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X ist nicht alles

6. September 2024

Seit Elon Musk Twitter übernommen und in "X" umbenannt hat, reißt die Kritik an der Social-Media-Plattform nicht ab. Hassrede und Fake News seien hier besonders stark verbreitet, heißt es. Dabei gibt es Alternativen.

Auf einem Smartphone ist der Social Media-Dienst X zu sehen mit einem Post, der die Abbildung einer brasilianischen Flagge neben dem Logo von X zu sehen ist
In Brasilien mittlerweile verboten: Der Social Media-Dienst XBild: EVARISTO SA/AFP/Getty Images

Seit diesem Samstag hat X - zumindest theoretisch - auf einen Schlag gleich 21,5 Millionen Nutzer weniger. Der Oberste Gerichtshof in Brasilien ordnete die landesweite Sperrung des Online-Dienstes an. Damit eskalierte ein seit langem schwelender Streit mit dessen Besitzer Elon Musk. Musk sei seinen Verpflichtungen, strenger gegen die Verbreitung von Hassrede und Falschinformationen auf seiner Plattform vorzugehen, nicht nachgekommen, so die Begründung des Obersten Gerichts in Brasilia. Das Gericht hatte Musk zuvor angewiesen, die Konten bestimmter Nutzer zu sperren, die Lügen und irreführende Informationen verbreiteten. In seiner Urteilsbegründung schrieb Alexandre de Moraes, einer der Obersten Richter Brasiliens: "Elon Musk zeigte seine völlige Missachtung der brasilianischen Souveränität und insbesondere der Justiz, weil er sich als supranationale Einheit und immun gegenüber den Gesetzen jedes Landes darstellt."

Weniger Faktenchecks, mehr Desinformation

01:22

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Musk aber hatte sich geweigert und sprach öffentlich von "Zensur". Direkt nach der Abschaltung seiner Plattform meldete er sich auf X zu Wort - mit harscher Kritik: "Die derzeitige brasilianische Regierung trägt gerne den Mantel einer freien Demokratie, während sie das Volk unter ihrem Stiefel zermalmt."

Brasilien war der sechstgrößte Markt für X weltweit, doch damit ist nun erst einmal Schluss. Wer versuche, das Verbot mit technischen Mitteln wie VPN-Verbindungen zu umgehen, müsse mit einem Bußgeld von 50.000 Real (etwa 8000 Euro) pro Tag rechnen. Brasiliens Nutzer orientieren sich derweil bereits um, insbesondere Konkurrent Bluesky verzeichnet seit der Sperrung von X einen massiven Zulauf.

Doch es gibt weitere Alternativen. Hier stellen wir einige der weltweit genutzten Microblogging-Dienste vor:

Bluesky

Auf den ersten Blick wirkt Bluesky wie eine abgespeckte Version von X. Kein Wunder, wurde es doch von Jack Dorsey, dem ehemaligen Mitgründer und CEO von Twitter, ins Leben gerufen. Seit Anfang 2024 ist das Netzwerk für die breite Öffentlichkeit zugänglich.

Profitiert derzeit am stärksten vom X-Verbot in Brasilien: die Microblogging-Plattform Bluesky

Im Gegensatz zu X ist Bluesky dezentral organisiert - User können sich über viele kleinere Server registrieren, anstatt auf einen großen angewiesen zu sein. Posts auf Bluesky sind auf 300 Zeichen begrenzt und damit ein wenig länger als bei X. Eine große Besonderheit des Netzwerkes ist, dass die Nutzer zwischen verschiedenen Algorithmen auswählen können und so bestimmen, was sie in ihren Feeds angezeigt bekommen. Auch ist es  - im Gegensatz zu X - möglich, beim Verlassen der Plattform, seine Konversationen und Kontakte einfach mitzunehmen.

Seit der Sperrung von X in Brasilien gewann Bluesky mehr als eine Million Nutzer hinzu, für ein Unternehmen mit insgesamt nur 8,4 Millionen Usern ein enormer Aufwuchs.

Mastodon

Auch das vom deutsch-russischen Software-Entwickler Eugen Rochko entwickelte Netzwerk ist dezentral organisiert, so dass verschiedene, von Privatpersonen oder Institutionen eigenverantwortlich Server betreiben, die miteinander vernetzt sind. Bei seiner Anmeldung suchen sich die Nutzenden den Server aus, der ihnen am meisten zusagt. Die Server - bei Mastodon auch "Instanzen" genannt - richten sich oft an eine bestimmte Region oder Community. Mastodon legt nach eigenen Angaben großen Wert darauf, frei von Hassrede, Fake News oder sonstigem illegalen Content zu sein. Was zensiert, gelöscht oder gesperrt wird, entscheidet dabei jede einzelne "Instanz" selbst.

