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Politik

Vor der Wahl in der ZAR: Sorge vor Gewalt

Uta Steinwehr
27. Dezember 2020

Vor der Parlaments- und Präsidentenwahl ist die Stimmung in der Zentralafrikanischen Republik sehr angespannt. 17 Personen treten für das höchste Amt an. Der Gewinner muss das Land einen.

Junge Menschen sitzen auf einem Container und jubeln
Wahlkampfveranstaltung der Opposition: 17 Bewerberinnen und Bewerber wollen in der ZAR Präsident werdenBild: Camille Laffont/APF/Getty Images

Die Sicherheitslage ist fragil. Vor den Wahlen an diesem 27. Dezember gab es Berichte über wiederaufflammende Kämpfe. Rebellen sollen Wahlbeauftragte entführt, Wähler von der Registrierung abgehalten und Anschläge geplant haben.

Einige Berichte mögen Gerüchte sein, genährt von der Angst vor einer neuen Eskalation in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR). Mindestens drei bewaffnete Gruppen wollen nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP jedoch einschreiten, sollte Amtsinhaber Faustin Archange Touadéra mithilfe von Betrug wiedergewählt werden.

Die Chefanklägerin des International Strafgerichtshof, Fatou Bensouda, zeigte sich beunruhigt von den zunehmenden Spannungen in der ZAR im Vorfeld der Wahl. Sie forderte alle Akteure zu Ruhe und Zurückhaltung auf und betonte, jeder, der zu einer Straftat nach dem Römischen Statut "aufruft, anstachelt, ermutigt oder beiträgt", könne vor Gericht zur Verantwortung gezogen werden.

Nur wenige Jahre ist es her, dass das Land einen blutigen Bürgerkrieg erlebte, in dem sich Milizen der christlichen Mehrheit und der muslimischen Minderheit gegenüberstanden. Tausende Menschen starben, genaue Zahlen gibt es nicht.

Immer noch gibt es nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR rund 1,3 Millionen Flüchtlinge aus der Zentralafrikanischen Republik, mehr als die Hälfte davon als Vertriebene im eigenen Land. Rund drei von fünf Menschen in der ZAR benötigen humanitäre Hilfe, heißt es vom UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA). Noch immer ist die UN-Blauhelmmission MINUSCA im Land aktiv. Sie hilft beispielsweise, Wahlunterlagen im Land zu verteilen.

 

Flüchtlinge, die aus Kamerun per Bus in die ZAR zurückgebracht werden (Anfang Dezember): 1,3 Millionen Menschen auf der FluchtBild: AFP/Getty Images

Im Februar 2019 unterzeichneten die Regierung und 14 bewaffnete Gruppen eine Friedensvereinbarung, das Khartum-Abkommen. "Es hatte Einfluss", sagt Peter Knoope, der Konfliktanalysen durchführt und Regierungen und Organisationen berät. "Es hat das Gewaltniveau gesenkt und einige Kämpfer wurden in die Gesellschaft integriert." Doch vollständig umgesetzt wurde das Khartum-Abkommen angesichts von anhaltender Gewalt bisher nicht.

Knoope arbeitet unter anderem mit dem Institut für Gerechtigkeit und Versöhnung (IJR) in Südafrika zusammen. Normalerweise ist er mehrere Male im Jahr in der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui, wie er sagt. Die Coronavirus-Pandemie habe das in diesem Jahr jedoch unmöglich gemacht.

Wahl schürt Konflikt

Für den noch fragilen Friedensprozess sind die bevorstehenden Wahlen nach Ansicht von Knoope nicht gerade förderlich: Sie entzweien eher, als dass sie die unterschiedlichen Gruppen vereinen. "Man tritt in Wahlen gegeneinander an, das liegt in der Natur der Sache. Im Vorfeld der Wahl sind in den letzten zwei Monaten Spannungen und Gewalt wieder gestiegen", sagte Knoope im DW-Interview.

