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You’re fired: Trumps Kampf und die Realität

8. August 2025

An den internationalen Finanzmärkten fragen sich Anleger, ob sie offiziellen Daten aus den USA noch glauben können. Der Grund: Trump hat wieder mal jemanden gefeuert. Ist Notenbank-Chef Jerome Powell der nächste?

USA 2008 | Donald Trump in der TV-Show The Celebrity Apprentice. Er trägt eine rote Krawatte und einen blauen Anzug
Immer im Mittelpunkt: Donald Trump im Jahr 2008 in seiner TV-Show "The Apprentice"Bild: Ali Goldstein/NBC/Everett Collection/IMAGO

US-Präsident Donald Trump ist bekannt dafür, Menschen zu feuern. "You're fired" wurde zu seinem Markenzeichen in der TV-Show "The Apprentice". Und auch als Präsident war er mit Entlassungen nicht zimperlich.

Die Kündigung von Erika McEntarfer Anfang August war trotzdem etwas besonders. Sie verlor ihre Position als Leiterin des Amts für Arbeitsmarktstatistik (Bureau of Labor Statistics) nicht etwa, weil sie Trump kritisiert oder die Republikaner gegen sich aufgebracht hätte.

McEntarfer, deren Ernennung im Januar 2024 mit großer Mehrheit (86 zu 8 Stimmen) von beiden Parteien im US-Senat bestätigt worden war, verlor ihren Job einfach deshalb, weil sie ihre Arbeit machte.

"I fired her!"

Ihr Amt legt Anfang August turnusgemäß einen Bericht zur Entwicklung des Arbeitsmarkts vor. Demnach sind in den vergangenen Monaten in den USA weniger neue Jobs entstanden als erwartet.

Wenige Stunden später entließ Trump die Statistikerin. Ihre Zahlen seien "phony", was gefälscht oder einfach nur seltsam heißen kann, sagte Trump gegenüber US-Medien und fügte hinzu: "I fired her."

Erika McEntarfer, ehemalige Leiterin des Bureau of Labor Statistics, wurde am 1.8.2025 auf Anweisung von Präsident Trump entlassenBild: U.S. Bureau of Labor Statistics/REUTERS

Was genau war passiert? "Die Zahl der neu geschaffenen Jobs musste deutlich nach unten korrigiert werden, die vorherige Prognose hat sich nicht bewahrheitet", erläutert Hendrik Mahlkow, Ökonom am Institut für Weltwirtschaft in Kiel.

"Es sind in den letzten zwei Monaten mehr als 200.000 Jobs weniger entstanden als erwartet. Das zeigt, dass Trumps Politik Gegenwind bekommt", so Mahlkow im DW-Wirtschaftspodcast.

Überbringer schlechter Nachrichten leben gefährlich

Auf seinem Kurznachrichtendienst "Truth Social" legte Trump dann nach: McEntarfer sei "inkompetent" und habe die Zahlen geändert, um ihm zu schaden.

IfW-Experte Mahlkow sieht dafür "keinerlei Anhaltspunkte". Richtig ist, dass das Amt für Arbeitsmarktstatistik zunächst eine Prognose erstellt - also eine Schätzung, wie sich der Arbeitsmarkt in den kommenden Monaten entwickeln könnte.

Die Schätzung basiert auf Umfragen. "Wenn dann später die wirklichen Zahlen vorliegen, die gemessenen Zahlen, wie viele Jobs neu entstanden sind, dann müssen die Prognosen korrigiert werden."

Korrekturen können grundsätzlich in beide Richtungen erfolgen. In diesem Fall ging es nach unten - was Trump verärgerte. "Der Kern von Trumps Politik ist, dass er sich als Wirtschaftslenker darstellt, der für Aufschwung sorgt", sagt Mahlkow. "Wenn dann wirtschaftliche Kennzahlen nicht in sein Narrativ passen, wird der Überbringer der schlechten Nachricht gefeuert."

Wer jetzt denkt: "So what? So ist Trump eben", der unterschätzt die Bedeutung von Konjunkturzahlen für die Wirtschaft.

