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Zehnkämpfer Leo Neugebauer - endlich König der Athleten

22. September 2025

Leo Neugebauer krönt sich bei der Leichtathletik-WM in Tokio mit einem Kraftakt zum Zehnkampf-Weltmeister. Für den Studenten eines US-Colleges ist es der goldene Abschluss einer Achterbahnsaison.

Zehnkämpfer Leo Neugebauer bei Leichtathletik-WM in Tokio auf der Ehrenrunde mit deutscher Fahne
Mit 8804 Punkten gewinnt Leo Neugebauer die Weltmeisterschaft im Zehnkampf und holt seinen ersten großen TitelBild: Stefan Mayer/Eibner-Pressefoto/picture alliance

"Ich fühle mich fantastisch", rief Leo Neugebauer über das Stadionmikrofon, als er wieder zu sich gekommen war. Unter dem Jubel der Fans hatte sich der deutsche Zehnkämpfer bei der Leichtathletik-WM in Tokio über die abschließenden 1500 Meter ins Ziel geschleppt. Auf den letzten Metern war er nur noch getorkelt und dann als neuer Zehnkampf-Weltmeister zu Boden gesunken.

Ein Rollstuhl wurde eigens herbeigebracht für Neugebauer, den neuen König der Athleten, in dem er kurzzeitig Platz nahm und gefahren werden musste. Doch dann erhob sich der völlig erschöpfte Sieger wieder, um die Goldmedaille in Empfang zu nehmen, mit der er sich einen lange gehegten Traum erfüllte.

Der König von Tokio

Ein Jahr nach Olympia-Silber in Paris jubelte der 25-Jährige über den ersten ganz großen Titel seiner Karriere. "Ich muss ehrlich sagen, dass diese Saison eine Achterbahnfahrt war, mit Gold habe ich nicht gerechnet. Ich bin megahappy", sagte Neugebauer im Interview mit dem deutschen Fernsehen.

Tatsächlich verlief der Weg zum großen Erfolg holprig: Bei den Deutschen Meisterschaften in Dresden startete Neugebauer Anfang August nur in sechs Disziplinen, um gezielt an seiner Technik zu arbeiten. Beim bedeutenden Zehnkampf-Meeting in Götzis in Österreich hatte es im Juni zuvor lediglich zu Platz fünf gereicht.

Völlig erschöpft: Nach dem 1500-Meter-Lauf zum Abschluss muss der neue Weltmeister erstmal versorgt werdenBild: Edgar Su/REUTERS

Nach seinem internationalen Durchbruch im vergangenen Jahr hatte Neugebauer lernen müssen, mit dem gestiegenen Erwartungsdruck und dem Medieninteresse umzugehen - er selbst meinte, in dieser Saison sei "sehr viel los" gewesen und er habe wenig Zeit gehabt, um zur Ruhe zu kommen.

Immer wieder gab es auch Zweifel, ob er rechtzeitig zur WM in Topform sein würde, besonders im Speerwurf kämpfte er lange mit technischen Problemen, bevor ihm kurz vor dem Saisonhöhepunkt der Durchbruch gelang.

Dramatik bis zum Schluss

Mit nur 20 Punkten Vorsprung setzte sich Neugebauer in der knappsten Zehnkampf-Entscheidung der WM-Geschichte gegen Ayden Owens-Delerme aus Puerto Rico mit 8784 Punkten durch. Bronze sicherte sich in einem immens spannenden Wettkampf Kyle Garland aus den USA (8703). Neugebauers deutscher Teamkollege Niklas Kaul, der 2019 WM-Gold gewonnen hatte, wurde Vierter (8538).

Neugebauer galt im Vorfeld nicht als Topfavorit auf den Titel, doch der deutsche Rekordhalter präsentierte sich in Japan dann in Topform und leistete sich weniger Ausrutscher nach unten als die Konkurrenz. Mit einer Galavorstellung im Diskuswurf (56,15 m) und für ihn ganz starken Ergebnissen mit dem Speer (64,34 m) und über die 1500 m (4:31,89 Minuten) zog er auf und davon.

Damit gewann Neugebauer am letzten WM-Tag in Tokio mit dem drittbesten Zehnkampf seiner Karriere das erste Gold für das deutsche Leichtathletik-Team in Tokio.

Studium und Training in den USA

Dass Neugebauer heute zur Weltspitze gehört, verdankt er auch seinem Schritt über den Atlantik. Seit mehreren Jahren studiert und trainiert der gebürtige Stuttgarter an der University of Texas in Austin. Dort findet er optimale Bedingungen vor: modernste Trainingsanlagen, ein erfahrenes Trainerteam und die Möglichkeit, Studium und Spitzensport perfekt zu verbinden.

Die US-College-Szene ist bekannt für ihre professionelle Förderung von Talenten - Neugebauer profitiert von der intensiven Betreuung und dem täglichen Wettkampf mit den besten Nachwuchsathleten der Welt.

Seit 2019 studiert und trainiert Leo Neugebauer in den USA und tritt für die Texas Longhorns bei Wettkämpfen anBild: Larry C. Lawson/Newscom/picture alliance

Die Entscheidung für das College-Leben in den USA war für Neugebauer ein Meilenstein. "Ich wollte mich sportlich und persönlich weiterentwickeln", sagte er einmal in einem Interview.

In Austin hat er nicht nur sportlich einen Sprung gemacht, sondern auch gelernt, mit Drucksituationen umzugehen und sich auf höchstem Niveau zu behaupten. Die Erfahrungen aus den College-Wettkämpfen haben ihn abgehärtet - und nun zum Weltmeister gemacht.

Dritter Zehnkampf-Weltmeister aus Deutschland

Nach Kaul und Torsten Voss, der 1987 in Rom Gold für die DDR gewann, ist Neugebauer der erst dritte Zehnkampf-Weltmeister aus Deutschland. Neugebauer nutzte bei seinem Coup auch den Patzer seines Rivalen Sander Skotheim aus Norwegen, der als Topfavorit startete und erneut ein Drama erlebte.

Zum zweiten Mal nach Paris kann Sander Skotheim einen großen Zehnkampf als Favorit nicht beendenBild: Petr David Josek/AP Photo/dpa/picture alliance

Skotheim, der mit 8909 Punkten als Nummer eins der Welt nach Japan gereist war, stolperte zum Start in den zweiten Wettkampftag über die Hürden, stieß daraufhin ein Hindernis mit den Händen um - und wurde deshalb disqualifiziert. Schon bei Olympia in Paris hatte Skotheim auf Goldkurs gelegen, war dann aber im Stabhochsprung ohne gültigen Versuch geblieben.

Auch Neugebauer kämpfte sich in Tokio durch einige Tiefen, nach dem Ende des ersten Wettkampftages klagte er sogar über Knieprobleme - aber er biss sich durch und wurde am Ende belohnt.

Fehler-Festival mit Happy End

Neugebauer hatte schon im Vorfeld angekündigt, dass der Zehnkampf bei der WM eine Wundertüte werden würde. Es könne "alles passieren", hatte er gesagt und dann kam es tatsächlich zu einer Art Fehler-Festival: keiner der Medaillenkandidaten kam ohne Probleme durch - und Neugebauer leistete sich am Ende die wenigsten Schwächen.

Sich keinen großen Kopf machen, nicht so viel rechnen, sondern "von Disziplin zu Disziplin schauen", war Neugebauers Motto. Diese Taktik ging auf - nun sitzt Leo Neugebauer auf dem Zehnkampf-Thron.

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