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Politik

Zehra Doğan: Rebellin mit Feder und Pinsel

26. Februar 2019

Sie bildete das Leben im Südosten der Türkei während des Ausnahmezustands ab. Darum musste die kurdische Künstlerin und Journalistin Zehra Doğan ins Gefängnis. Jetzt ist sie frei - und kämpft weiter.

Zehra Dogan Karikatur
Bild: picture-alliance/Photoshot

"Sie fragten mich: 'Warum hast Du dieses Bild gemalt von den zerstörten Häusern mit türkischer Fahne?' Dann warfen sie mich ins Gefängnis. Dabei sind sie es, die dieses Bild gemacht haben. Ich habe es nur illustriert."

Die kurdische Künstlerin und Journalistin Zehra Doğan teilt dies in den sozialen Medien, als sie erfährt, dass sie wegen ihrer Bilder, Artikel und Posts inhaftiert werden soll. Als sie im Gefängnis ist, sorgen ihre Freunde für Öffentlichkeit.

Zwei Mal saß Zehra Doğan wegen angeblicher terroristischer Verbindungen im Gefängnis. Seit dem 24. Februar ist sie wieder frei. Derzeit erlebe sie ein Chaos der Gefühle, erzählt sie. Sie fühle sich schlecht, weil sie die anderen Frauen in ihrer Zelle zurücklassen musste.

"Mitten in der Nacht wachte ich auf und musste mich erst wieder daran erinnern, dass ich nicht mehr im Gefängnis war", berichtet sie der DW über ihre erste Nacht in Freiheit. "Im Gefängnis hatte ich den Kindern Märchen erzählt, ich hatte meine Freundinnen gezeichnet, die in den Hungerstreik getreten waren. Ich war froh, dass ich eine Beschäftigung fand. Wenn man sich erst einmal an etwas gewöhnt, denkt man: 'Das ist ab jetzt mein Leben.' Ich habe mich ans Gefängnis gewöhnt und jetzt überlege ich, was ich in Zukunft machen kann."

Der Journalismus änderte ihr Leben

Geboren wurde Zehra Doğan 1989 in Diyarbakır im Südosten der Türkei. An der dortigen Dicle Universität studierte sie Kunst, sie wollte Lehrerin werden. Damals ahnte sie noch nicht, dass sie bald eine neue Leidenschaft finden sollte.

Es war der Journalismus, der ihr Leben veränderte: Sie wollte über den Alltag der Kurden im Südosten der Türkei berichten. 2012 war sie eine der Mitbegründerinnen von Jin Haber (JINHA), der ersten nur von Frauen betriebenen Nachrichtenagentur der Türkei. Für eine Reportage über Jesidinnen im Sindschar bekam sie 2015 den Metin-Göktepe-Journalisten-Preis. Bis zum Putschversuch 2016 arbeitete sie dort mit viel Elan als Reporterin und Redakteurin.  

Zehra Doğan, kämpferische Kurdin, Malerin und JournalistinBild: privat

Das Malen vernachlässigte sie dabei nie. Doch JINHA war eines der Medienunternehmen, die während des Ausnahmezustands per Sonderdekret verboten wurden.

Schon 2015 hatte die Regierung den Friedensprozess mit den Kurden aufgekündigt. Es gab wieder Unruhen und militärische Interventionen im Südosten des Landes, und das beeinträchtigte auch die Arbeit der Journalisten in diesen Gebieten, in denen mehrheitlich Kurden wohnen. Die Zusammenstöße zwischen der türkischen Armee und der kurdischen PKK zogen Ausgangssperren nach sich. Zu dieser Zeit arbeitete Zehra Doğan im Stadtteil Nusaybin in der Provinzhauptstadt Mardin und malte die Häuser mit der türkischen Flagge.

Zehra im Gefängnis - ihre Kunst in Europa

Ihre Veröffentlichungen in den sozialen Netzwerken, ihre Artikel und Bilder brachten Zehra Doğan eine Anklage wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ein. Am 23. Juli 2016 wurde sie in Mardin festgenommen und inhaftiert. Nach ihrer ersten Anhörung ließ sie das Gericht im Dezember 2016 wieder frei.

Kurz danach stellte sie ihre Bilder aus, die sie in Haft gemalt hatte. Die Ausstellung trug den Namen "141" - die Anzahl der Tage, die sie hinter Gittern war. Doch das sollte nicht das Ende ihrer Haft sein. Und es gab auch weitere Ausstellungen ihrer Bilder.

Die Anschuldigung, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, wurde fallen gelassen, aber Sicherheitsbeamte nahmen sie am 2. Juni 2017 erneut in Haft. Dieses Mal wurde ihr vorgeworfen, Terrorpropaganda zu verbreiten. Sie kam ins Gefängnis in Diyarbakır - und ihre Ausstellung "141" tourte währenddessen durch Europa.

Banksy zeichnet für Zehra Doğan

Prominente Unterstützung - das Wandbild von Banksy für Zehra Doğan in New York Bild: picture- alliance/AP Images/Star Max/Ipx/D. V. Tine

Auch die Öffentlichkeit außerhalb der Türkei reagierte auf die Inhaftierung von Zehra Doğan. Der prominenteste Protest kam vom englischen Street-Art-Künstler Banksy. Er zeichnete 2018 in New York ein Wandbild, das die Künstlerin hinter Gittern zeigt, darunter der Schriftzug "Freiheit für Zehra Doğan". Doğan war so gerührt von dieser anerkennen Geste Banksys, dass sie ihm einen Dankesbrief schrieb und ihn aus dem Gefängnis schmuggeln ließ.

Eine weitere Würdigung kam ebenfalls aus den USA: Im Oktober 20018 zeichnete die International Women's Media Foundation Zehra Doğan mit dem Preis für Mut im Journalismus aus (Courage in Journalism Award), für ihre Reportagen aus Cizre und Nusaybin.

Menstruationsblut - aus Mangel an Farbe

Während ihre Unterstützer außerhalb der Gefängnismauern sich für die politische Gefangene einsetzten, war Zehra Doğan im Knast mit ganz anderen Herausforderungen konfrontiert: Die Gefängnisleitung gab ihr keine Farben. 

Sie habe mit Menstruationsblut gemalt, berichtet Zehra Doğan nach ihrer Freilassung der Deutschen Welle. Daher habe sie über die Menstruation ihrer Zellennachbarinnen ganz genau Bescheid gewusst, erzählt sie und lacht schallend. Dieser italienische Tweet illustriert, wie sie mit Getränken, Nahrungsresten und Menstruationsblut gemalt hat:

"Wenn eine sagte: 'Ich habe immer noch nicht meine Tage bekommen', sagte ich: 'Du hast noch ein paar Tage.' Ich gab ihnen Dosen, da füllten sie ihr Blut rein. Eines Tages bemerkte einer der Aufseher: 'Die Mitarbeiter finden es ekelig, dass Sie Menstruationsblut zum Malen verwenden. Sie sollten damit aufhören.' Ich erwiderte: 'Dann gebt mir Farben.' Einige Tage nach dieser Unterhaltung wurde ich ins Gefängnis in Tarsus verlegt."

Während ihrer Zeit im Gefängnis habe sie sich nicht vorstellen können, irgendwann einmal die Freiheit genießen zu können, erzählt Zehra Doğan. Jetzt fühle sie sich kraftvoll und wolle durchstarten. "Du weißt, Journalismus macht abhängig", sagt sie. "Zum Glück gibt es ihn."

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