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Politik

Tribunal gegen das Vergessen

Antonio Cascais
26. September 2018

Seit Jahren fordern Menschenrechtsorganisationen die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen in der Zentralafrikanischen Republik. Im Oktober soll das dafür eingesetzte Sondertribunal seine Arbeit aufnehmen.

Zentralafrikanische Republik christlicher Kämpfer
Bild: picture alliance/AP Photo/J. Delay

"Der Sonderstrafgerichtshof ist für uns eine große Hoffnung. Lange, quälende Jahre der Straflosigkeit werden endlich ein Ende haben", sagt Flavien Mbata, der Justizminister der Zentralafrikanischen Republik, im Exklusivinterview mit der Deutschen Welle.

Tatsächlich blieben schwerste Menschenrechtsverletzungen, wie Vertreibungen, Plünderungen und Massaker aus der Zeit der ethnischen und religiösen Auseinandersetzungen zwischen 2003 und 2013 bislang ungesühnt. "Die meisten Mörder und ihre Anführer laufen immer noch in Bangui und anderen Städten frei herum oder leben unbehelligt in Nachbarländern oder in Europa", sagt der Menschenrechtsaktivist Fernand Mande-Djapou und fügt hinzu: "Ex-Präsident François Bozizé, unter dessen Regentschaft die meisten Menschenrechtsverletzungen verübt wurden, lebt derzeit in Uganda."

Bangui, Hauptstadt der ZAR: Hier und in zehn weiteren Städten wird das Sondertribunal tagenBild: Reuters/S. Modola

Anlaufschwierigkeiten des Tribunals

Nach mehrmaliger Verschiebung soll das Sondertribunal offiziell im Oktober seine Arbeit aufnehmen. Gegenüber der DW nennt Justizminister Flavien Mbata erstmals den 19. Oktober als konkretes Datum. Die Einsetzung des Sonderstrafgerichthofs war bereits 2015 von der Regierung in Bangui beschlossen worden. Der Justizminister spricht von Anlaufschwierigkeiten.

Man sei bisher vor allem mit Vorbereitungs- und Aufbauarbeiten beschäftigt gewesen. In den vergangenen Monaten seien aber große Schritte gemacht worden: "Die Richter und Ermittler des neuen Tribunals stehen inzwischen an den jeweiligen Einsatzorten bereit", so Mbata. Zwei ausländische Richter würden zwar noch fehlen - einer aus Togo und ein anderer aus Benin - doch die würden bald Bangui erreichen. "Für den Anfang stehen dem Tribunal ausreichend Staatsanwälte sowie einheimische und Internationale Richter zur Verfügung." Trotzdem gebe es ein Problem: "Es klafft eine große finanzielle Lücke", so der Justizminister. Die Finanzierung des Tribunals wird vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNDP unterstützt.

Aufklärung mit Straßentheatern

Seit Wochen läuft eine großangelegte Aufklärungskampagne. In der Hauptstadt Bangui und in zehn Provinzstädten soll die Bevölkerung über die Aufgaben des Sondertribunals, zum Beispiel in Straßentheater-Aufführungen, informiert werden. "Wir versuchen die Menschen dazu zu motivieren, mit dem Sondergericht zusammenzuarbeiten. Wir verteilen Formulare, die die Menschen ausfüllen können, falls sie Verbrechen oder mögliche Täter melden wollen", sagt Fernand Sylvio Mande-Djapou, Koordinator der Nichtregierungsorganisation "Coalition pour la Cour Pénale Spéciale" (CCPS), eine von acht Organisationen, die mit der Aufklärungskampagne beauftragt wurden. "Wir wollen auch Zweifel, Skepsis und Misstrauen bei den Menschen ausräumen." Das sei man den Opfern von Menschenrechtsverletzungen und ihren Angehörigen überall im Land schuldig, betont Mande-Djapou.

Opfer von Seleka-Rebellen: Schwere Menschenrechtsverletzungen waren zwischen 2003 und 2013 an der TagesordnungBild: Amnesty International/Godfrey Byaruhanga

Kann man der Arbeit des Sondertribunals vertrauen?

"Das Tribunal wird unabhängig sein. Es wird von Seiten der Politik keinerlei Beeinflussung der Arbeit des Sonderstrafgerichtshofs geben. Richter und alle übrigen Mitarbeiter des Tribunals werden vollständig unabhängig sein, sie werden keinerlei Einschränkungen, welcher Art auch immer, bei ihrer Arbeit erfahren", betont Justizminister Flavien Mbata. Bei den Ermittlungen selbst würde niemand ausgespart, weder die Reichen noch die politisch Mächtigen: "Das Gericht hat die Aufgabe, jegliches schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das in der Zentralafrikanischen Republik verübt wurde, aufzuarbeiten. Es wird keinerlei Ausnahmen geben."

Etwas skeptischer sieht es Menschenrechtsaktivist Fernand Mande-Djapou: Bei den Menschen in der Zentralafrikanischen Republik gebe es große Skepsis gegenüber Sonderstrafgerichten. "Viele Bürger haben mitbekommen, was beim Internationalen Strafgerichthof in Den Haag in der Causa Jean-Pierre Bemba herausgekommen ist, nämlich ein Freispruch. Und viele fragen sich: Wird hier in der ZAR das gleiche passieren? Werden die Mörder hier ebenfalls ohne Verurteilung davonkommen?"

Mitarbeit: Jeff Murphy Barès, Eric Topona

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