1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Yildirim setzt auf kurdische Wähler

Felat Bozarslan
8. Juni 2019

Zwei Wochen vor der Wiederholung der Bürgermeisterwahlen in Istanbul besucht Binali Yildirim die Kurdenhochburg Diyarbakir. Gegenüber der DW erklärt der AKP-Kandidat, dass er auf die Unterstützung der Kurden zähle.

Binali Yildirim, den letzten und Ex-Ministerpräsidenten der Türkei und AKP Kandidat für Istanbul-Wahlen
Bild: Privat

Das Timing des Besuchs von Binali Yildirim in Diyarbakir im Südosten der Türkei ist kein Zufall: Am 23. Juni gehen die Istanbuler erneut an die Wahlurnen, um ihren Bürgermeister zu wählen. Yildirim ist der Kandidat der sogenannten "Volksallianz", dem Wahlbündnis von AKP und der nationalistischen MHP. Wie wichtig die Stimmen der kurdischen Wähler sind ist ihm sehr bewusst. Viele bewerten daher den Besuch des Politikers als Versuch, sich bei den Kurden wieder beliebt zu machen. Denn im Vorfeld der Kommunalwahlen am 31. März schlug er noch andere Töne an. Ihre Stimmen trugen zu seiner Wahlniederlage bei. Bei der Wiederholung der Wahlen soll alles anders werden. Darum diese Roadshow nach Diyarbakir, dem Herzen Ostanatoliens.

"Wir brauchen eure Unterstützung"

Das Interesse der Bevölkerung an der Kundgebung in Diyarbakirs historischem Bezirk Sur ist groß. Yildirim begrüßt seine Anhänger auf kurdisch. Gebetsmühlenartig trägt er immer wieder die Leistungen der AKP in der Region vor. Doch diesmal ändert sich die Tonalität. Denn zur Verwunderung vieler verwendet Yildirim das Wort "Kurdistan" und die Bezeichnung "PKK" in der Ausdrucksweise, wie sie von den Einheimischen und von Linken verwendet werden.

Binali Yildirim beim Bad in der Menge beim Wahlkampfbesuch in DiyabakirBild: Privat

Rund 250.000 Menschen, die aus Diyarbakir stammen, leben in Istanbul. "Wir sind gekommen, weil wir euch um eure Unterstützung bitten wollen", ruft er den Menschen zu. "Beim Kampf für die Unabhängigkeit gründete Mustafa Kemal Atatürk das Parlament in Ankara mit Repräsentanten der Völker", so Yildirim in seiner Ansprache. Unter ihnen habe es Parlamentarier aus Kurdistan, der südöstliche Schwarzmeerküste Lazistan, sowie Vertreter aus allen Teilen Anatoliens gegeben. "Diejenigen, die versuchen, uns voneinander zu trennen oder unsere Freundschaft zu zerstören, werden wir nicht belohnen", so Yildirim weiter.

"Niemand hat die kurdischen Stimmen für sich gepachtet"

In einem Exklusivinterview gegenüber der DW erklärte Yildirim, er sei nach Diyarbakir gereist, um den kurdischstämmigen Wählern aus Istanbul, die in den Feiertagen rund um das Zuckerfest zu ihren Familien in den Südosten gefahren sind, einen Besuch abzustatten.

"Bei jeder Wahl wird immer wieder um die Stimmen der kurdischen Wähler gefeilscht. Dabei hat niemand diese Stimmen für sich gepachtet", so Yildirim. Er erklärte, er habe immer auf die Unterstützung der Kurden zählen können und sei sich sicher, dass das bei den Wahlen am 23. Juni wieder tun zu können. "Denn wir haben in den vergangenen 17 Jahren viel geleistet in der Region. Wir haben uns dem Terror widersetzt." Die PKK stelle nicht nur für die Kurden ein Problem dar, sondern für die gesamte Türkei – ebenso wie die sogenannte "Fethullahistische Terrororganisation" (FETÖ) und der IS.

Nach seiner Kundgebung fuhr Yildirim in die Innenstadt von Diyarbakir. Dass sein Konvoi bei jeder roten Ampel zum Stehen kam, sorgte für Aufmerksamkeit. Er unterhielt sich mit Händlern und Passanten. Junge Leute und Frauen versuchten, ein Selfie mit ihm zu erhaschen. Aus der Menge rief ihm jemand zu: "Wir Kurden werden Imamoglu trotzen und dich als Chef wählen."

Yildirim im Gespräch mit ImbissbesitzernBild: Privat

Die Haltung der Händler in Diyarbakir gegenüber den Wahlen in Istanbul ist gespalten. Einige von ihnen wollen ihn unterstützen. Für andere gibt es ein viel wichtigeres Thema: die Wirtschaft. Bülent Gündes ist 40 Jahre alt und betreibt ein Restaurant. Die Wahlen in Istanbul beträfen ihn nicht direkt, sagt er. Doch es sei gut, dass Yildirim nach Diyarbakir gekommen sei. "Unsere Tür steht jedem offen", so Gündes.

Doch Yildirims Besuch hat auch viele Kritiker. Vor der Moschee sitzt der 45-jährige Sevket Altas und trinkt Tee. Die AKP denke immer nur dann an die Kurden, wenn sie etwas von ihnen brauche, sagt er. Dass die Kurden in Istanbul für Binali Yildirim stimmen werden, glaubt er nicht. Diese Art von Besuchen halte er nicht für aufrichtig.

"Keine großen Veränderungen bei kurdischen Stimmen"

Könnte sich also der Besuch Yildirims in Diyarbakir auf die Stimmen der Kurden in Istanbul auswirken? Vahap Coskun von der Juristischen Fakultät der Dicle Universität ist nicht davon überzeugt. Die gegen Kurden gerichtete harte Rhetorik der Volksallianz habe sie auf die andere Seite getrieben und nun versuche die AKP, die Kurden wieder zurückzugewinnen. Doch bei den kurdischen Stimmen werde es keine großen Veränderungen geben, denkt Coskun. Dass Yildirim bei seinem Besuch in Diyarbakir den Ausdruck "Kurdistan" verwendet hat, ändere daran auch nichts.