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HandelChina

Was, wenn China und Indien kein russisches Öl mehr kaufen?

Nik Martin
11. August 2025

Donald Trump stopft Schlupflöcher bei Sanktionen gegen Russland. Was bedeutet ein hartes Vorgehen gegen den russischen Ölhandel für die Weltmärkte - und für Wirtschaftsmächte wie China und Indien?

Ein größer Öltanker wird mit Hilfe eines Schleppers im Hafen von Qingdao in China angelegt
China und Indien haben die EU als größten Importeur russischen Öls ersetztBild: AFP

Indien und China kritisieren die angedrohten sekundären Sanktionen durch US-Präsident Donald Trump, weil die beiden Staaten weiter russisches Öl kaufen. Sekundäre Sanktionen sind Strafen für Geschäfte mit einem sanktionierten Land. Beide Nationen erklärten, ihre Energiesicherheit und wirtschaftliche Souveränität gegen das zu schützen, was Peking als "Zwang und Druck" seitens der Vereinigten Staaten bezeichnete. 

Indien warf dem Westen unterdessen Heuchelei vor und betonte, dass die Europäische Union weiterhin russische Energie importiert, obwohl sie ihre Abhängigkeit davon seit Kriegsbeginn massiv reduziert hat.

Neu-Delhi wies außerdem darauf hin, dass Washington die Ölkäufe Indiens aus Russland, die kurz nach der russischen Invasion in die Ukraine hochgefahren wurden, aktiv unterstützt habe, um den globalen Ölpreis zu stabilisieren. Indiens Öleinkäufe aus Russland stiegen von 2021 bis 2024 um fast das 19-fache, von 0,1 auf 1,9 Millionen Barrel pro Tag, während Chinas Einkäufe um 50 Prozent auf 2,4 Millionen Barrel pro Tag zunahmen. 

Petras Katinas, ein in Litauen ansässiger Energieanalyst am Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA), erklärte der DW, dass Indien - Russlands zweitgrößter Ölabnehmer - zwischen 2022 und 2024 bis zu 33 Milliarden US-Dollar an Energiekosten eingespart habe. Moskau hatte demnach große Preissenkungen angeboten, als die USA und Europa ihre Abhängigkeit von russischem Öl und Gas verringerten. Die Entscheidung zum Kauf von vergünstigtem russischem Rohöl wurde von Indiens langjähriger Politik "unterstützt", die Beziehungen zu den USA, Russland und China in der Waage zu halten, ohne einer Seite Vorrang einzuräumen, so Katinas. Neu-Delhi habe "der Energiesicherheit und Erschwinglichkeit Vorrang eingeräumt".

Trumps neue Sanktionsdrohung verunsichert die Märkte

Nachdem Trump bereits Zölle von 25 Prozent auf indische Importe verhängt hatte, unterschrieb er am Mittwoch ein Dekret, mit dem er dieselben Waren mit zusätzlichen Zöllen von 25 Prozent belegt - wegen Indiens Öl-Käufen aus Russland. Die Ölpreise stiegen daraufhin. Indische Medien berichteten, dass die neue Abgabe die Ölrechnung des Landes um bis zu elf Milliarden Dollar in die Höhe treiben könnte.

Neu-Delhi bezeichnete die zusätzliche Abgabe als "unfair, ungerechtfertigt und unangemessen". Trump erklärte, die Zölle würden in 21 Tagen in Kraft treten, um Indien und Russland Zeit zu geben, mit der Regierung über die Einfuhrzölle zu verhandeln.

Sekundäre Sanktionen wären ein weiterer schwerer Schlag für die russische Wirtschaft, die bereits unter den westlichen Sanktionen leidet. Russland Haushalt ist enorm unter Druck: Die Militärausgaben übersteigen mittlerweile sechs Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Einige Analysten schätzen die reale Inflationsrate auf 15 bis 20 Prozent gegenüber den offiziellen neun Prozent.

Indien könnte Ölhandel mit Russland verringern

Für die globalen Märkte könnten neue Sanktionen einen Schock für die Energiepreise und Handelsströme bedeuten. Ähnlich wie 2022, als der Ölpreis in die Höhe schoss und Russland die westlichen Sanktionen umging, indem es mit zwei der größten Volkswirtschaften der Welt Energieabkommen zu ermäßigten Preisen abschloss.

Indische Raffinerien verarbeiten russisches Rohöl zu Diesel und Kerosin, von dem ein Großteil anschließend gewinnbringend nach Europa und Asien exportiert wird.Bild: Biju Boro/AFP

"Hätte Indien [2022] kein russisches Rohöl gekauft, kann man nur spekulieren, wie hoch der Ölpreis gewesen wäre - 100 Dollar (86 Euro), 120 Dollar, 300 Dollar [pro Barrel]", sagt Sumit Ritolia, ein in Neu-Delhi ansässiger Ölanalyst des Handelsforschungsinstituts Kpler, zur DW. In den Wochen vor der Invasion bewegte sich WTI-Rohöl wischen 85 und 92 Dollar pro Barrel.

