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Varoufakis sieht Fortschritte

Bernd Riegert8. Mai 2015

Griechenland und die Geldgeber verhandeln ohne Pause. Finanzminister Yanis Varoufakis geht in eine neue diplomatische Offensive. Trotzdem ist kein Ende in Sicht. Von Bernd Riegert, Brüssel.

Yanis Varoufakis auf dem 'European Business Summit 2015' (Foto: DW)
Bild: DW/B. Riegert

In einem Punkt sind sich die griechische Regierung und die Verhandlungspartner in Brüssel wenigstens einig: Die nächste Sitzung der Finanzminister der Euro-Gruppe am Montag wird keine Lösung im Streit um die nächsten Hilfsgelder für Griechenland bringen. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis, der in dieser Woche gleich zweimal Brüssel besuchte und auch nach Rom, Paris und Madrid reiste, vermittelte den Eindruck, dass es Fortschritte geben könnte. "Der Montag könnte eine Plattform für weitere konstruktive Gespräche sein", orakelte Varoufakis in Brüssel. Man sei sehr viel näher beieinander. Eine Einigung sollte in absehbarer Zeit möglich sein.

"Wir werden weiter verhandeln, bis es einen Kompromiss gibt", sagte Varoufakis bei einem öffentlichen Diskussionsforum in Brüssel. "Aber wir werden nicht von unseren Prinzipien abrücken." Die bisherige Sparpolitik müsse beendet werden, man brauche einen Investitionsplan und eine Entwicklungsbank für Griechenland. Außerdem sollten die faulen Kredite, die noch bei griechischen Banken liegen, in eine "Bad Bank" zur Abwicklung ausgelagert werden. Bei gleich drei öffentlichen Auftritten entwarf Varoufakis erneut große akademische Analysen für sein Land. Die Verhandlungspartner von der EU-Kommission, vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und von der Europäischen Zentralbank (EZB), jetzt "Brüssel-Gruppe" genannt, erwarten allerdings konkrete Vorschläge für kurzfristig wirksame Reformen. Sie sind Voraussetzung dafür, dass die noch verfügbaren 7,2 Milliarden an Hilfskrediten an Griechenland ausgezahlt werden können, heißt es von EU-Diplomaten.

Einigung nicht in Sicht

Balance gesucht: Reformen gegen KrediteBild: picture-alliance/dpa/Ohlenschläger

Parallel zur neuen diplomatischen Initiative wurde in der "Brüssel-Gruppe" weiter verhandelt. Bislang, so heißt es nach unbestätigten Angaben, seien die Fortschritte nicht ausreichend. Eine umfassende Einigung sei überhaupt noch nicht in Sicht. Griechenland lehnt eine weitere Kürzung von Leistungen - etwa an Rentner - strikt ab. Die Geldgeber sind verstimmt, weil das griechische Parlament die Wiedereinstellung von 4000 Beschäftigten beschlossen hat, die im Zuge der Sparmaßnahmen entlassen worden waren. Yanis Varoufakis, der am Anfang der Woche noch entmachtet schien, wies in Brüssel darauf hin, dass er fest im Sattel sitze. In der griechischen Regierung herrsche "Teamwork", deshalb sei die Bestallung eines neuen Verhandlungsführers durch Ministerpräsident Alexis Tsipras nichts Ungewöhnliches.

"Neugierig bleiben"

Auf die Frage, ob er nach 100 Tagen im Amt noch Freude an seiner Arbeit habe, antwortete Varoufakis, das Amt sei bis jetzt eine große Herausforderung. Er vermisse die akademische Welt mit ihrer wissenschaftlichen Neugierde. Varoufakis war vor seinem Wechsel in die Politik Professor für Wirtschaftslehre: "Ich versuche aber, die Neugierde mit in die Politik zu bringen." Der Politik-Stil von Yanis Varoufakis hatte bei seinen Finanzminister-Kollegen in der Euro-Gruppe bei der letzten Sitzung vor zwei Wochen zu heftigen verbalen Attacken und Kritik geführt, wie Teilnehmer berichtet hatten. Jetzt sagte Varoufakis dem Westdeutschen Rundfunk in Brüssel bescheiden: "Das stimmt nicht. Es gab eine intensive Debatte, aber kein Kreuzverhör." Die menschlichen Beziehungen in der Euro-Gruppe seien in Ordnung, meinte der griechische Ressortchef weiter: "Sie dürfen nicht alles glauben, was in den Zeitungen steht."

