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Politik

Afrika: Zäher Kampf gegen Beschneidung

Friederike Müller-Jung
5. Februar 2018

Traditionelle Beschneiderinnen sind in Afrika oft hoch angesehen. Hartnäckige Überzeugungsarbeit bringt dennoch viele dazu, den Beruf zu wechseln. Aber es gibt auch Rückschritte im Kampf gegen Genitalverstümmelung.

Symbolbild FGM
Bild: picture alliance/dpa/EPA/UNICEF/HOLT

Dieynaba Sow sitzt vor ihrem Haus, neben ihr spielen ihre zwei kleinen Töchter und ihr Sohn. Bis vor anderthalb Jahren hat die Senegalesin als Beschneiderin gearbeitet, hat jungen Mädchen Teile der Klitoris oder der Schamlippen entfernt. "Ich habe das Beschneiden von meiner Mutter gelernt und sie von ihrer Mutter", erzählt die 33-Jährige dem DW-Korrespondenten. "Als Kind bin ich mit meiner Mutter mitgegangen. Dann wurde sie krank und hat gespürt, dass sie nicht mehr lange leben würde. Da hat sie mir alles beigebracht."

Nach Informationen des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) sind im Senegal fast ein Viertel aller Frauen zwischen 15 und 49 Jahren beschnitten. In den meisten Fällen findet die Beschneidung im Kindesalter statt. Dabei werden den Mädchen zum Beispiel die Klitoris oder Teile der Schamlippen verletzt oder entfernt. Teilweise wird die Vagina danach bis auf eine kleine Öffnung für Urin und Blut zugenäht. Die Beschneidung mit oft ungereinigten Messern oder anderem Werkzeug kann lebensbedrohlich sein, wenn die Mädchen viel Blut verlieren oder sich mit Keimen infizieren. Beschnittene leiden oft ihr ganzes Leben unter den Folgen.   

Die Töchter der ehemaligen Beschneiderin sind nicht beschnitten

Gesetzlich ist das Beschneiden von Mädchen im Senegal schon seit 1999 verboten. Doch ein Gesetz allein stoppt die Tradition nicht: In Dieynaba Sows Fall brauchte es hartnäckige Überzeugungsarbeit. Frauen aus ihrem Ort, die einer Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne zur Frauengesundheit angehören, hätten sie schließlich davon überzeugt, das Beschneiden aufzugeben, erzählt Sow. Auch ihre beiden Töchter, vier und sechs Jahre alt, sind nicht beschnitten. 117 Dörfer in der Region, in der die ehemalige Beschneiderin Sow lebt, haben sich seit dem vergangenen Jahr von der Beschneidung abgewandt. Trotzdem ist der Kampf gegen die Genitalverstümmelung im Senegal noch nicht zu Ende.

Dieynaba Sow arbeitet nicht mehr als BeschneiderinBild: DW

Gerade der Einsatz von Menschen aus der Gemeinschaft sei dabei extrem wichtig, sagt Renate Staudenmeyer von der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes. Entscheidungen wie die von Dieynaba Sow begrüßt sie. "Dieser Schritt ist sehr, sehr groß für die aktiven Beschneiderinnen. Sie verlieren nicht nur ihr Einkommen, sondern auch den gesellschaftlichen Status." Ex-Beschneiderin Sow erhielt in der Anfangszeit Unterstützung einer Nichtregierungsorganisation. Heute verkauft sie Eis.

Gesetzliche Verbote stärken Aktivisten den Rücken

Terre des Femmes engagiert sich in verschiedenen afrikanischen Ländern gegen die weibliche Genitalverstümmelung, zum Beispiel im westafrikanischen Burkina Faso. Wie im Senegal ist die Beschneidung von Frauen und Mädchen dort verboten, seit mehr als 20 Jahren. "Gerade in Burkina Faso bekommt man mit, dass von einer Generation zur nächsten die Rate der weiblichen Genitalverstümmelung sehr stark zurückgeht, während sie in Ländern wie Sierra Leone gleichbleibend hoch ist", sagt Staudenmeyer im DW-Interview.

Mädchen in Sierra Leone bei einem Theaterstück gegen GenitalverstümmelungBild: picture-alliance/Plan International

Sierra Leone hat als eines der wenigen betroffenen Länder in Afrika bislang kein Gesetz gegen Genitalverstümmelung erlassen. Laut UNESCO sind dort neun von zehn Mädchen und Frauen beschnitten. "Auch dort gibt es Organisationen der Zivilbevölkerung, die aufklären. Sie sind aber gesellschaftlich weniger anerkannt, weil sie  keine gesetzliche Legitimation hinter sich haben", sagt Staudenmeyer.

Kenianische Ärztin gegen Beschneidungsverbot

Während Aktivisten in Sierra Leone für ein Verbot der weiblichen Beschneidung kämpfen, versucht eine Ärztin in Kenia gerade, ein solches Gesetz rückgängig zu machen. In dem ostafrikanischen Land ist weibliche Genitalverstümmelung verboten, viele Beschneidungen werden illegal durchgeführt. "Ich fordere, dass das Gesetz zurückgenommen wird und dass wir unsere Kultur wieder legal ausüben können - und zwar auf die bestmögliche Weise, als medizinischer Eingriff", sagt die Ärztin Tatu Kamau. "Die weibliche Beschneidung gehört zu unserem kulturellen Erbe. Wenn wir sie verbieten, verneinen wir unsere afrikanischen Wurzeln."

Mädchen oder Frauen sollten selbst entscheiden können, was mit ihrem Körper geschieht, wenn sie alt genug dafür seien, so ihre Argumentation. Am 26. Februar soll ihre Klage angehört werden. In Kenia wird Kamau für ihre Forderungen scharf kritisiert. "Auch wenn die Beschneidung im Krankenhaus stattfindet, bleiben die Risiken hoch. Und es gibt absolut keinen gesundheitlichen Nutzen", sagt die kenianische Anwältin Sofia Rajab Leitepan.

Staudenmeyer von Terre des Femmes sieht das ähnlich: Die gesetzliche Erlaubnis zur Beschneidung unter bestimmten Bedingungen lehnten ihre Organisation und die Partner vor Ort strikt ab, sagt sie. "Das verharmlost die strukturelle Gewalt, die dahintersteckt. Weibliche Genitalverstümmelung ist eine der extremsten Frauenrechtsverletzungen, die es auf der Welt gibt. Das darf nicht mehr sein."

Mitarbeit: Mamadou Lamine Ba (Senegal), Andrew Wasike (Kenia)

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