Trumps 25-prozentige Sekundär-Zölle könnten Indien nun keine andere Wahl lassen, als zumindest einen Teil seines Ölhandels mit Russland zurückzufahren. Weitere Sanktionen würden die Lage nur noch verschlimmern. Katinas sagt, sekundäre Sanktionen würden "den Einsatz erheblich erhöhen", den Zugang indischer Unternehmen zum US-Finanzsystem gefährden und Banken, Raffinerien und Reedereien angesichts ihrer Integration in die globalen Märkte ernsthaften Auswirkungen aussetzen".

Ölpreise könnten stark steigen

Sollten Russlands fünf Millionen Barrel pro Tag plötzlich vom Ölmarkt genommen werden, könnten die Ölpreise nach Ansicht von Analysten erneut steigen, da die betroffenen Länder sich um alternative Quellen bemühen müssten. Selbst die kürzliche Produktionssteigerung des Ölkartells OPEC wäre der Ersatz einer so großen Menge angesichts begrenzter Kapazitätsreserven und logistischer Einschränkungen kurzfristig außerordentlich schwierig.

"Es gibt keine Möglichkeit, diese fünf Millionen [Barrel] schnell genug zu beschaffen, um einen Anstieg der Ölpreise zu verhindern", sagte Alexander Kolyandr, Senior Fellow am Center for European Policy Analysis, der britischen Zeitung "The Independent".

Ritolia sagt der DW, indische Unternehmen könnten bis zu einem Jahr brauchen, um ihre Abhängigkeit von russischem Öl zu verringern, falls dies erforderlich sein sollte.

Ölpreisanstieg würde Inflation anheizen

Höhere Ölpreise würden sowohl in den USA als auch weltweit die Inflation vergrößern. Die US-Notenbank schätzt, dass jeder Anstieg des Rohölpreises um zehn Dollar die Inflation in den USA um etwa 0,2 Prozentpunkte erhöht. Die indische Zentralbank kam zu einem ähnlichen Schluss.

Im schlimmsten Fall, wenn die Preise von derzeit 66 Dollar pro Barrel auf 110 bis 120 Dollar pro Barrel steigen würden, würde ein Inflationsanstieg von etwa einem Prozentpunkt die Kosten für Verbraucher und Unternehmen in die Höhe treiben - insbesondere in den Bereichen Energie, Transport und Lebensmittel.

China verschont, während Indien leidet?

Katinas sagt, China, dessen Gesamthandel mit den USA mehr als viermal so groß ist wie der Indiens, könnte von den neuen US-Maßnahmen "ausgenommen sein". Mit einem Handelsvolumen von über 580 Milliarden US-Dollar zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt verfügt China aufgrund seiner schieren wirtschaftlichen Größe über eine Verhandlungsmacht, die Indien fehlt.

Chinas Macht über Seltene Erden - ein anhaltender Streitpunkt in den Beziehungen zwischen den USA und China - könnte ein weiterer Hebel sein, den Peking einsetzt, um Trumps Temperament zu zügeln.

Da Indien nicht über vergleichbare Einflussmöglichkeiten verfügt, hat Trump Anfang vergangener Woche seinen Druck auf Neu-Delhi verstärkt und erklärt, dass die voraussichtlichen Auswirkungen seiner neuen Sanktionen gegen Russland und Indien "ihre toten Volkswirtschaften gemeinsam zu Fall bringen" würden.

Indiens Öl-Importe aus Russland steigen

Indien profitiert inzwischen nicht mehr in gleichem Maße vom russischen Öl wie noch 2022, als die Preisnachlässe zwischen 15 und 20 Dollar pro Barrel lagen. Diese Marge hat sich laut Ritolia von Kpler nun auf etwa fünf Dollar verringert.

Indiens Wirtschaft konnte durch vergünstigte russische Ölimporte Milliarden einsparenBild: Arun Sankar/AFP

Um seine Kriegskasse wieder aufzufüllen, maximiert Russland aggressiv seine Energieeinnahmen, gestützt durch die steigende Nachfrage aus der Türkei - mittlerweile sein drittgrößter Ölkunde - und aus ganz Asien. Dort wird russisches Rohöl heimlich umetikettiert und reexportiert, um amerikanische Sanktionen zu umgehen.

Dennoch kaufen indische Raffinerien weiterhin. Die Importe erreichten im Juni mit 2,08 Millionen Barrel pro Tag ein Elf-Monats-Hoch und machten 44 Prozent der gesamten Rohölimporte Indiens aus.

Wie China und Indien handeln

Abgesehen von der Rhetorik reagiert China wahrscheinlich ähnlich wie früher auf sekundäre Sanktionen. Chinesische Banken lehnen russische Transaktionen zunehmend ab, selbst in Yuan. Das zwingt Moskau, sich auf undurchsichtige Zwischenhändler und Lösungen mit Drittstaaten einzulassen. 

Für Peking sind Ölimporte eine Priorität, die weitgehend vor politischem Druck geschützt ist, während Indien sich eher absichern dürfte: Bei Druck werden die Einkäufe reduziert, aber das vergünstigte russische Rohöl wird nicht vollständig aufgegeben.

Ritolia spekuliert, dass Indien seine russischen Ölimporte "reduzieren" könnte, fügt jedoch hinzu: "Ich glaube nicht, dass sie in absehbarer Zeit auf Null gehen werden."

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen von Marco Müller adaptiert.

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