Präsident Touadéra beim Wahlkampfauftakt: Gute Chancen auf eine WiederwahlBild: Camille Laffont/APF/Getty Images

Ende Oktober hatten sich Vertreter der Vereinten Nationen, der Afrikanischen Union und der Zentralafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECCAS) einen Überblick über die Lage im Land verschafft. Teil der Delegation war der stellvertretende Generalsekretär für Friedenseinsätze, Jean-Pierre Lacroix. Die Sicherheitslage habe sich seit der Unterzeichnung des Abkommens von Khartum verbessert, sagte er der  DW. "Ist sie auf dem Level, das wir uns gewünscht hätten? Nein. Es gibt immer noch bewaffnete Gruppen, die gegen ihre Verpflichtungen verstoßen und sich anscheinend die Möglichkeit offenhalten, auf Gewalt zurückzugreifen", so Lacroix.

Geschätzt 65 bis 80 Prozent des Landes stehen nicht unter dem Gewaltmonopol des Staates. Auf die Frage, wie legitim eine Zentralregierung unter diesen Bedingungen ist, gibt Analyst Knoope zu bedenken, die Situation sei sehr komplex: "Die Regierung war außerhalb von Bangui nie sehr präsent. Vieles hing von lokalen und traditionellen Machstrukturen ab, die sich in den vergangenen Jahrzehnten langsam, aber sicher zu bewaffneten Gruppen entwickelten, die dann in die Regierung integriert werden mussten."

Wer sind die Bewerber?

17 Kandidaten streben das höchste Amt im Land an. Neben dem Amtsinhaber Touadéra sind darunter die ehemalige Übergangspräsidentin Catherine Samba-Panza sowie die ehemaligen Ministerpräsidenten Anicet-Georges Dologuélé und Martin Ziguélé und der ehemalige Minister Crepin Mboli-Goumba.

Kandidatin Samba-Panza: Ex-Übergangspräsidentin als HerausfordererinBild: Pressebüro Samba-Panza

Die DW sprach mit diesen Herausforderern: Sie alle setzen sich zum Ziel, der Zentralafrikanischen Republik Frieden, Stabilität und Hoffnung zu bringen. Sie alle kritisieren das Khartum-Abkommen in seiner jetzigen Form oder dessen Umsetzung.

Auch der ehemalige Präsident François Bozizé wollte wieder antreten. Bozizé war von 2003 bis 2013 das Staatsoberhaupt. Nachdem er aus dem Amt geputscht wurde, verließ er die ZAR und kehrte erst vor einem Jahr aus seinem Exil zurück. Doch das höchste Gericht des Landes untersagte Bozizé kurzfristig die Teilnahme an der Wahl. Der Grund: Er werde strafrechtlich verfolgt. Unter anderem werfen die Vereinten Nationen Bozizé vor, aus seinem Exil Milizen unterstützt zu haben. 2014 fror der UN-Sicherheitsrat sein Vermögen im Ausland ein und verbot ihm das Reisen.

Externe Beeinflussung

Im Vorfeld der Wahl hat das Land nicht nur mit seiner inneren Zerrissenheit zu kämpfen, sondern auch mit der Einflussnahme von externen Akteuren. Unter anderem die ehemalige Kolonialmacht Frankreich sowie Russland versuchen, ihre Interessen in der ressourcenreichen ZAR zu wahren.

Am 15. Dezember gab Facebook bekannt, mehrere Benutzeraccounts mit gefälschten Identitäten geschlossen zu haben, die aus Frankreich beziehungsweise Russland betrieben worden waren und versuchten, die Stimmung in der ZAR in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen. Nach eigenen Angaben fand Facebook Verbindungen ins französische Militär und zur russischen Trollfabrik Internet Research Agency.

Panzerfahrzeug aus russischer Produktion in Bangui: Einflussnahme von externen AkteurenBild: Camille Laffont/AFP/Getty Images

Vorhersagen zufolge hat Touadéra gute Chancen, an diesem 27. Dezember die meisten Stimmen der rund 1,8 Millionen Wahlberechtigten zu bekommen. Doch es könnte gut sein, dass er sich einer Stichwahl stellen muss.

Nach der Wahl wird die große Herausforderung sein, die 14 Akteure, die das Khartum-Abkommen unterzeichnet haben, angemessen in einem Regierungssystem einzubinden, sagt Knoope. Und dass in so einer Form, damit die Bevölkerung am Ende profitiert. Der Sieger müsse sich mit der Aussöhnung und den Folgen des Konflikts auseinandersetzen, der erst wenige Jahre her ist. "Und er muss mit den Nachwirkungen der Wahl umgehen", sagt ZAR-Experte Knoope. "Es wird nicht leicht werden."

Mitarbeit: Eric Topona, Sandrine Blanchard

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