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Zürcher: "Zu wenig Kontinuität in Afghanistan"

Nina Werkhäuser13. März 2014

Christoph Zürcher, Politologe und Gutachter des Entwicklungsministeriums, erklärt im DW-Interview, was sich durch die neue Entwicklungsstrategie der Bundesregierung für Afghanistan verändert.

Politikwissenschaftler Christoph Zürcher (Foto: privat)
Bild: Christoph Zürcher

Deutsche Welle: Welche deutschen Entwicklungsprojekte in Afghanistan sind besonders erfolgreich und warum?

Christoph Zürcher: Sehr erfolgreich finde ich die Projekte, die dicht bei den Leuten sind, also am sogenannten "Grassroot-Level" ansetzen: Ob das ein Brunnen ist, eine Schule oder Gesundheitsversorgung - diese Hilfe kommt wirklich an und wird von der Bevölkerung auch honoriert, wie unsere Umfragen zeigen. Es sind also häufig die kleinen Dinge, die erstaunlich gut funktionieren.

Was ändert sich in der neuen Entwicklungsstrategie der Bundesregierung für Afghanistan?

Die Strategie wird nicht grundlegend umgestaltet, aber sie wird fokussiert. Wichtiger als bisher wird künftig die nachhaltige Wirtschaftsentwicklung sein, es sollen Arbeitsplätze geschaffen werden. Außerdem versucht die Bundesregierung bewusst, das Portfolio an das Risiko anzupassen: Wenn etwa ein ganz teures Projekt erst in fünf Jahren funktioniert, sich bis dahin aber die Sicherheitslage verschlechtert hat, dann läuft gar nichts mehr. Man versucht daher, den Risikoanteil des Portfolios ein wenig zu verringern. Insgesamt ist das aber kein kompletter Richtungswechsel, zu dem es auch gar keinen Anlass gibt, sondern eher eine Feinjustierung.

Wirkt sich der Abzug der internationalen Sicherheitstruppe ISAF auch auf die Entwicklungshilfe aus?

Nicht direkt. Wenn die politische Lage in Kabul nach den Wahlen relativ stabil bleibt, dann macht es für die tägliche Arbeit keinen großen Unterschied, ob da NATO-Truppen sind oder afghanische. Im Norden hat die ISAF die Sicherheitsverantwortung schon an die Afghanen übergeben, und die Entwicklungshilfe findet genauso statt wie zuvor. Ich will nicht ausschließen, dass es sogar etwas besser geht, denn die ISAF-Truppe war nicht besonders beliebt. Die Afghanen trauen ihren eigenen Sicherheitskräften durchaus zu, das zu handhaben.

Wahlplakate in AfghanistanBild: Reuters

Es hängt also vom künftigen afghanischen Präsidenten ab, wie es mit der internationalen Hilfe weitergeht?

Genau. Es hängt viel davon ab, ob der neue Präsident die Eliten zusammenhalten kann, ob er einen Ausgleich zwischen dem Norden und dem Süden sowie zwischen den verschiedenen ethnischen und ideologischen Gruppen findet. Von außen kann das relativ wenig beeinflusst werden.

Deutschland leistet seit 2002 Entwicklungshilfe in Afghanistan. Wie hat sich die Zusammenarbeit mit den afghanischen Stellen über die Jahre entwickelt?

Es gibt zu wenig Kontinuität. Die Politik ist sehr volatil, in Kabul werden immer wieder Minister ausgetauscht, auf der Ebene der Provinzen ist es kaum anders. Ich glaube, am sinnvollsten und stabilsten ist die Zusammenarbeit auf Distrikt-Ebene. Aber insgesamt ist das ein ganz großes Problem, dass von heute auf morgen alle Partner abgezogen werden können und Netzwerke zusammenbrechen.

Trotz der massiven internationalen Hilfe ist Afghanistan nach wie vor ein sehr armes Land, in dem es vielen Menschen am Nötigsten mangelt. Wie kommt das?

Man macht sich oft ein sehr falsches Bild von dem, was Entwicklungshilfe leisten kann. Sie kann tatsächlich nur einen ganz kleinen Bereich beeinflussen. Daneben gibt es Faktoren, die wesentlich stärker wirken, etwa die politischen oder klimatischen Bedingungen. Zum Beispiel haben zwischen 2009 und 2011 ein schlechter Winter, ein schlechter Sommer und die globale Weizenkrise in Afghanistan zunichte gemacht, was Millionen Euro an Entwicklungshilfe davor aufgebaut hatten. Das sind Faktoren, die fast nicht zu kontrollieren sind. Die Frage ist daher, wie die Mittel am wirksamsten eingesetzt werden können - und da muss man immer besser werden.

Christoph Zürcher ist Professor für Politikwissenschaften an der Universität Ottawa in Kanada. Sein Forschungsschwerpunkt sind die Ursachen von Bürgerkriegen, Demokratisierungsprozesse in Nachkriegsgesellschaften und der Zusammenhang von Entwicklungshilfe und Stabilisierung in Nachkriegsgesellschaften. Zürcher arbeitet als externer Gutachter für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zum Thema Afghanistan.

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