Eine Art deutsches "Twitter light" - die Plattform MastodonBild: Thomas Trutschel/photothek/picture alliance

Ansonsten funktioniert Mastodon grundsätzlich genauso wie andere Mikroblogging-Dienste: User können sogenannte Toots (auf deutsch: Tröts) posten - das Pendant zu den Tweets bei X. Pro Toot gibt es 500 Zeichen Platz, andere User können diese kommentieren, liken oder teilen. Mastodon ist eine Open Source-basierte Software: der Quelltext ist für jede und jeden zugänglich. Die Entwicklung des Dienstes wird fast ausschließlich durch Spenden finanziert. Nachteil: Mastodon ist (noch) relativ klein: es besitzt nur rund eine Million aktive Nutzer pro Monat.

Threads

Wenn es um Social Media geht, ist er nicht weit weg: Mark Zuckerberg. Der Chef des Facebook-Mutterkonzerns Meta hat 2023 mit Threads einen eigenen Konkurrenten zu X auf den Markt gebracht. Auch Threads ist textbasiert und dezentral angelegt und besitzt grundsätzlich ähnliche Funktionen wie X. Kritiker bemängeln allerdings die in ihren Augen zu enge Verzahnung mit einem anderen Sozialen Netzwerk aus dem Hause Meta: Instagram.

Der reiche Mann hinter dem Netzwerk "Threads" ist Facebook-Chef Mark Zuckerberg Bild: Mateusz Slodkowski/ZUMA Press/picture alliance

Nachteil: Die User nutzen auf beiden Plattformen denselben Benutzernamen. Ein Threads-Konto kann nicht einfach so erstellt werden, man muss erst ein Instagram-Konto besitzen und dieses dann mit dem Dienst verknüpfen. Auch die Löschung eines Threads-Kontos geht nicht, ohne gleichzeitig das Instagram-Konto zu löschen. Vorteil: Threads kann auf bereits bestehende Verbindungen zwischen Hunderten Millionen Usern zugreifen.

Kritisiert wird auch, dass Threads zahlreiche personenbezogene Daten sammelt - in der Europäischen Union war der Dienst deshalb sogar erst mit einem halben Jahr Verzögerung an den Start gegangen, da man erst die Kompatibilität des Dienstes mit den damals neuen europäischen Digitalgesetzen prüfen musste. Der Popularität des Netzwerks tut all das keinen Abbruch: Threads besitzt derzeit 175 Millionen aktive User.

Unübersichtlicher Markt mit vielen Anbietern

Neben den hier vorgestellten Plattformen gibt es noch zahlreiche weitere Microblogging-Dienste: zu den größeren gehören etwa Tumblr, Plurk oder identi.ca. Zudem haben zahlreiche Social Media-Unternehmen eigene Microblogging-Funktionen in ihre Plattformen integriert, so wie Facebook, Google+, TikTok, LinkedIn oder das durch die Verhaftung seines Gründers Pawel Durow kürzlich in die Schlagzeilen geratene Telegram.

China hat viele dieser Dienste blockiert oder eingeschränkt und eine eigene Microblogging-Plattform auf dem Weg gebracht: Weibo gehört zu den globalen Schwergewichten der Branche; ähnlich aufgebaut wie Twitter, nutzen monatlich rund 580 Millionen vor allem chinesische User den Dienst. Weibo wird laufend von der chinesischen Zensurbehörde überwacht, "missliebige" Inhalte können so schnell gesperrt und gelöscht werden.

Wieviel Wahrheit wohl in Donald Trumps "Truth Social" steckt?Bild: Muhammad Ata/ZUMAPRESS.com/picture alliance

Selbst Donald Trump hat zwischenzeitlich eine eigene Microblogging-Seite eröffnet. Nachdem er nach dem Sturm auf das US-Kapitol von Facebook, Instagram und dem X-Vorgänger Twitter gesperrt worden war, ließ er "Truth Social" entwickeln. Der Erfolg blieb aus: Das Netzwerk beschert dem US-Präsidentschaftskandidaten mittlerweile millionenschwere Verluste - und auch die Akzeptanz unter den Usern ist relativ klein. Gerade einmal eine Million aktive User soll das Netzwerk besitzen.

Thomas Latschan Langjähriger Autor und Redakteur für Themen internationaler Politik
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