Japan gedenkt toter Soldaten im Yasukuni-Schrein, mitten in der Hauptstadt Tokio. Doch jeder Besuch von ranghohen Politikern löst Empörungen aus, denn auch die Kriegsverbrecher werden dort geehrt.
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Sie waren für den Kaiser gefallen und werden im Shinto-Schrein Yasukuni verehrt. Knapp 2,5 Millionen japanische Soldaten haben in kriegerischen Auseinandersetzungen seit der Meiji-Restauration 1868 ihr Leben verloren, die allermeisten davon, über zwei Millionen, im Zweiten Weltkrieg.
Auf dem Schreingelände sind keine Toten beerdigt, vielmehr werden die Namen der Gefallenen in der Haupthalle in einem Seelenregister geführt - als "Kami", übernatürliche Wesen im Schintoismus, einer weitverbreiteten Religion in Japan. Jedes Wesen, auch Tiere und Pflanzen, wird diesem Glauben gemäß nach dem Tode ein Kami, ein verehrtes geistiges Wesen.
Kriegsverbrecher als Gott?
Zu diesen verehrten Kamis gehören auch verurteilte japanische Kriegsverbrecher des Zweiten Weltkriegs. 1948 wurden sie vom Internationalen Militärgerichtshof in Tokio wegen "Verbrechen gegen den Weltfrieden" schuldig gesprochen. 1978 nahm die private Stiftung, die nach Kriegsende Träger des Schreins wurde, heimlich die Namen von 14 angeklagten Kriegsverbrechern in das "Seelenregister" auf, als "Märtyrer der Showa-Zeit", mit der die Regierungszeit Kaiser Hirohitos bezeichnet wird (1926-1989). Seitdem der Schritt der Stiftung 1979 publik wurde, verzichtete Hirohito auf seinen bis dahin üblichen alljährlichen Besuch des Schreins.
Auf keinen Fall wollen Japans Nachbarländer wie China und Südkorea akzeptieren, dass verurteilte Kriegsverbrecher als verehrungswürdige Geister behandelt werden. Gegen jeden Yasukuni-Besuch durch japanische Politiker legen sie Protest ein. In China werden die 14 Toten als "Dämonen" bezeichnet, der Besuch als "Kotau vor Dämonen".
Alliiertes Tribunal
Nach der japanischen Kapitulation errichteten die Siegermächte in Tokio den Internationalen Militärgerichtshof für den Fernen Osten. 28 hohe japanische Militärs und Politiker wurden wegen Verbrechen gegen den Frieden (unter diesen Anklagepunkt fielen die sogenannten „Class A war criminals“), wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Sieben wurden zum Tode verurteilt und am 23. Dezember 1948 hingerichtet - dem Geburtstag des Thronfolgers Akihito. Bei weiteren Kriegsverbrechertribunalen in den von Japan angegriffenen Ländern Asiens wurden rund 1000 Todesurteile vollstreckt.
Japans verehrte Kriegsverbrecher
Die Seelen von 14 Kriegsverbrechern werden im japanischen Shinto-Schrein Yasukuni als Märtyrer verehrt. Die Deutsche Welle erklärt, wer die Täter waren und was ihnen zu Last gelegt wird.
Bild: Keystone/Getty Images
Tojo Hideki
Tojo Hideki war Premierminister von Japan (1941-1944) und Oberbefehlshaber der japanischen Armee. Er wurde für die Ermordung von mindestens vier Millionen Chinesen und biologische Experimente an Kriegsgefangenen verantwortlich gemacht. Nach der Kapitulation 1945 versuchte er, sich mit einer Pistole zu töten. Doch er überlebte. Er gestand die Taten und wurde im Dezember 1948 gehängt.
Bild: Keystone/Getty Images
Doihara Kenji
Der China-Kenner begann seine Karriere 1912 als Geheimagent in Peking. Doihara, der fließend Amtschinesisch und einige andere Dialekte sprach, gründete 1932 mit dem letzten Kaiser Chinas, Puyi, das "Kaiserreich" in der Mandschurei, ein Marionettenregime unter japanischer Kontrolle. 1940 befürwortete er den Angriff auf Pearl Harbor. 1948 wurde er gehängt.
Bild: Gemeinfrei/Unbekannt
Matsui Iwane
Matsui wurde für das Nanjing-Massaker 1937 verantwortlich gemacht, bei dem innerhalb von einer Woche 300.000 Menschen getötet wurden. Historiker glauben heute, dass die Entscheidung für das Blutbad im Kaiserhaus gefällt wurde. Der Kaiser wurde allerdings nie angeklagt. DasTribunal verurteilte Mutsui zum Kriegsverbrecher der Klasse B. Er wurde 1948 hingerichtet.
Bild: Gemeinfrei
Heitaro Kimura
In Ostchina führte Heitaro 1939 einen brutalen Krieg gegen die Streitkräfte der KP Chinas. Er richtete Konzentrationslager ein, in denen Tausende starben. 1944 kam er nach Birma und wurde dort Oberster Befehlshaber. Um die 415 Kilometer lange Eisenbahn zwischen Thailand und Birma zu bauen, setzte Heitaro Kriegsgefangene ein. Knapp 13.000 Alliierte starben. 1948 wurde er gehängt.
Bild: Gemeinfrei
Hirota Koki (2. v. l.)
Bis Februar 1937 war Hirota Koki Premierminister Japans, später Außenminister. Er wurde angeklagt, weil er das Nanjing-Massaker geduldet hatte. Hirota war der einzige zivile Politiker, der 1948 gehängt wurde.
