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Zara und das Fast Fashion-Problem

Stefanie Claudia Müller Madrid
27. Januar 2020

Klima-Aktivisten bekämpfen die Wegwerf-Textilindustrie, die der spanische Erfolgskonzern perfektionierte. Die Spanier setzen weiter auf Technologie.

China Peking 2018 | Filiale der Mode-Kette Zara
Bild: picture-alliance/Imagechina/L. Wei

Fast Fashion – Wohin mit den Kleiderbergen?

02:49

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Kleidung von Zara trägt mittlerweile sogar Königin Letizia von Spanien - eine kleine Revolution in der Modewelt. Mit Fast Fashion, also billiger Trendmode, ist die Marke des spanischen Modekonzern Inditex weit gekommen. Zara rangiert beim Markenwert laut Brand Finance mittlerweile nur noch hinter Nike und lässt andere Wettbewerber aus dem Segment wie Mango und H&M hinter sich.

Doch gerade die Fast Fashion-Hersteller geraten zunehmend ins Visier von Klima-Aktivisten. Sie kritisieren die Wegwerf-Ökonomie und fordern höhere Preise, weniger Volumen und bessere Löhne für die Beschäftigten. Mit der Abkehr von Fast Fashion sollen Wasser und Energie eingespart sowie unnötige Abfälle vermieden werden.

Konsumenten fordern nachhaltigere Mode

"Der Druck der umweltbewussten Konsumenten wird wachsen, auch wenn wir das hier in Spanien noch nicht so spüren", sagt Carmen Valor, Mode-Expertin der spanischen Eliteuni Comillas. Sie glaubt, dass sich in diesem Jahr zunehmend sogenannte Kreislaufwirtschaft-Modelle, auch zirkulare Modelle genannt, durchsetzen werden, in denen auf Wiederverwertbarkeit gesetzt wird.

Carmen Valor, Modeexpertin an der Universität Comillas in MadridBild: Universität Comillas

Auch wenn Fast Fashion 2019 immer noch funktionierte, verändert sich der Markt und die Bewertung der Geschäftstätigkeiten. Laut des McKinsey Global Fashion Index geht etwa der "ökonomische Gewinn" bei Inditex in den vergangen Jahren stark zurück. Das ist eine Kennzahl, die zeigt, welcher Teil des Profits entnommen werden kann, ohne dass die Nachhaltigkeit der wirtschaftlichen Leistung gefährdet wird.

Nachhaltige Lieferung reicht nicht aus

"Auch die Modewelt muss sich weniger auf Wachstum, sondern mehr auf Nachhaltigkeit zu konzentrieren. Das ist unter dem gegebenen knallharten Wettbewerb aber schwer", gesteht Valor ein. Die Pleitewellen in der Branche erfassen alle Länder, auch Spanien. Inditex notiert zudem an der Börse, wo Indikatoren wie Umsatzzunahme den Kurs nach oben treiben.

Der Konzern investiert zwar konstant in Lager- und Tracking-Technologien wie RFID, aber einflussreiche Bewegungen wie "Fridays for Future" erwarten viel tiefer gehende Veränderungen: "Sie betreffen die gesamte Produktions- und Lieferkette, wo immer wieder auch schlechte Arbeitsbedingungen für Unmut sorgen", sagt Valor.

Klar ist, wenn Textilien demnächst in der Masse recycelt werden sollen, dann muss die Qualität der Stoffe stimmen, was bei Fast Fashion selten der Fall ist. Das will Inditex ändern. Mit Massimo Dutti bieten sie inzwischen auch eine Premiumlinie zu günstigen Preisen an: "Aber abgesehen davon ist der Prozess der Wiederverwertung von Mode technisch noch nicht ausgereift", glaubt Valor.

Derzeit ist Inditex eines der erfolgreichsten Unternehmen der Branche. Die in Galizien sitzende Gruppe ist nicht nur ein Mode-, sondern auch ein Technologieriese. Ihr Lagermanagement und ihre Online-Plattformen sind zu weltweiten Referenzen geworden. Bei innovativen neuen Geschäftsmodellen halten sich die Spanier aber noch zurück. Warum auch, mag man denken, wo es doch auch so rund läuft: Der Umsatz stieg in den ersten neun Monaten 2019 um 7,5 Prozent auf 19.8 Mrd. Euro, der Gewinn um satte 12 Prozent auf 2.7 Mrd. Euro.

