Zar Putin gibt sich die Ehre
1. Juni 2012Als Wladimir Putin vor dem Kanzleramt aus seiner schwarzen Limousine steigt, liegt ein Anflug von Triumph in seinem Gesicht. So als wollte er sagen: "Da bin ich wieder, ich kenne den Weg." Freundlich gibt der russische Präsident der Kanzlerin zwei Küsschen, dann schreitet er so locker die Ehrenformation ab, als sei der Gang über den roten Teppich sein üblicher Nachmittagsspaziergang.
Immerhin ist es Putins dritte Amtszeit als Präsident, da bleibt eine gewisse Routine nicht aus. Aber in seiner Gestik und Mimik liegt weit mehr als die professionelle Routine eines erfahrenen Staatsmannes. Nach vier Jahren auf der "Warteposition" des Ministerpräsidenten ist Putin wieder am Ort seiner Träume angekommen: im höchsten Staatsamt, das mit mehr Macht ausgestattet ist als je zuvor. Jetzt kann er sechs Jahre lang schalten und walten, wie es ihm beliebt. Dieses fast schon monarchische Selbstbewusstsein strahlt der russische Präsident aus, als er am Freitag (01.06.2012) das Berliner Kanzleramt betritt.
Respekt, aber keine Euphorie
Eine Stunde lang redet er dort mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie versteht Russisch, er spricht Deutsch - und doch finden die beiden oft keine gemeinsame Sprache. Wenn sie anfängt, von der gegängelten russischen Zivilgesellschaft zu reden, verdüstert sich sein Blick. In der Vergangenheit wurde er dann gelegentlich laut und ruppig.
Auch diesmal bringt Merkel das Thema auf den Tisch, in der ihr eigenen Beharrlichkeit. Und in dem Wissen, dass eine Hoffnung der Bundesregierung vergebens war: Auch Putins Vorgänger Dmitri Medwedew hat die Bürgerrechte nicht gestärkt, auch er hat die russische Gesellschaft nicht von innen reformiert und modernisiert. Die deutsche Seite hatte ihn mit Nachdruck dazu aufgefordert. Der Frust im Kanzleramt war groß, als sich nichts bewegte.
Politische Stagnation, wirtschaftliche Dynamik
Nun ist wieder Putin am Ruder, der autoritärere der beiden Staatsmänner. Seine erneute Wahl zum Präsidenten hat in Berlin wahrlich keinen Jubel ausgelöst - wegen der zu erwartenden Stagnation im Inneren und wegen der außenpolitischen Differenzen. Die russische Unterstützung für den syrischen Präsidenten Assad ist dabei nur ein Aspekt.
Doch an Putin kommt Merkel nicht vorbei, und er nicht an ihr. Also betonen beide die Gemeinsamkeiten, zum Beispiel die ausgezeichneten Handelsbeziehungen. Es gibt neue Rekordzahlen beim Warenaustausch, die werden gleich zwei Mal vorgetragen - einmal auf Deutsch und einmal auf Russisch. Dann gehen Putin und Merkel auseinander - sie haben sich höflich ausgetauscht und sind bei ihren jeweiligen Positionen geblieben.