Bild: Keystone/Getty Images
Itagaki Seishiro
Am 18. September 1931 inszenierte Itagaki einen Sprengstoffanschlag auf die Eisenbahnstrecke in der nordöstlichen Region der Mandschurei. Dieses Ereignis nutzte Japan als Vorwand, um Krieg gegen China zu führen. Später führte Itagaki Kriege in Nordkorea, Indonesien und Malaysia, bis er 1945 in Singapur kapitulierte. Er wurde für die Eskalation des Kriegs verantwortlich gemacht und 1948 gehängt.
Bild: Gemeinfrei
Muto Akira
Nach dem Ausbruch des Krieges kämpfte Muto in China und wurde für viele Gräueltaten, unter anderem das Massaker in Nanjing, verantwortlich gemacht. Nach Überzeugung des Tribunals hatte Muto "gefoltert, gemordet und Kriegsgefangene verhungern lassen".
Bild: Gemeinfrei
Matsuoka Yosuke
Unter seiner Führung verließ Japan den Völkerbund, da einige Mitgliedsstaaten Japan als Auslöser für den Krieg gegen China ansahen. Als Außenminister (1940-1941) unterzeichnete Matsuoka den Dreimächtepakt mit Nazideutschland und dem faschistischen Italien. Matsuoka starb 1946 an Tuberkulose, bevor er verurteilt werden konnte.
Bild: Gemeinfrei/Japanese book Ningen Matsuoka no Zenbo
Osami Nagano
Als Kommandeur der Marine befürwortete Osami den Angriff auf den US-Militärstützpunkt auf Pearl Harbor und ordnete 1941 den Angriff an. Zwölf US-Kriegsschiffe sanken oder wurden schwer beschädigt, mehr als 2400 US-Soldaten kamen ums Leben. Er starb 1946 an Lungenentzündung, bevor Anklage im Tokioer Prozess erhoben werden konnte.
Bild: Gemeinfrei
Toshio Shiratori
Er war der Kopf der japanischen Propaganda. Toshio war Botschafter in Italien und setzte sich dafür ein, dass Japan mit Nazideutschland und dem faschistischen Italien eine Allianz schloss. Als Berater für den Außenminister verbreitete er sein faschistisches Gedankengut "auf der Bühne" und "hinter den Kulissen". Toshio wurde zu lebenslanger Haft verurteilt und starb 1949 im Gefängnis.
Bild: Gemeinfrei
Kiichiro Hiranuma
Kiichiro war Premierminister Japans zwischen Januar und August 1939. Während dieser Zeit baute Japan seine Beziehungen zu Deutschland und Italien aus. Später galt Kiichiro als engster Berater vom Kaiser Hirohito. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, kam 1952 frei und starb im selben Jahr.
Bild: Hulton Archive/Getty Images
Kuniaki Koiso
Kuniaki war Japans Premierminister vom Juli 1944 bis April 1945 und diente in China und Nordkorea. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt, obwohl er nach Ansicht des Tribunals zwar nicht direkt an den Gräueltaten des Militärs beteiligt war, aber "die Möglichkeit gehabt hätte, diese zu verhindern". Kuniaki starb 1950 während der Haft an Krebs.
Bild: Keystone/Getty Images
Umezu Yoshijiro (2. v. l. in der ersten Reihe)
Umezu war 1939 bis 1945 Oberbefehlshaber der bis zu 700.000 Mann starken Guandong-Armee mit Sitz im Nordosten Chinas. Kurz vor Kriegsende war er gegen die Kapitulation, wurde aber vom Kaiser angewiesen die bedingungslose Kapitulation am 02. September 1945 zu unterschreiben. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt und starb 1949 in der Haft an Krebs.
Bild: AP
Shigenori Togo
Shigenori war ein Deutschlandkenner. Er sprach Deutsch, studierte Germanistik, heiratete eine Deutsche und wurde 1937 Japans Botschafter in Berlin. 1941 und 1945 wurde er zweimal zum Außenminister berufen. Er riet Japan während seiner zweiten Amtszeit zur Kapitulation und übernahm politische Verantwortung für den Krieg. Er wurde zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. 1950 starb er während der Haft.
Bild: Gemeinfrei
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Friedensvertrag von San Francisco
1951 unterzeichnete Japan den Friedensvertrag von San Francisco, wodurch die amerikanische Besatzung offiziell beendet wurde. Im Paragraf 11 des Vertrags wird die weiter geltende Rechtskraft der Tokioter Urteile geregelt: "Japan akzeptiert die Urteile des Internationalen Militärgerichtshofs für den Fernen Osten." Dennoch werden die Legitimität des alliierten Tribunals und die Urteile von manchen japanischen Juristen in Frage gestellt.
Japanische Spitzenpolitiker haben immer wieder den Kriegsschein besucht. Den Anfang machte Premier Nakasone Yasuhiro 1985, der den Schrein in offizieller Funktion besuchte, im Sinne einer neuen selbstbewusst-patriotischen Außenpolitik. Premierminister Shinzo Abe hat zuletzt im Dezember 2013 dort gebetet, als erster Premier seit 2006, als Junichiro Koizumi dort war. Massive Proteste Chinas und Südkoreas waren jeweils die Folge. In der letzten Dezemberwoche 2016 besuchten zweite Kabinettsmitglieder um Premierminister Shinzo Abe die traditionsreiche Anlage: Verteidigungsministerin Tomomi Inada und Minister für Wiederaufbau der Krisenregionen Masahiro Imamura.