteht - das heißt, ob die Sanktionen notwendig sind, um die Sicherheitsinteressen wahrzunehmen."

Äpfel sind das wichtigste Exportgut für Polen nach RusslandBild: picture-alliance/dpa

Hierzu gebe es sehr wenig Rechtsprechung. Der Rechtsexperte muss bis in die Vierzigerjahre zurückblicken, um Vergleichsfälle zu finden: "In der Prä-WTO-Ära - das fiele dann also unter das GATT von 1947 - gibt es ein paar wenige Beispiele solcher Panels, die aber nicht besonders aussagekräftig sind."

Außerdem argumentiere Russland mit dem Artikel 51 der UN-Charta: "Der gibt jedem Staat das Recht auf Selbstverteidigung. Meines Erachtens wird es Russland allerdings mit der juristischen Argumentation sehr schwer haben."

Russland müsse begründen, dass die Sanktionen entweder eine notwendige Maßnahme in Kriegszeiten darstellten oder eine "besondere Krise der internationalen Beziehungen" vorliege.

Auch Griechenland besonders betroffen

Auch wenn über 70 Prozent der russischen Bevölkerung die Sanktionen gutheißen, stünden die Chancen gut, dass der komplexe WTO-Mechanismus zugunsten des polnischen Einspruches greife, glaubt Anwalt Pickett: "Meines Erachtens müssten kriegsähnliche Verhältnisse herrschen oder unmittelbar bevorstehen. Russland argumentiert, es gehe um Lebensmittelsicherheit. Ob das juristisch ausreicht, bezweifle ich."

Auch Litauen, Deutschland und Griechenland könnten profitieren: Deutschland führte im letzten Jahr Agrarprodukte mit einem Warenwert von fast 600 Millionen Euro aus, Litauen liegt mit mehr als 900 Millionen noch ein gutes Drittel darüber. Griechenland führt vor allem während der Sommermonate große Mengen Pfirsiche und Fisch aus.

Greifen die WTO-Mechanismen nicht oder nicht schnell genug, könnte dies nach Angaben der Süddeutschen Zeitung für griechische Gemüse- und Obstbauern einen Verlust von 178 Millionen Euro bedeuten. Athen soll deshalb bereits bilaterale Verhandlungen mit Moskau führen.

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