Friedhofsspaziergänge gehören zum touristischen Angebot in vielen Städten. Gräber von Prominenten und Grabstätten der Vergangenheit erzählen spannende Geschichten von Leben und Tod.
Anzeige
11 außergewöhnliche Friedhöfe in Europa
In vielen Städten gehören Friedhofsspaziergänge zum touristischen Angebot. Gräber von Prominenten und Grabstätten der Vergangenheit erzählen bewegende Geschichten von Leben und Tod. Elf Refugien der Ruhe zur Auswahl:
Bild: picture-alliance/dpa/U. Zucchi
Für Künstler: Nekropole Kassel
Ein Friedhof mitten im nordhessischen Wald, initiiert von Documenta-Künstlern, die zu Lebzeiten hier ihr eigenes Grabmal gestalten und sich darin nach ihrem Tod bestatten lassen. Bisher sind neun verschiedene Grab-Kunstwerke entstanden. So das von Ugo Dossi: "Denk-Ort" aus massiven Stahlplatten. Besucher können die Bildelemente der Installation auf Papier oder Stoff übertragen und mitnehmen.
Bild: picture-alliance/dpa/U. Zucchi
Für Romantiker: Père Lachaise, Paris
Blätter tanzen im Wind, die Wege sind sandig. Im Herbst ist dieser wild-romantische Friedhof im Nordosten der französischen Hauptstadt am schönsten. Unvergessen und viel besucht von ihren Fans aus der ganzen Welt sind die hier begrabenen Künstler wie Oscar Wilde, Eugene Delacroix, Sara Bernardt, Maria Callas, Edith Piaf, Frederic Chopin, Jim Morrison - die Liste ist beinahe unendlich.
Bild: Paris Tourist Office/Marc Verhille
Für Pilger: Campo Santo Teutonico
Der traditionsreiche Friedhof der deutsch- und flämischsprachigen Länder liegt wie eine Oase mit Palmen, Kapern und Oleander neben dem Petersdom im Vatikan. Der Boden des Friedhofs ist geradezu mit Grabplatten gepflastert, die Wände ebenso. Darunter sind auch besonders gestaltete Grabstätten etwa mit Engelskulpturen oder Kreuzwegszenen zu entdecken.
Bild: picture-alliance/R. Braum
Für Baumeister: Cimitero Monumentale
Griechische Tempel, ägyptische Pyramiden, bis zu 20 Meter hohe Obelisken - der Cimitero Monumentale in Mailand macht seinem Namen alle Ehre. Hier liegen die Reichen, und das wird auch im Tod ganz deutlich. Er gilt als der prunkvollste und prächtigste von allen Friedhöfen Italiens. 1866 wurde das rund 200.000 Quadratmeter große Areal eröffnet.
Bild: picture-alliance/dpa/Themendienst
Für Humorvolle: Kramsach, Österreich
Wer diesen Museumsfriedhof in Tirol besucht, hat es vor allem auf die hintersinnigen Sprüche auf den Grabkreuzen abgesehen. Hier steht vermutlich eine der skurrilsten Sammlungen alter, metallener Grabkreuze in Europa. Kostprobe: "Hier fiel Jakob Hosenknopf vom Hausdach in die Ewigkeit". Oder: "Hier schweigt Johanna Vogelsang, sie zwitscherte ihr Leben lang." Echte Tote sind hier nicht beerdigt.
Bild: picture-alliance/U. Gerig
Für Lebensfrohe: Melaten, Köln
Der Friedhof, im Mittelalter auch als Hinrichtungsstätte genutzt, umfasst heute rund 55.000 Gräber. Neben der "Millionenallee" mit den aufwändigen Grabstätten von reichen Kölnern wie der Familie Farina, die das Eau de Cologne erfand, sind auch liebenswerte Skulpturen wie dieser Clown am Grab eines passionierten Karnevalisten zu finden.
Bild: DW/ Maksim Nelioubin
Für Historiker: Jüdischer Friedhof, Hamburg
Der Friedhof gilt Forschern wegen der hohen Zahl gut erhaltener Grabsteine als einzigartig. Von fast 9000 Grabsteinen gibt es noch rund 6000. Auch ist der Friedhof der älteste Begräbnisort sephardischer und aschkenasischer Juden in Nordeuropa. Für die Aufnahme in die Unesco-Welterbeliste wird die über 400 Jahre alte Begräbnisstätte zur Zeit geprüft.
Bild: picture-alliance/dpa/A. Heimken
Für Flaneure: Friedhof Ohlsdorf, Hamburg
Mit einer Fläche von 391 Hektar ist er der größte Parkfriedhof der Welt. Die Anlage mit ihren Bäumen, Bächen und Teichen vereint historische Bauten, Denkmäler und moderne Grabstätten. Seit der Einweihung 1877 fanden hier über 1,4 Millionen Beisetzungen statt. Zu den 235.000 Grabstätten gehören auch die von Schauspieler und Regisseur Gustaf Gründgens und Schriftsteller Wolfgang Borchert.
Bild: picture-alliance/BREUEL-BILD
Für Musikalische: Zentralfriedhof, Wien
Hier sind die Großen Österreichs versammelt, darunter die Crème de la Crème der Musiker und Komponisten - bis auf Mozart. Hier liegen Beethoven, Brahms, Strauss und Schubert, Arnold Schönberg bis hin zu Falco und Udo Jürgens. Der 1874 eröffnete Zentralfriedhof hat ein Wegenetz von insgesamt 450 Kilometern zwischen den 330.000 Grabstätten.
