Stefan Dege / Sabine Oelze / Heike Mund31. März 2016
Sie pfiff auf Traditionen: Zaha Hadid hat mit ihren Entwürfen neue Maßstäbe gesetzt. Als erste Frau erhielt sie den Pritzker-Preis. Nun ist die aus dem Irak stammende Architektin überraschend mit 65 Jahren gestorben.
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Zaha Hadid - Architektin mit Visionen
Zaha Hadids Pläne galten lange als unbaubar - bis sie das Gegenteil bewies. Ihre Baukunst ist mutig und wirkt futuristisch. Nun ist die Stararchitektin im Alter von 65 Jahren verstorben. Ein Rückblick auf ihr Werk.
Bild: ORF
Amazone des Bauens
Sie war die erste Architektin, die Bauten auf Weltniveau geschaffen hat. Die irakisch-britische Stararchitektin Zaha Hadid erlag am Donnerstag überraschend in Miami einem Herzinfarkt. Sie wurde 65 Jahre alt. Mit ihren spektakulären Bauwerken hat sie in der Architektur eine neue Formensprache geprägt und ihre Utopien in Beton verewigt.
Bild: Imago/Matrix
Ein Schiff wird kommen
Mit dem Innovation Tower, oder auch "Jockey Club Innovation Tower", in Hongkong schuf Zaha Hadid ein Haus für die Forschung. Der elegant geneigte Hochhauskomplex mit seinen fließenden Formen, der stellenweise an ein Kreuzfahrtschiff erinnert, ist seit 2013 Heimstatt der Polytechnischen Universität . Die Bauherren träumten von einem "Leuchtfeuer des Designs in Asien".
Bild: Zaha Hadid Architects
Durchbruch mit dem Erstlingswerk
Spektakuläreres Erstlingswerk: Für die Betriebsfeuerwehr des Möbelherstellers Vitra im badischen Weil am Rhein baute Zaha Hadid 1993 die "Vitra Firestation". Die Schwere des Sichtbetons verwandelt sich durch die Anordnung von Wänden und Ebenen in dynamische Leichtigkeit. Hadids Pläne hatten bis dahin als unbaubar gegolten. Jetzt nahm ihre Karriere Fahrt auf.
Bild: Zaha Hadid Architects/Christian Richters,
Denkmal für einen Diktator?
Ein fließender Baukörper als Sinnbild für die Erneuerung und Modernisierung der Gesellschaft? In Aserbaidschans Hauptstadt Baku baute Zaha Hadid das spektakuläre "Heydar Aliyev Cultural Centre". Präsident Ilham Aliyev wollte seinem – von Menschenrechtlern als Diktator kritisierten – Vater und Vorgänger ein Denkmal setzen.
Bild: Zaha Hadid Architects/Hufton+Crow
Architektur mit grandiosem Ausblick
Für Reinhold Messners neues Museum hat Zaha Hadid den Fels aushöhlen lassen. Sie schuf unterirdische Räume mit Aussichtsbalkons und Wänden, die dem berühmten Gipfelstürmer "viele weiße Haare" bescherten. Messner nannte das im Sommer 2015 eröffnete Messner Mountain Museum deshalb ironisch seinen "15. Achttausender".
Bild: Zaha Hadid Architects/Werner Huthmacher
Zeitmaschine in die Ewige Stadt
Beton, Glas, Stahl, unmögliche Kurven, übereinandergestapelte Betonschläuche, Kuben und Quader, filigrane Säulen. Zaha Hadid hat in Rom das MAXXI gebaut, ein Museum für zeitgenössische Kunst. Es wirkt selber wie eine begehbare Skulptur. Betritt man das Gebäude, scheint der Boden zu schwanken. Jeder Schritt eröffnet eine neue Perspektive auf die Architektur und die Stadt. Eine großartige Erfahrung!
