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Zeit für Schutzengel

17. Januar 2015

Mit dem Wunsch „viel Glück!“ wurden sie oft zum Jahresanfang verschenkt: die Schutzengel. Uwe Wolff, Religionslehrer und Engelforscher, hat dafür eine einfache Erklärung - so Antje Borchers von der evangelischen Kirche.

Schutzengel
Bild: picture-alliance/dpa

Autorin:

Die Weihnachtsdekoration verschwindet langsam wieder in Kisten und Kästen. Und mit ihr verschwinden alle Weihnachtsengel: der Rauschgoldengel im Fenster, der Verkündigungsengel an der Krippe, die niedlichen Engel von den Bücherregalen. Weihnachten ist vorbei – und damit auch die Zeit der Engel. Könnte man meinen; das gilt aber nur für die Weihnachtsengel. Denn andere Engel haben jetzt Hochkonjunktur. Verbunden mit dem Wunsch „viel Glück!“ wurden sie zu Hauf zum Jahresanfang verschenkt: die Schutzengel. Uwe Wolff, Religionslehrer und Engelforscher, hat dafür eine einfache Erklärung:

Uwe Wolff:

»Die Engel, sie stehen ja eben nicht für Theo-Logie, sondern für Theo-Poesie, für die Lust also an der Erfahrung. Menschen können sagen, ich habe hier an diesem Punkt meines Lebens Gott erfahren, ohne deshalb gleich sich konfirmieren oder firmen lassen zu müssen, ohne gleich in die Kirche gehen zu müssen. Der Engel ist sozusagen eine leichte Form von Gott und nicht gleich die geballte Energie Gottes.«

Autorin:

Der Engel, das ist der Gott im Kleinen, der Gott für mich. – Gott für mich, der in einem Engel für mich sorgt, das erfahren Menschen überall auf der Welt. Uwe Wolff hat bei seinen Forschungen über Engel hier die erste Gesetzmäßigkeit festgestellt. Sie lautet: Überall auf der Welt, in fast allen Weltreligionen, glauben Menschen an Engel oder an Schutzwesen. Aber kann man Engel, die ja Wesen aus einer anderen Welt sein sollen, überhaupt erforschen? Mit wissenschaftlichen Methoden?

Uwe Wolff:

»Man kann es, indem man der Methode der Phänomenologie folgt. Ein Phänomen, das ist eine Erscheinung. Und wenn Menschen von Engeln berichten, dann kann man diesen Engelgeschichten nachgehen. Und das ist das, was ich mache: Ich erforsche also die Erfahrung, die Menschen mit Engeln gemacht haben.«

Autorin:

Uwe Wolff hat mit vielen Menschen über ihre Engelerfahrungen gesprochen. Seit mehr als 20 Jahren ist er den Engeln auf der Spur. Die zweite Gesetzmäßigkeit, die er dabei gefunden hat: Engel kommen auch vor in den Geschichten von Menschen, die nicht gläubig sind. Und der populärste Engel ist eben der Schutzengel. Mehr als 60 Prozent der Deutschen glauben an Schutzengel, selbst wenn sie sonst nicht an Gott glauben oder nicht in die Kirche gehen. Stellt sich natürlich die Frage: Wer schickt denn die Engel, wenn es nicht Gott ist? Wer steckt dahinter? Selbst die, die sagen, dass sie nicht an Gott glauben, verbinden mit dem Schutzengel eine gute Macht, glückliche Erfahrungen: Bewahrung auf der Autobahn in brenzligen Situationen. Oder, obwohl ein Kind böse die Treppe hinabgestürzt ist, nur eine kleine Schramme. – Der Schutzengel ist für das Glück der Menschen zuständig.

Uwe Wolff:

»Wenn man aber fragt, ja, was ist denn mit dem Kind, was die Treppe hinunterstürzte und schwer verletzt wurde oder vielleicht dabei dann auch starb, wo war denn da der Schutzengel? Dann merkt man, dass der Schutzengel nicht nur zu tun hat mit glücklichen Erlebnissen des Überstehens von Gefahren, sondern dass er ganz tief hineinführt auch in Grenzfragen.«

Autorin:

Genau hier hat Uwe Wolff die dritte Gesetzmäßigkeit bei der Erforschung der Engel festgestellt:

Uwe Wolff:

»Zum Beispiel erzählen viele Menschen, dass sie gerade eben im Scheitern, in der Gefahr den Engel gespürt haben. Dass sie den Engel nicht gespürt haben als eine Macht, die ihnen den Weg auf die Krebsstation abgenommen hat, sondern gerade im Gang in diese Krankheit hinein.«

Autorin:

Der Engel ist also nicht derjenige, der uns immer Glück schenkt, eine heile Welt. Sondern er schenkt uns die Hoffnung auf Heilwerden in Situationen, wo wir leiden. Der Schutzengel ist somit zuständig für das »Glück im Unglück«. Aber viel tiefer als man denkt.

Uwe Wolff:

»Wenn man an Schutzengel glaubt, denken ja viele Menschen, na ja, wie kannst du an einen Schutzengel glauben, wo es doch so viel Böses in der Welt gibt, wo es so viel Krankheiten gibt!? – Nach meiner Erfahrung, also nach meinen Forschungen ist es geradezu umgekehrt: Menschen, die Böses erfahren haben, Krieg, Krankheit und Gefahr, sind gerade durch diese Krisenerfahrung zum festen Glauben an das Gute, an den Engel gekommen.«

Autorin:

Das ist seit biblischen Zeiten die tiefe Erfahrung von Menschen: Gott stellt seine Engel um uns. Sie kommen und verschwinden auch wieder. Oft erkennen wir erst im Nachhinein, hoppla, das muss ein Engel gewesen sein. Ob Schutzengel oder verkündigender Engel, immer weisen sie auf den hin, der uns schützt und der uns hält: Gott. Und darin liegt das Glück im Unglück, dass Gott unsere Seele bewahrt.

Uwe Wolff:

»Oder anders gesagt: Dass wir nicht zusammenbrechen, wenn zum Beispiel eine Familie auseinander bricht, durch eine Scheidung, dass wir nicht zusammenbrechen, wenn unser Kind krank wird, dass wir nicht zusammenbrechen, wenn es schwere Konflikte gibt, also in den Familien – dafür ist der Engel zuständig.«

Autorin:

So wünsche auch ich Ihnen: einen Schutzengel für Ihr Jahr 2015. So dass Sie im Glück und im Unglück dieses Jahres glauben können: Gott ist für mich da.

Antje Borchers, LemgoBild: DW

Zur Autorin: Antje Borchers ist Diplom-Medienwirtin und Journalistin. Sie betreibt eine Agentur für Kommunikation, Medienarbeit und Pressearbeit. Vorher hat sie viele Jahre als Chefredakteurin einer christlichen Jugendzeitschrift gearbeitet. Seitdem macht sie auch Radio, zum Beispiel Morgenandachten. Vorher war sie in Idstein/Taunus und hat dort als Gemeindediakonin die Jugendarbeit der evangelischen Kirchengemeinde geleitet. Sie wohnt mit ihrem Mann in Lemgo/Lippe.

Verantwortlicher Redakteur: Pfarrer Christian Engels

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