Bild: Elizabeth Subercaseaux
Für Mozartfans: Sankt Marxer, Wien
Und hier könnte Mozart liegen, in einem Armengrab. Erst 17 Jahre nach seinem Tod am 5. Dezember 1791 versuchte seine Frau Constanze, sein Grab zu finden. Da es aber nicht bezeichnet war, musste man sich auf höchst unsichere Erinnerungen der Friedhofsangestellten verlassen. Es ist daher nicht möglich anzugeben, wo Mozart genau beerdigt worden ist.
Bild: picture-alliance/CHROMORANGE/E. Weingartner
Für Klassiker: Historischer Friedhof, Weimar
Der 1818 eröffnete Friedhof ist die Grablege der Herzöge, in der auch die Särge der Dichterfürsten Johann Wolfgang Goethe und Friedrich Schiller aufbewahrt sind - wobei in Schillers Sarg gar nicht seine Gebeine liegen. Auf dem Gelände steht auch eine russisch-orthodoxe Kapelle, die die russisch-orthodoxe Gemeinde heute für ihre Gottesdienste nutzt.
Bild: picture-alliance/DUMONT
11 Bilder1 | 11
Ruhe finden oder den Hauch der Geschichte spüren - die Gründe, warum Touristen zwischen Sehenswürdigkeiten auch mal einen Friedhof ansteuern, sind vielfältig.
Der Wiener Zentralfriedhof, der Highgate Cemetery in London oder der größte Parkfriedhof der Welt in Hamburg-Ohlsdorf: Sie tauchen in den Hitlisten der beliebtesten Grabstätten immer wieder auf. Hier haben Berühmtheiten und historische Persönlichkeiten ihre letzte Ruhe gefunden. Jahrhundertealte Architektur zieht Besucher aus aller Welt offenbar ebenso an wie eine melancholisch-herbstliche Stimmung. Manche Friedhöfe werden auf Online-Portalen gar als Naherholungsgebiet beworben.
Mitten im Leben vom Tod umfangen
Diese Faszination ist nach Einschätzung von Experten jedoch mehr als ein Tourismus-Trend. Der Friedhof habe "kunst- und kulturhistorisch eine unbestreitbare Bedeutung", sagt der Geschäftsführer des Kuratoriums Deutscher Bestattungskultur, Oliver Wirthmann. "Kultur beginnt dort, wo Menschen ihre Toten bestatten."
Diesen kulturellen Wert würdigt auch die Unesco: Mehrere Friedhöfe gehören zum Weltkulturerbe, etwa der schwedische Waldfriedhof Skogskyrkogarden oder der Lytschakiwski-Friedhof in Lviv (Lemberg) in der Ukraine. Auch deutsche Friedhöfe haben sich bereits beworben, etwa der Jüdische Friedhof in Berlin-Weißensee; der Jüdische Friedhof Hamburg-Altona könnte 2017 nominiert werden.
Eine Initiative strebt zudem die Aufnahme der deutschen Friedhofskultur auf die Liste des Immateriellen Welterbes an. Friedhöfe seien identitätsstiftend, heißt es in ihrem Antrag an die Weltkulturorganisation.
Zudem sind Friedhöfe die größten Skulpturenparks in Deutschland, wie der Verband Gedenkkultur kürzlich mitteilte. Viele einzigartige, individuelle Stein- oder Bronzearbeiten auf Friedhöfen brauchten den Vergleich mit Museums-Stücken nicht zu scheuen, erklärt Verbandssprecher Tobias Pehle. Im Gegensatz zum Museum sei dieser Kulturraum allen täglich kostenfrei zugänglich.
Spirituelle Begegungen
Ob Mozart auf dem Sankt Marxer Friedhof in Wien oder Jim Morrison auf dem Pariser Père Lachaise: Von der Pilgerreise zu Promi-Ruhestätten lasse sich durchaus etwas für den Umgang mit "normalen" Gräbern lernen, meint Wirthmann. So könnten Menschen auch das Grab eines Angehörigen als Begegnungsort für die eigene Familie wiederentdecken.
Von physischer Nähe zu einem Verstorbenen erhofften sich die Menschen immer auch eine spirituelle Nähe, erklärt der Sprecher der Deutschen Friedhofsgesellschaft, Wilhelm Brandt. Bei berühmten Gräbern gehe es den Besuchern häufig darum, eine Art "Hauch der Geschichte" zu spüren: Wer das Grab von John F. Kennedy besuche, habe ähnliche Motive wie jemand, der die Originalmöbel des 1963 ermordeten US-Präsidenten im Museum betrachte.
"Früher kam hinzu, dass Friedhöfe immer auch ein Stück Stadtgeschichte abgebildet haben", so Brandt - also eine Art eigenes touristisches Potenzial hatten. Der "Freundeskreis Melaten" bewirbt den gleichnamigen berühmten Friedhof in der Domstadt auch heute noch mit dem Slogan "Lebendige Geschichte in Köln".
Das Gedenken an Politiker und Künstler verändere sich unterdessen genauso wie die Bestattungskultur insgesamt, sagt Brandt. "Es verlagert sich ins Digitale: So wie Angehörige online Trauerseiten gestalten und virtuelle Kerzen anzünden, gibt es auch immer mehr Gedenkseiten für Promis."
Pehle beobachtet zugleich einen Trend zurück zu traditionellen Bestattungsformen. Für viele Menschen sei die Frage nach würdevollem und feierlichem Gedenken ähnlich zentral wie die Gestaltung von Hochzeiten. Diese "neue Bürgerlichkeit" sei "eine Entwicklung, die der Friedhofskultur eher nützt als schadet".