Xi Jinpings Europareise: Besuch mit viel Konfliktpotential
5. Mai 2024Als der chinesische Präsident Xi Jinping 2019 zuletzt die Europäische Union besuchte, schien das Leben noch einfach. Von COVID-19 hatte noch niemand etwas gehört, bis zur russischen Invasion der Ukraine sollten noch Jahre vergehen und Brüssel und Peking sprachen über ein Handels- und Investitionsabkommen.
Seitdem sind die Beziehungen deutlich abgekühlt. Das Abkommen wurde auf Eis gelegt, nachdem sich beide Seiten gegenseitig mit Sanktionen belegten. Und die zunehmend kämpferische Europäische Union (EU) hat eine Liste neuer Gesetze ausgearbeitet, mit dem Ziel, die Abhängigkeit von China zu verringern.
Xis Reise beginnt in Frankreich, mit anschließenden Stationen in Serbien und Ungarn. Während er in Paris die härtere Gangart der EU zu spüren bekommen wird, dürfte die Begrüßung in Belgrad und Budapest wärmer ausfallen. Serbien und Ungarn stehen Moskau und Peking eher wohlwollend gegenüber.
"Neutrale Haltung" Chinas im Ukraine-Krieg
Der französische Präsident Emmanuel Macron empfängt seinen chinesischen Amtskollegen am Montag, den 6. Mai in Paris. Ebenfalls eingeladen ist die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen. Die Gespräche werden "sehr politisch" sein, betont das Büro des französischen Präsidenten. Wichtigstes Thema dabei: die unterschiedliche Haltung zu Russlands Krieg in der Ukraine.
Gemeinsam mit der EU hat Frankreich seit 2022 wiederholt Sanktionen gegen Moskau verhängt, China dagegen pflegt engere Beziehungen mit Russland. "Die Haltung der chinesischen Regierung war stets objektiv, neutral und ausgewogen. Sie bevorzugt keine der Parteien", betonte Chinas Botschafter in Frankreich, Lu Shaye, Anfang dieser Woche gegenüber chinesischen Medien.
Doch der französische Vorstoß könnte auf taube Ohren stoßen: Nach Macrons Besuch in China im vergangenen Jahr willigte Xi ein, den ukrainischen Präsidenten anzurufen – ohne spürbare Ergebnisse.
Der China-Wissenschaftler Emmanuel Lincot forscht am Institut Catholique de Paris und am Institut de Relations Internationales et Stratégiques. Frankreich sei die einzige Atommacht innerhalb der EU, sagt Lincot zur DW. Peking betrachte das Land daher als wichtig. Für Lincot beweist ein geplanter Besuch des russischen Präsidenten in China noch in diesem Monat jedoch die Unbeweglichkeit Pekings: "Xi Jinpings Haltung in den zentralen internationalen Fragen wird sich um keinen Millimeter bewegen."
Noch immer Streitpunkt: der Handel zwischen EU und China
Während Xis Besuchs in Frankreich wird auch an neuen Geschäftsabkommen gearbeitet werden, darunter an Plänen für neue chinesische Aufträge beim französischen Luftfahrtriesen Airbus.
Sowohl für die EU als auch für China zählt die jeweils andere Seite zu den größten Handelspartnern. Doch Europa importiert deutlich mehr aus China als es nach China exportiert und aus Brüssel ist häufig der Vorwurf zu hören, China böte keinen fairen Marktzugang. Deswegen leitete die EU im vergangenen Jahr eine Untersuchung der chinesischen Subventionen für Elektrofahrzeuge ein. Peking bezeichnete diesen Schritt als "nackten Protektionismus".
Isabelle Feng von der Freien Universität Brüssel vermutet, dass der Handel zwischen der EU und China angesichts der angespannten Beziehungen "sehr, sehr langsam" zurückgehen wird. "Die Veränderung der globalen Lieferketten braucht Zeit", sagt sie zur DW.
Serbien: Identität als Opfer verbindet
Nach seinem Besuch in Frankreich reist Xi nach Serbien. Der Zeitpunkt ist kein Zufall. Seine Ankunft fällt genau auf den 25. Jahrestag der Zerstörung der chinesischen Botschaft in Belgrad durch US-amerikanische Bomben. Damals hatte die NATO Luftschläge gestartet, um die ethnischen Säuberungsaktionen der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien gegen die Kosovo-Albaner zu beenden.
Washington entschuldigte sich für den Vorfall und bezeichnete ihn als Unfall. Für die chinesischen Todesopfer wurde eine Entschädigung bezahlt, doch viele Menschen in China glauben noch immer, dass die Botschaft absichtlich ins Visier genommen wurde.
"Für China handelt es sich um einen historischen Moment, in dem der 'böse Westen' China unmittelbar Leid zufügte. Das hat dem Narrativ, dass die globale Ordnung neu aufgebaut werden muss, viel Nachdruck verliehen" sagt Stefan Vladisavljev von der Foundation BFPE for a Responsible Society aus Belgrad.
Serbien ist offizieller EU-Beitrittskandidat. Das Land liegt wie die anderen Länder des Westbalkans an einem geopolitischen Brennpunkt, an dem verschiedene Mächte um Einfluss konkurrieren. Zwar ist die EU der wichtigste Wirtschaftspartner Serbiens, doch von 2009 bis 2021 flossen laut dem Balkan Investigative Reporting Network chinesische Investitionen in Höhe von 10,3 Milliarden Euro in das Land.
"Die chinesische Präsenz in Serbien hatte verschiedene positive Auswirkungen, aber worüber wir auch sprechen sollten – und das tun wir im Moment nicht – sind die negativen oder zersetzenden Auswirkungen chinesischen Kapitals in Serbien. Wir sprechen vor allem über die Auswirkungen auf die Umwelt", sagt Vladisavljev zur DW.
Ist Ungarn Chinas trojanisches Pferd in Europa?
Xi beendet seine Europa-Reise in Ungarn, dem Land, das am häufigsten mit Brüssel im Streit liegt. Dem chinesischen Außenministerium zufolge hat sich das "gegenseitige politische Vertrauen" der beiden Staaten in den vergangenen Jahren vertieft. Isabelle Feng findet andere Worte für diese Entwicklung: "Ungarn ist das trojanische Pferd Chinas in der EU", sagt sie zur DW. In der Vergangenheit hat Budapest Erklärungen der EU zu Hongkong blockiert und EU-Hilfen für die Ukraine sowie Sanktionen gegen Russland hinausgezögert.
Vergangenen Dienstag sagte Ungarns Außenminister Peter Szijjarto in der chinesischen Tageszeitung "The Global Times", die EU-Untersuchungen zu chinesischen Subventionen für Elektrofahrzeuge seien "wirklich gefährlich und schädlich". Sein Land wolle sich sehr dafür einsetzen, die Beziehungen zwischen der EU und China zu verbessern.
Diese Uneinigkeit innerhalb der EU sei für Peking sehr nützlich, sagt Feng. "Chinas Strategie in Bezug auf die EU war in den letzten 20 Jahren immer eine des Teilens und Herrschens."
Mit der Entscheidung, Ungarn zu umwerben und die EU-Hauptstadt zu ignorieren, sende Xi eine klare Botschaft, so Lincot. "Er möchte mit einem Europa zusammenarbeiten, das mit Brüssel unzufrieden ist. Einem Europa, das Moskau in die Karten spielt."
Adaption aus dem Englischen: Phoenix Hanzo.