Wahrscheinlich wurde Alexej Nawalny durch einen Wirkstoff aus der Klasse der Cholinesterase-Hemmer vergiftet, sagen Ärzte an der Berliner Charité. Auch Nowitschok gehört zu diesen Substanzen.
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Das Ärzte-Team, dass den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny behandelt, berichtet, dass diesem vermutlich ein Nervengift verabreicht wurde. Es soll sich um eine noch unbekannte Substanz aus der Klasse der Cholinesterase-Hemmer handeln.
Damals kam das Nervengift Nowitschok zum Einsatz. Nowitschok löst eine Protein-Kettenreaktion aus, die unbehandelt schnell zum Tod führen kann. Es blockiert, genau wie jetzt am Patienten Nawalny beobachtet, die Produktion des Enzyms Cholinesterase.
Was passiert bei der Vergiftung im Nervensystem?
Im Stoffwechsel ist die Cholinesterase wichtig für den Abbau des Neurotransmitters Acetylcholin. Dieser Botenstoff spielt eine Rolle etwa beim Aufwachen oder der Aufmerksamkeit. Wird Acetylcholin nicht mehr abgebaut, führt das dazu, dass das Nervensystem ungehemmt mit Reizen bombardiert wird. Die Signalwege werden völlig überlastet und spielen verrückt.
Die Nerveninformationen prasseln dann auf Körpergewebe, Muskeln und Organe ein. Es kommt zu einem verstärkten Speichelfluss und zu Atemproblemen, weil der Patient seine Atemmuskulatur nicht mehr selbst kontrollieren kann. Lähmungen und Krämpfe können zum Tode führen, wenn die Vergiftung zu lange anhält.
Wie können Ärzte gegen die Vergiftung vorgehen?
Zunächst müssen die Mediziner verhindern, dass der Patient durch die Muskelverkrampfungen der Atemmuskulatur erstickt. Daher wurde Nawalny auch sofort künstlich beatmet (intubiert).
Als Gegengift verabreichen Mediziner daraufhin das Mittel Atropin, ein Alkaloid, das auch in Tollkirschen vorkommt. Atropin besetzt die Muskarinischen Acetylcholinrezeptoren der Zellen und schwächt damit die Wirkung des Acetylcholin-Bombardements ab. Die Behandlung muss so lange fortgesetzt werden bis die Cholinesterase wieder wirken kann. Deshalb verabreichen Ärzte in dem Fall auch noch einen weiteren Wirkstoff namens Pralidoxim , um die Cholinesterasteproduktion wieder anzukurbeln.
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Wo kommen Cholinesterase-Hemmer noch als Gift vor?
Auch verschiedene Schlangengifte, Insektizide sowie die Kampfstoffe Sarin und VX gehören zu dem Cholinesterase-Hemmern. Auch bei Vergiftungen mit diesen Substanzen nutzen Mediziner Atropin und Pralidoxim bei der Behandlung.
Wofür werden Cholinesterase-Hemmer in der Medizin verwendet?
Als Medikamente finden sehr viel schwächere Cholinesterase-Hemmer Verwendung bei der Behandlung von Alzheimer und Myasthenia gravis, einer neurologisch bedingten Muskelschwäche bei der die Signalübertragung zwischen Nerv und Muskel gestört ist. In diesem Fall ist die verstärkte Produktion des Neurotransmitters Acetylcholin erwünscht.
Blei im Boden, Chemieabfälle, giftiger Elektromüll: Dem jüngsten Umweltgiftreport der Green-Cross-Stiftung nach sind rund 200 Millionen Menschen Umweltgiften direkt ausgesetzt. Wo ist es am gesundheitsschädlichsten?
Bild: picture alliance/JOKER
Die gesundheitsschädlichsten Orte der Welt
Rund 200 Millionen Menschen weltweit sind Umweltgiften direkt ausgesetzt. Blei im Boden, chemische Giftstoffe, die in die Luft gepustet werden oder giftiger Elektromüll im Flusswasser - dies sind nur einige Beispiele aus dem Umweltgiftreport, den die Schweizer Green-Cross-Stiftung nun vorgelegt hat.
Bild: picture alliance/JOKER
Die Agbogbloshie-Deponie, Ghana
Haufenweise alte Satellitenschüsseln und kaputte Fernseher stapeln sich auf der riesigen Schrottdeponie. Gefährlich wird der Elektro-Abfall vor allem dann, wenn Kabel verbrannt werden, um an das wertvolle Kupfer im Inneren zu gelangen. Dadurch wird Blei freigesetzt - es kommt zu schweren gesundheitlichen Schäden.
