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Politik

Zaghaft vorwärts

Kay-Alexander Scholz
1. Juli 2018

In Augsburg, also unweit des aktuellen Epizentrums deutscher Politik in München, diskutierte die "Alternative für Deutschland" (AfD) über ihre Zukunft. Für die Rechtspopulisten spielt Bayern dabei eine besondere Rolle.

Augsburg Namensschilder auf dem AfD Parteitag
Bild: Reuters/W. Rattay

Wie ist es um Deutschlands Rechtspopulisten bestellt? Zumindest verlief der Parteitag der AfD recht unspektakulär, war aber aufschlussreich, was die innere Verfasstheit der "Alternative für Deutschland" angeht, bei der wirtschaftsliberale und Nationalkonservative um den künftigen Kurs ringen.

Immerhin einigten sich die knapp 500 Delegierten am Wochenende in Augsburg im Bundesland Bayern auf einen Fahrplan für eine sogenannte parteinahe Stiftung. Solche Stiftungen haben alle anderen Parteien im Bundestag auch. Seit Mitte der 1950er-Jahre sind sie ein wichtiger Bestandteil der politischen Bildungsarbeit, der Förderung von Demokratie im In- und Ausland. Das Geld dafür kommt direkt aus dem Bundeshaushalt. Im Jahr 2017 waren das rund 580 Millionen Euro. Von diesem Kuchen will die AfD zukünftig ein Stück abbekommen. Es wären rund 70 Millionen - zur freien Verfügung.

Prominente Stiftungspräsidentin mit CDU-Vergangenheit

Rund 60 Prozent der Delegierten stimmten für eine sogenannte Desiderius-Erasmus-Stiftung. Sie wird von einem ehemaligen CDU-Mitglied, der 74-jährigen Erika Steinbach, geführt. Die rechtskonservative Politikerin war über viele Jahre Präsidentin des "Bundes der Vertriebenen". Anfang 2017 - nach 40 Jahren Mitgliedschaft - trat sie aus Protest aus der CDU aus. Im Bundestag sei die "Demokratie Schritt für Schritt zu Grabe" getragen worden, begründete sie jetzt ihren Schritt in einer von den AfD-Delegierten gefeierten Rede. Mitglied der AfD ist sie noch nicht, aber ihr Tonfall passte schon gut zum Ton im Saal.

Ex-CDU-Politikerin Steinbach: "Demokratie Schritt für Schritt zu Grabe getragen"Bild: picture-alliance/dpa/M. Balk

Hinter der Erasmus-Stiftung stehen vor allem die Wirtschaftsliberalen in der Partei. Wann das Geld fließt, ist noch ungewiss. Eigentlich erst, wenn eine Partei es zweimal in den Bundestag geschafft hat. Doch die AfD will das ändern. Ein weiterer Verein, getragen von den Nationalkonservativen, hatte sich auf dem Augsburger Parteitag ebenfalls beworben, die Stiftungsfunktion zu übernehmen. Doch der schon 2011 gegründete, damals von einer AfD-Vorläuferpartei getragene Gustav-Stresemann-Verein unterlag.

Auch bei der Neubesetzung des Bundesschiedsgerichts, also der obersten Schlichtungsstelle bei Streit in der AfD, setzten sich eher liberale Kandidaten durch.

Extreme Mitglieder - vom Umgang mit "Jugendsünden"

Eine vorgeschlagene Satzungsänderung zum "Schutz vor Extremisten", wie es hieß, fand dagegen nicht die nötige Zweidrittelmehrheit. Was die Nationalkonservativen stärkt. Es bleibt also wie bisher: Die Landesverbände entscheiden selbst, ob jemand in die AfD aufgenommen werden kann, auch wenn er zuvor in rechtsextremen Parteien aktiv war. Ein derartiger Start in die Politikerkarriere wird dann meistens als "Jugendsünde" abgetan. Nun wollte der Bundesvorstand bei zweifelhaften Biografien eine Mitsprachepflicht zugesprochen bekommen haben - was abgelehnt wurde.

Im Herbst gibt es zwei wichtige Landtagswahlen - in Hessen und in Bayern. In Bayern tritt die AfD an, nicht nur um erstmals in den Landtag einzuziehen, sondern auch um die absolute Mehrheit der Christsozialen (CSU) zu brechen. Der bayerische AfD-Chef Martin Sichert gab einen Vorgeschmack auf den kommenden Wahlkampf. Die CSU, die im Bundestag zusammen mit der CDU eine gemeinsame Fraktion bildet, sei ein "wichtiger Pfeiler in Merkels Machtsystem". Die Abgrenzungsversuche vor allem in der Asylpolitik seien nur "Schaumschlägerei", so Sichert. Die CSU sage viel und mache wenig - auch beim Thema Innere Sicherheit.

Der selbstbewusste Tonfall ist nicht unbegründet. Die AfD in Bayern kann laut Umfragen auf ein Wahlergebnis 10 plus x hoffen. Das könnte dazu führen, dass die CSU künftig nicht mehr ohne Koalitionspartner in Bayern regieren kann - trotz aller aktuellen Versuche, am rechten Rand nach Wählerstimmen zu fischen.

Wohin will die Partei?

Deutschlandweit liegt die AfD gegenwärtig bei rund 15 Prozent. So hoch waren die Werte schon einmal auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015/16. Doch wenn man ins europäische Ausland blickt, haben andere rechtspopulistischen Parteien mittlerweile eine höhere Zustimmung. Warum der Rückenwind nicht weiter trägt, darüber wurde beim Parteitag im Saal und davor nur wenig gesprochen.

Journalisten auf AfD-Parteitag: Fußball statt InterviewsBild: DW/K-A. Scholz

Die AfD gibt sich selbstbewusst, aber im Moment weniger leidenschaftlich als zuletzt. Wenig verwunderlich deshalb, dass sich manche Berichterstatter in Augsburg nebenbei lieber mit anderen Dingen beschäftigen. Anstatt wie bei früheren Parteitagen jedem Redebeitrag auf der Bühne aufmerksam zu folgen oder durch den Saal zu laufen, um möglichst viele AfD-Mitglieder zu interviewen, guckten sie lieber Fußball-WM auf dem mitgebrachten Laptop.

Der Parteitag endete am zweiten Tag nach langen Diskussionen über die Satzung, also sozusagen die Verfassung der Partei, noch vor der wichtigen Nachricht aus München über das Ergebnis des Asylstreits zwischen CSU und CDU. Die Reaktionen darauf überlässt die AfD erst mal den anderen Parteien.

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