Bild: Zaha Hadid Architects/Helene Binet
Neues Kunsterlebnis in Rom
Um das Kunstmuseum MAXXI tobte ein heftiger Streit. Es gab Bauverzögerungen. Die Kosten explodierten. Am Ende ging es gut aus, und das MAXXI verhalf den Römern zu einem neuen Lebensgefühl. Auf dem Bild ist zu erkennen, wie sich in den Fenstern das umliegende Viertel spiegelt. Die Ewige Stadt erstrahlt dank Hadid im Glanz der Moderne.
Bild: DW/S. Dege
Das Ende des rechten Winkels
Im römischen MAXXI überzeugt die Ästhetik des Seriellen, des Ungeraden und Leichten, sichtbar etwa in dieser Deckenkonstruktion über einem Treppenhaus. Zaha Hadid hat das alte Militärgelände vom "Zwang des rechten Winkels befreit", jubelten Architekturkritiker. Auch eine Bibliothek, ein Café, ein Restaurant und eine Buchhandlung ergänzen das Angebot für die Besucher.
Bild: Zaha Hadid Architects/Helene Binet
Futuristische Ausblicke
Futuristisch mutet auch der zentrale Platz der "Galaxy Soho" an: Kein rechter Winkel, sondern fließende Formen und schwungvolle Linien prägen den Büro- und Gewerbekomplex, den Zaha Hadid 2012 im Herzen Pekings errichten ließ. Die Architektur besteht aus vier Türmen. Sie sind durch Stege und Fußgängerbrücken miteinander verbunden.
Bild: Zaha Hadid Architects/Hufton+Crow
Architektur für die Autoindustrie
Offenheit und Transparenz sollte das neue Zentralgebäude im Leipziger BMW-Werk ausstrahlen. Zaha Hadids Entwurf verbindet Bürokomplex und Produktionshallen. Er beherbergt den Haupteingang zum Werk sowie Betriebsrestaurant, Labore und Werkstätten. Für ihren Entwurf erhielt Hadid den Deutschen Architekturpreis.
Bild: Zaha Hadid Architects/Helene Binet
Ausnahmefrau in einer Männerdomäne
Zaha Hadid galt als kratzbürstig, aber genial. Damit eroberte sie die Männerdomäne der Architektur und landete im Olymp der Baukünste. Als erste Frau erhielt sie 2004 den "Nobelpreis der Architekten", den Pritzker-Preis. 2009 wurde ihr der hochdotierte Praemium Imperiale verliehen. Die im irakischen Bagdad geborene Hadid starb am 31.03.2016 an einem Herzinfarkt.
Bild: Zaha Hadid Architects,/Brigitte Lacombe
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Zaha Hadid galt als Diva in der Männerdomäne Architektur. Aber nicht nur das: Sie wurde geachtet als bedeutendste Architektin der Welt. Um die Entwürfe der Stararchitektin rissen sich die Bauherren, private wie öffentliche. Und wer das nötige Geld aufbrachte, konnte sie sogar realisieren. In China gelang das mit der "Galaxy Soho" in Peking, einem futuristisch anmutenden Wohn- und Geschäftskomplex, oder in Hongkong, wo sie für die Technische Hochschule das "Jockey Club Innovation Tower" baute. In Aserbaidschans Hauptstadt Baku errichtete sie das "Heydar Aliyev Centre".
Zaha Hadid war einer der wenigen Stararchitektinnen auf Weltniveau
Ihre Entwürfe hatten eines gemeinsam – sie sollten alte Selbstverständlichkeiten des Bauens in Frage stellen. Dabei gelang es Hadid, ihren Bauten Eleganz, Schwung und fließende Leichtigkeit einzuhauchen, was ihr den Namen "Königin der Kurven" einbrachte. Sie selbst bezeichnete ihren Stil als "kinetisch". Ihr bevorzugter Werkstoff war Beton.
Geboren am 31. Oktober 1950 in Bagdad, wuchs Zaha Hadid im Irak von Kindheit an mit der Formensprache großer Architekten auf. Ihr Vater, der wohlhabende Geschäftsmann und Mitbegründer der "Progressive Democratic Party", Muhammad Hadid, war westlichen Ideen und Kulturgepflogenheiten gegenüber sehr aufgeschlossen. Das Wohnhaus der Familie Hadid in Bagdad war im Bauhaus-Stil errichtet. Das prägte die junge Zaha.