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Der Citarum-Fluss, Indonesien
Das Wasser des Citarum-Flusses auf Indonesiens Insel Java ist rund 1000 Mal mehr verschmutzt als übliches Trinkwasser. Vor allem findet man darin große Mengen Aluminium und Eisen. Kein Wunder: Rund 2000 Fabriken nutzen den Citarum-Fluss als wichtige Wasserquelle und leiten ihre Industriegifte wieder ins Wasser ab. Schlimm für die Menschen: Denn ihnen dient der Fluss als Lebensgrundlage.
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Das Industriezentrum Dserschinsk, Russland
Dserschinsk ist eines der wichtigen Zentren für Russlands Chemieindustrie. Zwischen 1930 und 1998 wurden rund 300.000 Tonnen an chemischem Abfall in der Gegend nicht vernünftig entsorgt. Viele dieser Chemikalien gelangten sowohl ins Grundwasser als auch in die Luft. Frauen werden hier im Schnitt nur 47, Männer 42 Jahre alt.
Bild: Blacksmith Institute
Das Atomkraftwerk Tschernobyl, Ukraine
Bis heute gilt Tschernobyl als einer der schlimmsten Reaktorunfälle der Geschichte. Am 25. April 1986 führten Tests in dem Atomkraftwerk zu einer Kernschmelze mit fatalen Folgen: Bis heute leben im Umkreis von 30 Kilometern keine Menschen. Die Böden um das Atomkraftwerk sind immer noch verseucht und gefährden die Lebensmittelproduktion. Viele Menschen sind an Leukämie erkrankt.
Bild: Blacksmith Institute
Die Gerbereien in Hazaribagh, Bangladesch
Hazaribagh ist der Ort mit den meisten Gerbereien in Bangladesch. Die meisten dieser Fabriken nutzen veraltete und ineffiziente Methoden. Jeden Tag kippen sie zusammen rund 22.000 Liter an giftigem Müll in den Buriganga-Fluss, wichtigster Fluss und Hauptwasserquelle der Hauptstadt Dhaka. Durch krebserregende Stoffe leiden dort viele Bewohner an Haut- und Atemerkrankungen.
Bild: Blacksmith Institute
Die Bleiminen in Kabwe, Sambia
Kabwe ist eine der großen Städte im afrikanischen Sambia. Hier leiden viele Kinder an einer erhöhten Dosis Blei im Blut. In der Stadt wird seit rund einem Jahrhundert Blei abgebaut. Durch das Ausschmelzen werden Schwermetalle in Form von Staubpartikeln frei und gehen so auf die Böden der Umgebung nieder.
Bild: Blacksmith Institute
Die Goldminen in Kalimantan, Indonesien
Kalimantan ist der indonesische Teil der Insel Borneo - er ist vor allem für den hemmungslosen Raubbau an der Natur bekannt. Die zahlreichen Goldminen setzen vor allem das giftige Quecksilber ein. Durch das Verfahren werden jährlich mehr als 1000 Tonnen Quecksilber in die Umwelt geblasen. Auf diese Weise kann das Gift auch ins Grundwasser gelangen.
Rund 15.000 Fabriken entladen ihr Abwasser in den Matanza-Riachuelo Fluss in Argentinien. Chemieproduzenten sind laut Green-Cross-Report für mehr als ein Drittel der Verschmutzung des Flusses verantwortlich. Das Wasser enthält erhöhte Konzentrationen an Zink, Blei, Kupfer, Nickel und anderen Schwermetallen. Die Bevölkerung leidet hier vor allem an Darm- und Atemwegserkrankungen.
Bild: Yanina Budkin/World Bank
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Das Nigerdelta ist eine stark bevölkerte Region in Nigeria und macht rund acht Prozent des gesamten Landes aus. Es ist stark verunreinigt durch Öl und Kohlenwasserstoffe, die gleichermaßen das Grundwasser und die Böden verschmutzen. Aus der Erdölförderung gelangen durchschnittlich rund 240.000 Barrel Erdöl pro Jahr in die Umwelt. Grund dafür sind vor allem Unfälle und Öldiebstähle.
Bild: Terry Whalebone
Die Industriestadt Norilsk, Russland
In Norilsk werden jährlich fast 500 Tonnen Kupfer und Nickeloxide sowie zwei Millionen Tonnen Schwefeloxide in die Luft geblasen. Die Verschmutzung ist so hoch, dass die Lebenserwartung für Fabrikarbeiter zehn Jahre unter dem russischen Durchschnitt liegt.