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Wundermittel? Debatte um HIV-Präventionsspritze in Simbabwe

Adwoa Tenkoramaa Domena
18. Oktober 2025

Simbabwe führt Lenacapavir ein – eine bahnbrechende HIV-Prophylaxe. Fachleute feiern sie als Fortschritt, doch in der Bevölkerung gibt es Bedenken über Kosten, Sicherheit und Zugänglichkeit.

Ein Apotheker hält eine Ampulle mit Lenacapavir, einem injizierbaren Medikament zur HIV-Prävention, in der Hand.
Lenacapavir, das unter dem Markennamen Yeztugo vertrieben wird, wird von dem kalifornischen Unternehmen Gilead Sciences hergestellt.Bild: Nardus Engelbrecht/AP Photo/picture alliance

Lenacapavir, die weltweit erste halbjährliche, injizierbare Prophylaxe gegen HIV, wird in Simbabwe eingeführt. Simbabwe ist damit eines von zehn (meist afrikanischen) Ländern, das für die zunächst begrenzte Einführung dieses injizierbaren Medikaments ausgewählt wurde.

"Wir freuen uns, dass Simbabwe als eines der zehn Länder weltweit ausgewählt wurde, das Lenacapavir einführen wird – ein entscheidender Fortschritt im Kampf gegen HIV," erklärte die US-Botschaft in Harare.

Laut Zahlen von UNAIDS, dem Programm der Vereinten Nationen zu HIV/AIDS, leben in Simbabwe 1,3 Millionen Menschen mit HIV, eine der prozentual höchsten Infektionsraten weltweit.

Das südafrikanische Land hat kürzlich die 95-95-95-Fast-Track-Ziele von UNAIDS erreicht. Das bedeutet, dass 95 % der mit HIV lebenden Menschen ihren Status kennen, davon erhalten wiederum 95 % eine lebensrettende antiretrovirale Behandlung und 95 % der Menschen, die sich in Behandlung befinden, eine Virusunterdrückung erreichen.

Durchbruch im Kampf gegen HIV?

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Ponesai Nyika, ein Experte für öffentliche Gesundheit mit langjähriger Erfahrung in der HIV/AIDS-Forschung und Programmumsetzung, erklärte gegenüber der DW, dass "Simbabwe über eine sehr solide Infrastruktur für die HIV-Bekämpfung verfügt".

Die Einführung von Lenacapavir dürfte die Bemühungen Simbabwes zur Ausrottung von Infektionen erheblich vorantreiben. "Die Unterstützung durch starke Partnerschaften wie PEPFAR [der Notfallplan des US-Präsidenten zur Bekämpfung von AIDS] und andere lokale Institutionen schafft eine solide Grundlage für die Einführung von Lenacapavir," fügte Nyika hinzu.

Die Einführung in Simbabwe richtet sich an Menschen, die besonders anfällig für HIV-Infektionen sind – darunter jugendliche Mädchen sowie Schwangere und stillende Frauen.

Warum gilt Lenacapavir als bahnbrechende Neuerung?

Die Fachzeitschrift Science nennt Lenacapavir den "Durchbruch des Jahres 2024". Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) lobt Lenacapavir als einen bahnbrechenden Fortschritt beim Schutz von Menschen, die einem HIV-Risiko ausgesetzt sind.

"Da ein HIV-Impfstoff nach wie vor nicht verfügbar ist, ist Lenacapavir die nächstbeste Lösung: ein langwirksames antiretrovirales Medikament, das in Studien gezeigt hat, dass es fast alle HIV-Infektionen bei Risikopersonen verhindern kann", sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus.

UNAIDS hat das Medikament ebenfalls als Wendepunkt in der HIV-Bekämpfung bezeichnet.

"Wir sprechen von einem potenziellen Wundermittel", sagte Angeli Achrekar, stellvertretende Direktorin von UNAIDS, gegenüber der DW.

"Derzeit ist die Tatsache, dass es neue Infektionen zu fast 100 % verhindert, bemerkenswert und beispiellos. Es ist das Beste, was wir in der HIV-Bekämpfung haben. Wir haben zwar keinen Impfstoff und keine Heilung, aber das ist außergewöhnlich."

Lenacapavir soll bis 2027 in 120 Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen eingeführt werden und die jährlich 1,3 Millionen neuen HIV/AIDS-Infektionen deutlich reduzieren.