Wie verlässlich sind sie in Zukunft? Wird bald jede Statistik vor Veröffentlichung darauf geprüft, ob sie Trump verärgern könnte? Und was ist aus der Annahme geworden, dass mit solchen Zahlen versucht wird, die Realität abzubilden?

Wer braucht die Daten?

Fragen dieser Art stellten sich auch die Anleger an den US-Börsen, wo die Kurse am Tag der Entlassung deutlich nachgaben. Die Statistik-Chefin zu feuern sei ein "vorsätzlicher Angriff auf die Integrität der US-Wirtschaftsdaten und des gesamten statistischen Systems", sagte Jed Kolko vom Peterson Institute for International Economics in Washington D.C. der BBC.

Auch die US-Notenbank Fed ist auf korrekte Arbeitsmarktdaten angewiesen. Es gehört laut Mandat zu ihren Aufgaben, mir ihrer Geldpolitik Vollbeschäftigung zu ermöglichen.

"Wenn die Fed jetzt den Daten über den Arbeitsmarkt nicht mehr vertrauen kann, dann kann auch die Geldpolitik nicht mehr verlässlich darauf reagieren", so IfW-Ökonom Mahlkow.

Jerome Powell (rechts) wurde von Trump während dessen erster Amtszeit zum Notenbank-Chef ernannt. Zuletzt hat ihn Trump allerdings oft kritisiert und beschimpft, weil Powell die Zinsen nicht weiter senken willBild: Kent Nishimura/REUTERS

Jahrezehntelang seien Wirtschaftsdaten aus den USA "so etwas wie der Goldstandard" gewesen, so Mahlkow. "Für so eine große Volkswirtschaft so gute und detaillierte Daten zu haben, das hat die USA ausgezeichnet. Und das erodiert jetzt."

Werden die USA so wie China?

Wohin das führen kann, sieht man schon heute in China, nach den USA die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Dort legt die kommunistische Führung großen Wert darauf, dass ihre Pläne auch eingehalten werden - mit dem Ergebnis, dass das Vertrauen in die offiziellen Angaben zum Wirtschaftswachstum gering ist.

"Investoren, Banken internationale Organisationen betreiben einen großen Aufwand, um den vermeintlich wahren Zahlen auf die Spur zu kommen", sagt Mahlkow. So werden etwa offizielle Zahlen zum chinesischen Warenexport mit den Importdaten anderer Volkswirtschaften verglichen, oder es wird versucht, von Daten zur Mobilität Rückschlüsse auf die Wirtschaftsaktivitäten zu ziehen.

Auch chinesische Containerschiffe werden beobachtet, um Rückschlüsse auf die wirkliche Wirtschaftslage des Landes zu erhaltenBild: AFP/Getty Images

So groß ist die Skepsis gegenüber US-Daten noch nicht, so Mahlkow. "Aber die Entwicklung der letzten Monate zeigt, wie schnell eine jahrzehntelang gewachsene Vertrauensbasis erodiert."

Wer ist der nächste?

Zumal Vertrauen ohnehin selten ist in einer Zeit, da sich Zoll-Drohungen, Deals und Deadlines im Wochenrhythmus ändern.

"Trump hat uns allen beigebracht, dass Regeln für ihn und die USA nicht mehr gelten. Jetzt gibt es nur noch das Recht des Stärkeren, und es wird permanent ausgetestet, wie weit man gehen kann", sagt Florian Heider, wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung und Professor an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

Die damit verbundene Unsicherheit sei eigentlich Gift für die Finanzmärkte. Die hatten sich zuletzt wieder etwas erholt, weil Anleger dachten, die schlimmsten Auswüchse mit den "reziproken Zöllen" seien überstanden.

Ein weiteres "You're fired" von Trump könnte dagegen schnell für Panik sorgen. "Er braucht nur den Zentralbank-Chef Jerome Powell zu feuern, weil er endlich niedrigere Zinsen haben will", so Heider im DW-Podcast. "Wirtschaft im Gespräch". "Damit hinterfragt er die Unabhängigkeit der Zentralbank. Und dann kann es ganz schnell wieder bergab gehen."

Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.
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