Zehn legendäre Bibelfilme
10. April 2020Als Regisseure haben Martin Scorsese und Mel Gibson dem Publikum in jüngster Zeit realistische Jesus-Darstellungen im Kino angeboten. Vorausgesetzt man akzeptiert, dass es sich bei der Darstellung der Lebens- und Leidensgeschichte von Jesus von Nazareth überhaupt um eine "reale" Geschichte handelt. Die zweifelnden und geschändeten Jesus-Figuren des US-Amerikaners Scorsese ("Die letzte Versuchung Christi"/1988) und des Australiers Gibson ("Die Passion Christi"/2004) kamen den Erwartungen eines aufgeklärten und jungen Publikums auf jeden Fall näher als die Bibelfiguren der früheren Kinogeschichte.
Hollywood und seine populären Passionsgeschichten
Schaut man sich heute die großen Bibel-Epen Hollywoods aus den 1950er und 60er Jahren an, als das Genre in voller Blüte stand, ist man von der Naivität und Simplizität der Filmgeschichten überrascht. Werke wie "Die zehn Gebote", "König der Könige" oder "Die größte Geschichte aller Zeiten" lassen sich eher mit modernen Kino-Mythen wie "Star Wars", "Matrix" oder "Die Tribute von Panem" vergleichen.
Ein einfaches Gut-und-Böse-Schema, griffige Charaktere sowie eine Inszenierung, die auf Action, Special-Effects und jede Menge Mystik setzt: Themen wie Glaube und Religion erscheinen in den populären Kino-Epen unserer Zeit in Form von Weltraumopern oder dystopischen Entwürfen.
Die einfache Passionsgeschichte von Jesus, der im Kreise seiner Jünger betet und dann ans Kreuz genagelt wird, kann da kaum noch mithalten. Schon die frühe "realistische" Jesus-Geschichte des italienischen Regisseurs Pier Paolo Pasolini, der 1964 seinen Film "Das 1. Evangelium - Matthäus" mit Laien, wenig Aufwand und in kargem Schwarz-Weiß in Szene setzte, war eher etwas für ein anspruchsvolles Kunst-Publikum. Die Massen schauten sich derweil im Kino Hollywood-Epen in Breitwand und Farbe an.
Passionsgeschichten der Gegenwart
Und heute? Inzwischen greifen Regisseure, die Passionsgeschichten auf christlichem Fundament erzählen, eher zu anderen Personenkonstellationen und ästhetischen Mitteln. Sie inszenieren weder im üppigen Dekor noch mit großen Komparsenheeren - selbst die letzte große Bibelverfilmung aus Hollywood "Maria Magdalena" setzte eher auf Minimalismus. Sie nehmen Umwege in Kauf, Metaphern und Symbole, und erzählen ihre Passionsgeschichten vor ganz anderem Hintergrund.
Filme wie "Jésus von Montréal" (1989) des Kanadiers Denys Arcand, "Breaking the Waves" (1996) von Lars von Trier oder "La vie de Jésus" (1997) von Bruno Dumont sind schon ein paar Jahre zurückliegende Beispiele für derartige Herangehensweisen. "Pieta" (2012) des Süd-Koreaners Kim Ki-duk oder auch "Kreuzweg" (2014) des deutschen Regisseurs Dietrich Brüggemann sind weitere Beispiele aus den vergangenen Jahren.
Sie alle kann man als moderne Transformationen der christlichen Passionsgeschichte interpretieren. Filme, die versuchen den Stoff des Neuen Testaments in einer gegenwärtigen, sozial- und gesellschaftskritischen Form zu erzählen.
"Lebensgeschichte Jesu wirkt bis heute..."
In einer ausführlichen Untersuchung ("Leid-Bilder - Die Passionsgeschichte in der Kultur", Schüren Verlag 2018) versucht ein Autoren-Kollektiv diese modernen Passions-Deutungen des Kinos zu interpretieren: "Das emotionale Potenzial der in den Evangelien erzählten Lebensgeschichte Jesu wirkt auch deshalb bis heute, weil die Schilderungen einerseits äußerst bildhaft sind und dadurch nachvollziehbar werden - andererseits nimmt das Narrativ eine (…) grundsätzliche Ambivalenz des menschlichen Lebens auf und versucht, Orientierung zu generieren", so die Autoren.
Doch diese "Ambivalenz des menschlichen Lebens" in Zusammenhang mit der Passionsgeschichte lässt sich für viele Regisseure besser darstellen, indem sie Personen und Stoff in die Gegenwart versetzen. Schauplätze sind dann nicht selten die Randgebiete der modernen Metropolen unseres Jahrhunderts, Charaktere ganz normale Menschen, oft Außenseiter und Verstoßene.
Doch die Botschaft bleibt: "So lange es Ungerechtigkeit, Intoleranz und Herzlosigkeit auf der Welt gibt, so lange wird das sozialkritische Potenzial des Passionsnarrativs (…) auf unterschiedliche Art und Weise adaptiert und aktualisiert werden", so die Verfasser von "Leid-Bilder".
Die Kirchenväter müssen sich nicht grämen, das Kino transportiert die uralte Geschichte aus den Evangelien weiter - nur eben in neuem Gewand: "So lange wird die Geschichte vom Leiden und Sterben Jesu Teil unseres kollektiven Gedächtnisses sein."
Natalie Fritz/Marie-Therese Mäder/Daria Pezzoli-Olgiati/Baldassare Scolari (Hg.) Leid-Bilder - Die Passionsgeschichte in der Kultur, 600 Seiten, Schüren-Verlag, ISBN 978-3-89472-715-4.
Bei diesem Artikel handelt es sich um eine aktualisierte Version eines früheren Artikels von 2018.