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Zehnkampf der "grünen" Städte

13. Oktober 2010

Die meisten Menschen leben in Städten. Deshalb ist dort umweltbewusstes Handeln wichtiger als je zuvor. Was dazu gehört, sollen die "Umwelthauptstädte" der EU vormachen.

Reihenhaussiedlung mit Sonnenkollektoren auf den Dächern (Foto: KfW-Bildarchiv / Thomas Klewar)
Auch in Städten kann Strom klimafreundlich gewonnen werdenBild: KfW-Bildarchiv/Thomas Klewar
Wettbewerbe spornen zu mehr Leistung an. Schließlich verschafft ein Erfolg dem Sieger Ruhm und Ehre. Daran dachten wohl auch die sechzehn Vertreter europäischer Städte, als sie im Frühjahr 2006 in Tallinn den Wettbewerb um den Titel der Umwelthauptstadt Europas erfanden. Zum ersten Gewinner dieses Kräftemessens wurde für das Jahr 2010 Stockholm ernannt, 2011 wird Hamburg den Lorbeerkranz der grünsten Stadt Europas tragen.

Mehr Sportsgeist bei "grüner" Stadtentwicklung ist längst überfällig – in der EU genauso wie in anderen Städten auf der Welt. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt schließlich in Städten, in der Europäischen Union sind es sogar achtzig Prozent aller Menschen. Fast vier Fünftel der täglich entstehenden Treibhausgase werden durch Städte und ihre Einwohner verursacht. Darum tragen vor allem Städte eine große Verantwortung bei der Verringerung klimaschädlicher Emissionen.

Zehn Kriterien für eine "grüne" Stadt

Aber was muss getan werden, um die umweltfreundliche – und gleichzeitig menschenfreundliche – Stadt der Zukunft zu bauen? Dafür entwickelte die EU-Kommission, die den Titel der Umwelthauptstadt vergibt, zehn Kriterien. Die Gewinnerstadt müsse hohe Umweltstandards erfüllen, heißt es darin, und sie soll als Vorbild für andere geeignet sein.

Hamburg baut in der Hafen City einen ganzen Stadtteil neuBild: Foto: Fotofrizz/ Quelle: HafenCity Hamburg GmbH

Das Urteil der Jury

Die Jury begründete ihre Entscheidung für Hamburg unter anderem mit den "ambitionierten Klimaschutzzielen" der Hansestadt. Sie will bis 2020 ihren CO2-Ausstoß um 40 Prozent gegenüber 1990 senken, bis 2050 sogar um 80 Prozent. Sammelte Hamburg also mit großen Zielen seine Punkte, anstatt mit großen Leistungen? Das trifft nur teilweise zu. Zwar wurden auch die selbst gesteckten Klimaschutzziele der Städte bewertet. Völlig unklar ist, ob diese Ziele erreicht werden. Immerhin aber liegt in Hamburg schon heute der CO2-Ausstoß gemessen pro Einwohner unter dem in Freiburg, das ebenfalls zu den Bewerbern in der Endrunde des Wettbewerbs gehörte und sich gerne selbst als die "Geburtsstadt der Grünen Bewegung" bezeichnet. In Hamburg sind es 8,84 Tonnen CO2 je Einwohner und Jahr (2006), in Freiburg 9,28 Tonnen (2005). Das geht aus den Angaben hervor, die die Städte in ihren Bewerbungen machten. Aktuellere Zahlen lagen nicht vor.

Auch in anderen Kategorien lag die Hansestadt vor vielen ihrer Mitbewerber. So ist in Hamburg nach Einschätzung der Jury die Wasserqualität besser als in Bristol, Oslo, Freiburg und Münster. Auch beim Abfallmanagement und der Luftreinheit ließen die Norddeutschen die meisten Mitbewerber hinter sich.

Ungereimtheiten

Auch die Fahrrad-Stadt Münster drang in die Endrunde der "grünen" Städte vorBild: Presseamt Münster/Angelika Klauser

An anderer Stelle gibt es allerdings Ungereimtheiten. Die Radler-Stadt Amsterdam erhielt beispielsweise nur einen Punkt mehr für ihr fahrradfreundliches Verkehrskonzept als Hamburg. Dabei stellte die Jury selbst fest: Amsterdam hat eine "beeindruckende Leistung" vollbracht, weil dort mehr Menschen mit dem Rad fahren als mit dem Auto. Neun Zehntel der Verkehrsfläche sei sicher für Radfahrer. Wer doch einmal ein Auto braucht, kann sich an einer Car-Sharing-Station bedienen.

Von solchen Zuständen ist Hamburg weit entfernt - selbst in der so genannten HafenCity. Dort wird ein ganzer Stadtteil neu gebaut, der die Innenstadtfläche um 40 Prozent vergrößert. Es könnten dort alle Chancen genutzt werden, die umweltfreundliches Planen und Bauen heutzutage bieten. Doch statt aufs Rad setzen die Stadtpolitiker dort aufs Auto, als gäbe es keinen Klimawandel. Das kritisiert auch der Hamburger Zukunftsrat, ein Zusammenschluss engagierter Bürger, Unternehmen und Verbände. Fazit des Zukunftsrates: Den Erfolg beim Wettbewerb der "grünen" Städte habe Hamburg weit weniger seinen Politikern zu verdanken als vielmehr den vielen engagierten Bürgern und Nichtregierungsorgansiationen in der Stadt, meint die Sprecherin des Zukunftsrates, Delia Schindler.

Auch die Jury der EU-Kommission lobte das breitgefächerte Umwelt-Engagement in Hamburg. Dafür erhielt die Stadt eine Spitzenpunktzahl in der Kategorie "Informationsverbreitung". Die Juroren lobten damit die Einbindung junger Menschen in die Umweltziele Hamburgs, die aktiven Umwelt-Netzwerke der Hansestadt sowie ihren "Enthusiasmus", mit dem sie mit anderen Umweltorganisationen in der EU zusammenarbeite.

Das soll Schule machen, europaweit. Mit einem sogenannten "Zug der Ideen" will die Hansestadt 2011 quer durch Europa fahren, um über das grüne Hamburg zu informieren und neue Ideen zu sammeln, auch bei der unterlegenden Konkurrenz.

Autor: Martin Schrader

Redaktion: Klaus Esterluss

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