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"Kein Wohlstand ohne eine gesunde Umwelt"

Irene Quaile31. Mai 2014

Marco Lambertini ist der neue Direktor von WWF International. Mit der DW sprach er über seine Pläne für die unabhängige Umweltorganisation, die in mehr als 100 Ländern aktiv ist.

Dr. Marco Lambertini vom WWF (Foto: Photo by Andrew Goodman/Getty Images for Sony).
Bild: Andrew Goodman/Getty Images for Sony

DW: Wo sehen Sie die Prioritäten des WWF in den kommenden Jahren?

Marco Lambertini: Unser Hauptziel ist, dafür zu sorgen, dass die Natur und die Umwelt weltweit ins Zentrum der politischen Tagesordnung gerückt werden. Sie werden zu oft als separate Themen ausgegrenzt. Wir glauben, dass die Umwelt für alles relevant ist. Es wird keine Möglichkeit geben, die Armut zu bekämpfen und die Welt nachhaltig zu entwickeln, wenn die Umwelt nicht fest mit einberechnet wird.

Der WWF wird manchmal kritisiert, weil er zu eng mit der Wirtschaft und der Industrie zusammenarbeitet.

Ich weiß, dass einige Hardliner das so sehen, und ich respektiere ihre Ansichten. Aber unsere Strategie ist, uns überall einzubringen. Wir bewegen uns weg davon, Unternehmen oder Projekte zu sponsern. Wir bauen zunehmend auf Partnerschaften, bei denen beide Organisationen ein gemeinsames Ziel haben. Wir haben ein starkes System, um Organisationen, Firmen oder Sektoren unter die Lupe zu nehmen, und diejenigen auszusuchen, mit denen wir zusammen arbeiten wollen.

Wenn es um Klima, Energie, Wasser, Fischerei oder die Holzwirtschaft geht, wollen wir mit den jeweiligen Hauptakteuren zusammenarbeiten. Das machen wir schon sehr lange - und mit beachtlichen Ergebnissen. Nehmen Sie beispielsweise die Zertifikationssysteme MSC für Fische und FSC für Holz. Und vor Ort leisten wir damit einen Beitrag sowohl zum Waldschutz als auch zur gesellschaftlichen Entwicklung.

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Der WWF engagiert sich auch im kontroversen Sektor der Palmölwirtschaft?

Palmöl ist sehr wichtig und hat eine bedeutende Rolle in der wirtschaftlichen Entwicklung einiger Schlüsselländer. Es hat aber auch einen sehr großen ökologischen Fußabdruck, vor allem, weil natürliche Wälder gerodet werden und in manchen Fällen viel CO2 und andere Treibhausgase freigesetzt werden. Die Versorgungskette ist sehr komplex. Wir haben uns zunehmend mit führenden Akteuren gemeinsam engagiert, um Standards für eine nachhaltige Produktion zu entwickeln. Man muss die Herkunft des Öls nachvollziehen können. Wir wollen auch die Schäden der Vergangenheit durch die Wiederherstellung oder Aufforstung mancher Gebiete kompensieren. Wir können diesen Sektor nicht einfach ignorieren. Es reicht nicht, sich im Hintergrund aufzuhalten und zu kritisieren.

Welche Umweltprobleme stellen die größten Herausforderungen dar?

Energie, Wasser, Nahrungsmittel, Textilien - es geht eigentlich um all die Aktivitäten, die regional und global die wirtschaftliche Entwicklung aufrecht erhalten. Wir müssen dafür sorgen, dass die Produktion strenge Umweltstandards einhält, damit diese Güter auch nachhaltig zur Verfügung stehen können. Sonst werden die Firmen zugrunde gehen. Es wächst in der Privatwirtschaft die Einsicht, dass Umweltschutz und Gesundheit die Grundpfeiler der Wirtschaft sind. Es gibt keine Zukunft mit Wohlstand auf unserem Planeten - mit einer Weltbevölkerung von neun Milliarden bis 2050 - ohne eine gesunde Umwelt.

Welche Rolle spielt der Klimawandel?

Der Klimawandel kann leider alles beeinflussen. Wir betonen, dass es hier auch um die Ungleichheit in der Welt geht. Diejenigen, die als erste und am stärksten betroffen werden, sind die Entwicklungsländer, die Ärmeren. Wir unterstützen die Empfehlungen des Weltklimarates, den Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Wir sind aber eher für 1,5 Grad, weil die Daten zeigen, dass wir das arktische Ökosystem und die Korallenriffe weitgehend verlieren werden, wenn es darüber geht. Wir haben 20 bis 30 Jahre, um das Problem in den Griff zu bekommen. Wir müssen unsere Emissionen reduzieren, indem wir die Energieeffizienz steigern und Subventionen von fossilen Brennstoffen in erneuerbare Energien umleiten.

Trotz der vielen Berichte über Extremwetter und das Abschmelzen des Polareises, scheint es keinen großen öffentlichen Druck auf die Politiker zu geben, den CO2-Austoß zu verringern?

Wir wissen mehr denn je über die Probleme und über Lösungsansätze. Die Frage ist: Wie sollen wir das in Handeln umsetzen? Aber es passiert schon einiges. Nehmen Sie die neue "Divest"- Bewegung - also Investitionen aus fossilen Energien herauszuziehen. Viele Organisationen und Banken beteiligen sich, wegen öffentlichen Drucks. Es gibt schon Millionen, die das unterstützen, auch in den Schwellenländern. Die Aufmerksamkeit der Zivilgesellschaft wächst.

Die Menschen fangen an, die Auswirkungen der Umweltzerstörung am eigenen Leibe zu spüren: Hitze, Stürme, Extremwetter, Dürren und andere Katastrophen, die immer weniger Naturkatastrophen sind, sondern sehr stark mit dem Klimawandel zusammenhängen. Ich bin sehr optimistisch, dass wir eine neue globale Bewegung entfachen können. Der WWF ist dafür sehr gut positioniert. Natürlich können wir das nicht allein, sondern nur zusammen mit anderen Nichtregierungsorganisationen, möglicherweise mit dem Privatsektor, und mit der Zivilgesellschaft.

Marco Lambertini ist seit dem 1. Mai 2014 Generaldirektor des WWF International. Der gebürtige Italiener war vorher Geschäftsführer von Birdlife International. Beim italienischen WWF begann er als Jugendlicher in der Freiwilligenarbeit.

Das Interview führte Irene Quaile.