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Politik

Zahl der Toten nach landesweiten Unruhen im Iran steigt

22. September 2022

Wieder gehen Tausende Menschen nach dem Tod von Mahsa Amini im Iran auf die Straße und protestieren - mindestens 17 Menschen kamen zu Tode. Proteste werden jetzt auch aus Landesteilen gemeldet, die als "ruhig" gelten.

Protest im nächtlichen Teheran
Wut und Trauer nach dem Tod von Mahsa Amini entladen sich auf den Straßen TeheransBild: Anadolu Agency/picture alliance

Die Unruhen im Iran weiten sich aus. Bei den landesweiten Protesten wurden nach Angaben nationaler und internationaler Medien mindestens 17 Menschen getötet. Nach Angaben der in Norwegen ansässigen kurdischen Menschenrechtsgruppe HengawLaut Hengaw gab es bei den Protesten seit Freitagabend insgesamt rund 450 Verletzte und 500 Festnahmen.

Todesursache von Mahsa Amini ungeklärt

Auslöser der Demonstrationen ist der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini aus der Provinz Kurdistan nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei. Amini war in der vergangenen Woche in der Hauptstadt Teheran festgenommen worden, weil sie ihr Kopftuch "unangemessen" trug. Nach ihrer Festnahme brach sie unter noch ungeklärten Umständen auf der Polizeiwache zusammen und fiel ins Koma. Laut offiziellen Angaben starb sie am Freitag in einem Krankenhaus.

Dagegen hatte das Krankenhaus auf einem Instagram-Post am Samstag mitgeteilt, dass die Patientin bereits bei ihrer Ankunft hirntot gewesen sei. Dieses Statement wurde später gelöscht. Nach Polizeiangaben hatte die junge Frau einen Herzanfall. Menschenrechtsaktivisten zufolge hatte sie hingegen einen tödlichen Schlag auf den Kopf erlitten. Die Polizei weist die Vorwürfe entschieden zurück.

In der fünften Protestnacht weiteten sich die Proteste auf zahlreiche Städte im ganzen Land aus, darunter Teheran, Isfahan und Schiras. Die Demonstrierenden skandierten Slogans wie "Tod dem Diktator", "Frau, Leben, Freiheit" und "Nein zum Kopftuch, nein zum Turban, ja zu Freiheit und Gleichheit" und "Wir kämpfen, wir sterben, wir werden uns den Iran zurückholen."

Frauen stecken ihre Kopftücher in Brand

Die iranische Polizei setzte Tränengas ein, um Ansammlungen von bis zu 1000 Menschen aufzulösen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Irna berichtete. Die Demonstrierenden blockierten demnach den Verkehr, warfen Steine auf Sicherheitskräfte, zündeten Polizeifahrzeuge und Mülltonnen an. Viele Demonstrantinnen nahmen als Zeichen des Protests ihr Kopftuch ab und verbrannten es, andere schnitten sich die Haare ab, wie auf Videos im Internet zu sehen war. 

Selbst in der erzkonservativen Stadt Ghom, einem wichtigen Zentrum des schiitischen Glaubens, demonstrierten junge Menschen gegen die islamischen Kleidungsvorschriften. Auch auf der Urlaubsinsel Kisch im Persischen Golf, die als besonders ruhig gilt, wurden Proteste gemeldet. Videos in den sozialen Medien, deren Echtheit nicht verifiziert werden konnten, zeigten, wie Demonstranten Sicherheitskräfte verprügelten oder wie Frauen ihre Kopftücher in Brand steckten.

Demonstranten werfen Steine auf den Straßen TeheransBild: Anadolu Agency/picture alliance

Der Gouverneur der iranischen Provinz Kurdistan hatte am Dienstag drei tote Demonstranten gemeldet. Auch in Kermanschah im Zentraliran seien zwei Personen unter "verdächtigen" Umständen gestorben. In beiden Fällen wiesen die Behörden aber ein Einwirken durch Sicherheitskräfte zurück.

Lockerung der Kleidungsvorschriften gefordert

Unterdessen häufen sich Stimmen, die eine Lockerung der strengen Kleidungsvorschriften und damit einen Kurswechsel der Regierung fordern. "Ein Gesetz, das die Mehrheit der Gesellschaft nicht befolgt, muss revidiert werden", sagte etwa der ehemalige Bürgermeister der Hauptstadt Teheran, Gholam Hussein Karbastschi.

Kritik äußerten auch der frühere Präsident Mohammed Chatami und sogar der Enkel von Revolutionsführer und Staatsgründer Ajatollah Ruhollah Chomeini. Er forderte zudem eine gründliche Untersuchung.

Hardliner befürchten Dominoeffekt

Die strengen Kleidungsvorschriften gehören laut Experten aus Teheran zu den ideologischen Prinzipien der islamischen Republik. Unterstützer des Systems fürchten einen Dominoeffekt, sollte der Staat den Frauen bei der Wahl der Kleidung große Zugeständnisse machen. Die konservative Zeitung "Keyhan" warf den Reformern vor, den Tod Aminis für politische Zwecke zu missbrauchen.

Seit der Islamischen Revolution im Jahr 1979 gelten im Iran strenge Kleidungsvorschriften. Insbesondere in den Metropolen sehen viele Frauen die Regeln inzwischen aber eher locker und tragen beispielsweise ihr Kopftuch nur auf dem Hinterkopf - zum Ärger erzkonservativer Politiker. Religiöse Hardliner im Parlament versuchen seit Monaten, die islamischen Gesetze strenger anwenden zu lassen.

Proteste auch im Ausland

Menschen demonstrierten auch vor der iranischen Botschaft in BerlinBild: Paul Zinken/picture alliance/dpa

Auch international löste Aminis Tod Kritik aus - die UN, Menschenrechtsorganisationen und Politiker äußerten sich beunruhigt über die Lage im Iran. Zudem gab es Protestkundgebungen, etwa in New York, Berlin und Istanbul. Das iranische Außenministerium verurteilte die internationalen Reaktionen als Einmischung in innere Angelegenheiten.

nob/ww/kle (afp, ape, rtre, dpa)

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