"Zirkulare" Mode setzt auf Wiederverwertung

Die Modefirma Pislow in Barcelona verleiht Kleidung statt sie zu verkaufen.Bild: Pislow

Inditex ist einer der wenigen Player, der das Geld hat, um bei der Recycling-Technik ganz vorne mitzumischen, glaubt der Mode-Experte José Nueno von der spanischen Business-Schule IESE: "Zu bedenken ist aber auch, dass der weltweite Anteil von Fast Fashion vielleicht 20 Prozent darstellt und die Dringlichkeit zu Änderungen vielleicht gröβer scheint als sie real ist".

Die umsatzstärksten Hersteller sind Sporttextilien-Anbieter wie Adidas und Nike sowie die französischen Luxusmarken-Konzerne Kering und LVMH. Der Spanier glaubt zudem, dass der Trend, Dinge zu mieten statt sie zu besitzen, auch bei der Mode in diesem Jahr einschlagen wird: "Kleider-Vermietungen gibt es in den USA schon seit einem Jahrzehnt, jetzt kommt das nach Europa".

José Luis NuenoBild: IESE Business School

Das in Barcelona ansässige Unternehmen Pislow bietet diesen Service zum Beispiel an. Online wird der Modetyp per Befragung und Algorithmus identifiziert. Für weniger als 40 Euro im Monat bekommt der Kunde dann jeweils zwei Teile und ein Acessoire von Pislow passend zum gewünschten Kleidungsstil geschickt. Nach vier Wochen gehen die Teile wieder an Pislow zurück, die sie reinigen für den nächsten Kunden. "Zudem sind auf vielen Märkten wie in den USA, Schneidereien wieder in, die alte Ware modisch aufpeppen", berichtet Nueno.

Nachhaltigkeit fördert Ansehen bei Konsumenten

Ein vorzügliches Image in Sachen Klimaschutz genießt in der spanischen Modebranche die Marke Ecoalf. Das Label setzt bereits seit 2009 auf Recycling-Mode und hat einen klaren Slogan: #becausethereisnoplanetB (es gibt keinen Planet B). "Weil sie kein 'Greenwashing' betreiben, sondern kohärent sind, erleben sie genau wie die noch etabliertere US-Marke Patagonia jetzt ihre Sternstunde", sagt Nueno. Ecoalf expandieren dank des Erfolges im Heimatmarkt jetzt ins Ausland und betreibt bereits ein Geschäft in Berlin. Das von Javier Goyeneche gegründete Label beteiligt sich nicht nur an der Säuberung der Meere, sondern hält sich auch vom Massenkommerz in Form von Aktionen wie dem Black Friday fern.

Javier Goyeneche hat die spanische Modemarke Ecoalf gegründet, die Kleidung aus PET-Flaschen herstellt.Bild: Ecoalf

Inditext setzt mittlerweile vermehrt auf Werbung in sozialen Medien, um das eigene Image zu verbessern. Influencer werden engagiert, Instagram mehr genutzt, um das Image zu pflegen. Dazu kündigte Inditex oberster Chef Pablo Isla im vergangenen Sommer an, dass bis 2025 100 Prozent der in seinen Kleidungsstücken verwendeten Baumwolle, Leinen und Polyester "ökologisch, nachhaltiger oder recycelt". Das wird der Bewegung "Fridays for Future" kaum reichen.

Wenig hilfreich ist auch, dass der schwerreiche Inditex-Gründer Amancio Ortega in der spanischen Gesellschaft wegen seiner auf Steueroptimierung angelegten Investitionen einen eher bescheidenen Ruf genießt. Seine soziales Engagement wie Spenden an Krankenhäuser oder Caritas werden von den linken spanischen Parteien als "reine Augenwischerei" abgetan.

Das spanische Modeunternehmen Ecoalf expandiert mittlerweile auch ins Ausland und betreibt bereits eine Filiale in Berlin.Bild: Ecoalf/A. Bohlender

Für nachhaltige Mode müssen Konsumenten umdenken

Auf Inditex, die mit 31 weiteren Firmen vor einigen Monaten den "Fashion Pact" zur Nachhaltigkeit unterschrieben haben, warten 2020 also groβe Herausforderungen. Dazu gehört neben dem sozialen Druck auch der Umgang mit dem wachsenden Erfolg von Second Hand-Mode: "Hier werden wir immer neue Plattformen, Messen, Marken und Geschäftslinien sehen", sagt Nueno voraus.

Aber alle neuen, egal wie innovativ sie sind, können wie Inditex ein Problem nicht umgehen: "Um wirklich nachhaltig zu agieren, müssen wir alle weniger konsumieren und die Wirtschaft zirkular agieren", sagt Valor und macht es mit Zahlen deutlich: "Weltweite Schätzungen gehen davon aus, dass allein in den USA pro Jahr 15 Millionen Tonnen Kleidung entsorgt werden, was doppelt so viel ist, wie vor 20 Jahren".

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