Nyika erklärte gegenüber der DW, dass das Medikament als "hochwirksam" angesehen wird. "Speziell für die HIV-Prävention hat es sich als hochwirksam erwiesen, was es im Vergleich zu anderen Medikamenten so interessant macht. Bei korrekter und konsequenter Anwendung ist es hochwirksam bei der Prävention von HIV-Infektionen", so Nyika.

In Simbabwe leben 1,3 Millionen Menschen mit HIV, eine der höchsten HIV-Prävalenzraten weltweitBild: Jekesai NJIKIZANA/AFP

Das Medikament wurde in zwei Studien getestet: eine in Subsahara-Afrika mit Frauen und Mädchen, die andere mit amerikanischen schwulen und bisexuellen Männern und Transgender-Frauen.

In beiden Studien lag die Wirksamkeit des Medikaments bei über 99 %, was Hoffnung auf seine "außergewöhnlichen" Fähigkeiten bei der HIV-Prophylaxe weckt, sobald es vollständig verfügbar ist.

Nyika erklärt weiter, dass die Verabreichung des Medikaments nur zweimal im Jahr es noch wirksamer macht, da es die Fälle von geringer Therapietreue bei der HIV-Behandlung reduziert.

Die Lenacapavir-Präventionsbehandlung erfordert außerdem eine orale Anfangsdosis zu Beginn der Behandlung – zwei Tabletten sind am Tag der ersten Injektion und zwei Tabletten am folgenden Tag einzunehmen. 

Das Medikament hat in den USA, der EU und einigen anderen Staaten bereits eine Zulassung zur HIV-Prävention erhalten. 

Gemischte Reaktionen

Während einige Simbabwer die Einführung des Medikaments begrüßen, stehen andere den Kosten, der Sicherheit und der Verfügbarkeit des Medikaments eher skeptisch gegenüber.

Nyika argumentiert jedoch, dass Lenacapavir – wie jedes neue Medikament – zwar einige Nebenwirkungen haben kann, "die uns vorliegenden Daten jedoch zeigen, dass Lenacapavir sehr sicher und gut verträglich ist".

Er forderte die afrikanischen Länder, die das Medikament einführen, auf, transparent zu sein und klar über etwaige Nebenwirkungen des Medikaments zu informieren, um dessen Akzeptanz zu fördern.

Kann Lenacapavir die lang erwartete Wendung im Kampf gegen HIV/AIDS sein?Bild: Nardus Engelbrecht/AP Photo/picture alliance

Trotz des großen Lobes für das Medikament wirft dessen Preis auch wichtige Fragen darüber auf, wie zugänglich dieses „Wundermittel" sein kann.

"Wie soll es uns helfen? Denn ich bin mir sicher, dass es nur für die Reichen ist", sagte ein ugandischer Bürger gegenüber der DW und reagierte damit auf die jährlichen Kosten des Medikaments in Höhe von 40 Dollar, die ursprünglich auf etwa 28.000 Dollar (24.197 Euro) pro Person und Jahr veranschlagt worden waren.

Um die Kostenproblematik anzugehen, schlägt Nyika Verhandlungen mit Ländern mit mittlerem und niedrigem Einkommen sowie eine mögliche lokale oder regionale Produktion vor.

"Dies kann dazu beitragen, die Kosten zu senken. Aber auch die Nutzung der bestehenden Lieferkette, des kommunalen Gesundheitssystems und verschiedener Dienstleistungsmodule wird dazu beitragen, einen gerechten Zugang zu gewährleisten", so Nyika.

Durch die Partnerschaft mit PEPFARund dem Global Fund kann der Preis für das „Wundermittel" zudem deutlich gesenkt werden. Der Global Fund ist eine Finanzierungseinrichtung zur Bekämpfung großer Infektionskrankheiten und Förderung von Gesundheitsprojekten. Der Fonds stellt aktuell rund 26 % der weltweiten Mittel zur Bekämpfung von AIDS zur Verfügung.

Kenia, Nigeria, Sambia, Uganda, Tansania, Südafrika, Eswatini und Botswana gehören ebenfalls zu den Ländern, die für die Einführung bis Januar 2026 ausgewählt wurden.

Cai Nebe und Isaac Mugabi haben zu diesem Artikel beigetragen

Dieser Artikel basiert auf einer Folge des DW-Podcasts „AfricaLink"

Übersetzt aus dem Englischen von Silja Fröhlich

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