1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Einwanderung mal nüchtern betrachtet

8. November 2018

Informationen statt Vorurteile - dafür steht der Sachverständigenrat für Integration und Migration seit 2008. Mit der Flüchtlingsdebatte ist auch seine Bedeutung für die Bundespolitik gewachsen.

Deutschland Ankunft von Flüchtlingen
Bild: picture-alliance/dpa/F. Kästle

Migration "ist die Mutter aller politischen Probleme" - Bundesinnenminister Horst Seehofer hat diesen markigen und vielfach kritisierten Satz geprägt. Er bildet so etwas wie den verbalen Höhepunkt der aufgeheizten deutschen Debatte über Flüchtlingspolitik. Seit 2015, als ungewöhnlich viele Schutzsuchende nach Deutschland kamen, stehen Asyl und Migration erneut im Mittelpunkt der medialen und politischen Aufmerksamkeit.

In solchen Zeiten ist die Tätigkeit des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) umso wichtiger. Denn dessen Hauptaufgabe sieht der Vorsitzende und Wirtschaftswissenschaftler Thomas Bauer darin, "Fragen der Integration und Migration nüchtern zu analysieren und der Politik auf dieser Grundlage Vorschläge zu machen, wie sie Integrations- oder Migrationspolitik besser machen kann".

Hinter dem Sachverständigenrat mit dem sperrigen Namen verbirgt sich ein Gremium aus neun Wissenschaftlern verschiedener Bereiche, das in dieser Woche sein zehnjähriges Bestehen feiert und unter anderem von der Stiftung Mercator, der Volkswagen- und der Bertelsmannstiftung ins Leben gerufen wurde.

Einwanderer nehmen Deutschen keine Arbeitsplätze weg

Der SVR bringt einmal im Jahr sein Gutachten heraus - 2016 stand dabei beispielsweise religiöse Vielfalt in Deutschland im Vordergrund, 2018 waren es gesetzgeberische Möglichkeiten, Migration zu steuern. Zudem wird alle zwei Jahre ein sogenanntes Integrationsbarometer erhoben, das die Stimmung der Gesellschaft gegenüber Integration misst.

Der diesjährige Barometer förderte etwa zutage, dass - anders als es in der öffentlichen Debatte manchmal erscheinen mag - die meisten Deutschen das Zusammenleben mit Zuwanderern insgesamt als "weiter positiv" bewerten. Und dass die Stimmung gegenüber Migranten besonders dort schlecht ist, wo weniger Zugewanderte leben, es also auch weniger Kontakt zu ihnen gibt.

Auch den Mythos, dass Zuwanderer Einheimischen die Stellen wegnehmen, hat der Sachverständigenrat in den vergangenen Jahren in den Blick genommen und festgestellt: Dafür gibt es nahezu keine empirische Evidenz.

Fundierte Forschung gegen Halbwahrheiten

Die Arbeit des SVR würdigte zu dessen zehntem Geburtstag auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz. Es sei von unschätzbarem Wert, dass die geleistete Integrationsforschung die oftmals "harschen Töne in der Debatte in das richtige Licht rückt und die Debatte mit Fakten versachlicht", so die CDU-Politikerin in Berlin. 

Staatsministerin Widmann-Mauz und Bauer nach einer Pressekonferenz zum Integrationsbarometer 2018Bild: picture-alliance/dpa/S. Stache

Der Vorsitzende Bauer wünscht sich, dass die Forschung des Sachverständigenrates nicht nur der Bundesregierung und den Medien, sondern auch der Bevölkerung Erkenntnisse liefert, auf deren Basis das emotional besetzte Thema Migration sachlicher diskutiert werden kann.

Bleibt die Frage, ob sachliche Argumente in den Filterblasen der sozialen Netzwerke überhaupt noch ankommen. Dazu Bauer: "Wir machen inzwischen sehr viel mehr Pressearbeit als in den Anfangsjahren und geben öffentliche Vorträge, in denen wir unsere Erkenntnisse kommunizieren. Wir können aber letztendlich nur ein Angebot machen."

"Absolut unabhängig"

Für die Glaubwürdigkeit des SVR ist es unerlässlich, dass er unabhängig agiert und keine politische Agenda hat, betont Bauer. Auch die geldgebenden Stiftungen nähmen "keinerlei Einfluss", sähen beispielsweise das Jahresgutachten auch erst am Abend vor der Pressekonferenz. Er findet: "Wir haben uns über die Jahre einen guten Ruf als unabhängiges Expertengremium erarbeitet, das alle Facetten und Argumente gegeneinander abwägt. Da trifft man natürlich den einen oder anderen hin und wieder auf die Füße. Aber das gehört dazu."

Die Altenpflege ist in Deutschland besonders vom Fachkräftemangel betroffenBild: picture-alliance/dpa/J. Wolf

Das geplante Fachkräftezuwanderungsgesetz der Bundesregierung sieht Bauer beispielsweise positiv: "Es ist notwendig, angesichts des demografischen Wandels und Fachkräftemangels die Zuwanderung von Personen ohne akademischen Abschluss zu vereinfachen." In Sachen Migrations- und Asylpolitik spiele sich vieles aber mittlerweile auch auf EU- oder internationaler Ebene ab.

Dazu passt etwa der UN-Migrationspakt, der eine internationale Grundlage für den staatlichen Umgang mit Migranten schaffen und in wenigen Wochen verabschiedet werden soll. Auf den Einwand, dass dieser, weil völkerrechtlich nicht bindend, ein zahnloser Tiger werden könne, erwidert Bauer: "Aber es gibt dann zumindest mehr öffentlichen Druck und Aufmerksamkeit. Die Vereinten Nationen haben auch angekündigt, dass sie das Erreichen der Ziele prüfen wollen - wie, das ist allerdings noch unklar."

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen