Zaghafte EU-Vermittlung in Kiew
25. Januar 2014Sie weht immer noch auf den Barrikaden in der Kiewer Innenstadt. Manche tragen sie auf ihren Schultern oder schmücken damit ihre Autos: die Fahne der Europäischen Union. Für viele Demonstranten, die seit mehr als zwei Monaten auf die Straßen gehen, geht es um Europa. Die Proteste wurden durch die Ankündigung des Präsidenten Viktor Janukowitsch ausgelöst, das Assoziierungsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen und sich stattdessen an Russland anzulehnen.
Die Europäische Union war von dieser Wende offensichtlich überrascht. Brüssel zeigte sich enttäuscht, ließ aber für die Ukraine "die Tür offen". Entsetzt reagierte die EU auf das brutale Vorgehen ukrainischer Polizei gegen Demonstranten, mehr aber auch nicht. Forderungen der Opposition nach Sanktionen gegen die ukrainische Führung stießen in Brüssel bisher auf taube Ohren.
Füles Dilemma in Kiew
Doch seit rund einer Woche verschärft sich die Krise in der Ukraine. Das Parlament in Kiew verabschiedete ein Gesetzespaket, das Demonstrationsrechte deutlich einschränkt. Radikale Protestler führen Straßenschlachten mit der Polizei, es gibt Tote und Verletzte. Vor diesem Hintergrund kam Stefan Füle am Freitag (24.01.2014) nach Kiew. Er traf sich mit dem Präsidenten, den Oppositionsführern und Vertretern der Zivilgesellschaft. Über konkrete Ergebnisse ist nichts bekannt.
Der EU-Erweiterungskommissar ist der erste ranghohe europäische Politiker, der die Ukraine seit Ausbruch der gewaltsamen Proteste besucht. Sein Auftrag: zu einer Beruhigung der angespannten Lage beitragen. Dabei steckt Füle in einem Dilemma. Er möchte offenbar den Präsidenten und die Opposition wieder an den Verhandlungstisch bringen. Um das zu erreichen, darf er nicht drohen. Doch genau darum bitten ihn Oppositionspolitiker.
"Europa verfügt über große Einflusshebel auf Janukowitsch und seine Umgebung, die ihr Geld in der Europäischen Union halten", sagte Oppositionsführer Vitali Klitschko in einem Gespräch mit der Deutschen Welle. Die EU soll Konten ukrainischer Spitzenpolitiker sperren, so der Wunsch ukrainischer Oppositioneller. Ähnlich äußern sich Demonstranten auf Kiewer Straßen. Auf die Frage, wie die EU der Ukraine helfen könnte, sagen die meisten nur ein Wort: Sanktionen.
Keine offizielle Vermittlung
Bisher erntet die EU viel Kritik wegen ihrer Haltung in der Ukraine-Krise. Erklärungen europäischer Politiker, man wolle zunächst keine Sanktionen verhängen, ernten Spott und Häme in Internetforen. Viele werfen Brüssel vor, es nehme Rücksicht auf Russland und wolle die Ukraine dem Moskauer Einflussbereich überlassen. "Wir sind auf uns allein gestellt", so ein Kommentar.
Zusätzlich wird Füles Mission dadurch erschwert, dass er kein offizieller Vermittler ist. Dafür hätte er von der ukrainischen Regierung eingeladen worden sein müssen. Die Opposition würde die EU gerne als Vermittler sehen, betonte Arsenij Jaznejuk, ein anderer Oppositionsführer. "Einen Ausweg aus der gesellschaftlichen Krise ohne westliche Vermittlung zu finden, wird sehr schwer sein", sagte Jazenjuk nach dem Treffen mit Füle in Kiew. "Wie halten es für notwendig, dass unsere westlichen Partner in diesen Prozess eingebunden sind."
Nach Füle kommt Ashton
Der Präsident dagegen zögert, die EU als Vermittler nach Kiew einzuladen. Denn es war die Europäische Union, die 2004 zu einer Lösung der Krise während der "Orangenen Revolution" beigetragen hatte. Eine zugunsten von Janukowitsch gefälschte Präsidentenwahl löste damals Proteste aus. Die Wahl wurde wiederholt und er verlor. Seitdem fühlt sich Janukowitsch offenbar von westlichen Vermittlern über den Tisch gezogen. Doch die Eskalation der Lage in Kiew und dem ganzen Land dürfte ihn am Ende doch zu Zugeständnissen zwingen, vermuten Beobachter. Allerdings werde Janukowitsch sich nur auf eine solche Vermittlung von außen einlassen, bei der auch Russland dabei ist. Europa jedenfalls versucht weiter seine de facto Vermittlung fortzusetzen. In der kommenden Woche kommt EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton nach Kiew.