Varoufakis gestand ein, dass er viele Abläufe und Regeln in der Finanzministerrunde nicht kannte. "Da sitzen einfach zu viele Leute für echte Verhandlungen. Jeder kann nur zehn Minuten reden und das war es dann auch schon." Deshalb versuchte Varoufakis wohl erneut, in einer ganzen Reihe von einzelnen Gesprächen mit Amtskollegen und dem zuständigen EU-Kommissar Pierre Moscovici, Kompromisse auszuloten. Um Berlin, wo der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble darauf besteht, dass Griechenland seine Zusagen einhält, machte Varoufakis allerdings einen Bogen. Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras telefonierte mehrmals in dieser Woche mit dem Präsidenten der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker - offenbar in der Hoffnung, dass dieser vermitteln könnte.

Der Finanzminister von Österreich, Hans Jörg Schelling, sagte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters: "Wir haben nichts, was einer Lösung irgendwie schon nahe kommt." Der Vorsitzende der Euro-Gruppe, Jeroen Dijsselbloem, warnte, die Verhandlungen könnten sehr schnell zu Ende sein, wenn Griechenland das Geld auf dem Weg ausgehe. Wie lange die Links-Rechts-Koalition in Athen das Land noch über Wasser halten und seine Schulden bedienen kann, ist unklar. Am 12. Mai, einen Tag nach der Euro-Gruppen-Sitzung, werden 750 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) fällig.

Österreichs Finanzminister Schelling: Nichts NeuesBild: picture alliance/APA/picturedesk.com

Hoffnung auf Eingreifen der Zentralbank

Ein Regierungssprecher in Athen sagte, am Montag wolle man bei der Sitzung mit den Finanzministern wenigstens eine politische Erklärung erreichen, dass Griechenland auf einem guten Weg sei. Diese Erklärung könnte es der Europäischen Zentralbank dann ermöglichen, ihre Liquiditätshilfen für griechische Banken und den Staat wieder auszuweiten, sagte Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis vor Reportern. In Brüssel haben die EU-Diplomaten allerdings nicht den Eindruck, dass sich die Europäische Zentralbank auf dieses Geschäft einlassen würde. Die EZB hatte die Notfallkredite für griechische Banken, das ELA-Programm, erneut um zwei Milliarden Euro ausgeweitet. Damit nähert sich das Programm einem Volumen von 80 Milliarden Euro. Die Ausgabe neuer kurzfristiger Staatsanleihen (T-Bills) durch die griechische Regierung an ihre eigenen Banken hat die EZB praktisch unterbunden. Sie soll erst wieder aufgenommen werden können, wenn sich Griechenland mit den Geldgebern in der "Euro-Gruppe" einigt.

inig sind sich Griechenland und seine Geldgeber in einem anderen Punkt: Einen Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Währungsgemeinschaft, den Grexit, soll es nicht geben. "Das ist keine Alternative", so der österreichische Finanzminister Schelling. "Dieser Gedanke verbietet sich", sagte der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis. "Wir können es uns nicht leisten zu scheitern." Der Wille zu Reformen in Griechenland sei da. Die Liste mit Reformen, die er der Euro-Gruppe vorgetragen habe, sei ausreichend und umfassend.

"Der Staat als Feind Nummer eins"

Sehr offen und schonungslos fiel die Analyse aus, die Yanis Varoufakis bei einem Treffen mit Wirtschaftsführern in Brüssel ausbreitete: "Der griechische Staat ist in einer schlechten Verfassung. Das liegt an den Griechen. Für viele Griechen ist der Staat nämlich der Feind Nummer eins, vor allem wegen der überbordenden ineffizienten Bürokratie." Was Griechenland jetzt brauche, sei ein Riesensatz nach vorne.

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