Zaha Hadid: Erfinderin des Post-Konstruktivismus
Nach der Machtübernahme des Diktators Saddam Hussein verließ die Familie den Irak. Zaha verbrachte ihre Schulzeit in Internaten in der Schweiz und in England und studierte danach in Beirut Mathematik. Aber das war ihr zu wenig künstlerisch. 1972 ging sie nach London, um dort Architektur zu studieren.
Form und Material stehen bei vielen ihrer Gebäude im spannungsreichen Gegensatz. Wohl das hatte Zaha Hadid zum Durchbruch verholfen. Eine größere Öffentlichkeit wurde 1983 aufmerksam auf sie, als Hadid ihren nicht realisierten Entwurf für den Freizeit- und Erholungspark "The Peak Leisure Club" in Hongkong vorstellte, der keinen einzigen rechten Winkel vorsah. Seitdem wurde sie als "Erfinderin des Post-Konstruktivismus" gefeiert.
Ihren ersten Bauauftrag erhielt sie im Alter von 43 Jahren 1993 in Deutschland: Für die Betriebsfeuerwehr des badischen Designmöbelherstellers "Vitra" baute Hadid die "Firestation" in Weil am Rhein. Hadid verpasste der Feuerwehrstation eine dekonstruktivistische Strenge. Perfektion und Präzision prägen die ineinander verschachelten Räume. Die Dachauskragungen und schräg gestellten schmalen Mikadosäulen waren eine Referenz an ihren berühmten Lehrer, den Niederländer Rem Koolhaas. Vor allem aber bewies sie - zur Überraschung der Fachwelt - dass ihre visionären Entwürfe wirklich baubar waren.
Nobelpreis der Architekten für Zaha Hadid
Darauf setzte auch der Autohersteller "BMW", als er einen Hadid-Entwurf für das Zentralgebäude seines Leipziger Werks auswählte. Der Bergsteiger Reinhold Messner ließ Hadid sein "Messner Mountain Museum" in die Gipfel der Tiroler Bergwelt setzen - auf 2275 Metern Höhe. Er nannte das Projekt seinen "15. Achttausender". Die Zusammenarbeit mit Zaha Hadid galt als schwierig, zeitraubend und kostspielig - sie selbst als temperamentvoll.
Doch Hadids Erfolgsbiografie spricht für sich: Als erste Frau erhielt sie 2004 den "Nobelpreis" der Architekten, den Pritzker-Preis. Im Jahre 2009 wurde ihr der hochdotierte Praemium Imperiale verliehen. In diesem Jahr ehrte sie die Queen mit der "Royal Gold Medal", eine Auszeichnung, die zuvor nur Männern vorbehalten war. In der Laudatio verglich Sir Peter Cook sie voller Hochachtung mit dem Maler Paul Klee: Zaha Hadid habe seine Linien in Gebäude übertragen und "virtuell mit ihnen getanzt". Seit drei Jahrzehnten habe sie gewagt, was nur wenige gewagt hätten.
Vom Guggenheim Museum in New York bis zur Eremitage in St. Petersburg
Ausstellungen in den renommiertesten Kunstmuseen der Welt ehrten die Entwürfe der begabten Architektin: Das Guggenheim Museum in New York, das Design Museum in London oder auch das State Hermitage Museum im russischen St. Petersburg zeigten große Retrospektiven ihrer herausragenden Architekturkunst.
Hadid lebte und arbeitete mit ihrem Büro in ihrer Wahlheimat London. Großbritannien, so sagte sie einmal im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung", sei das einzige Land, "in dem man künstlerisch erfolgreich und zugleich exzentrisch sein kann." Am Donnerstag, den 31. März, starb sie überraschend an einem Herzinfarkt in Miami im Alter von 65 Jahren.