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Zentralafrika: Ein Vier-Punkte-Plan für den Frieden

Dirke Köpp8. Juni 2014

Die UN werfen den Konfliktparteien in Zentralafrika Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Die Regierung des Landes will derweil mit einem SMS-Verbot und einem Vier-Punkte-Plan Frieden und Versöhnung erreichen.

Ein Junge in der Zentralafrikanischen Republik, dem beide Beine amputiert wurden. Foto: Amnesty International/Godfrey Byaruhanga
Bild: picture alliance/dpa

Mord, Vertreibung, Vergewaltigung: Sowohl den Kämpfern der Séléka als auch denen der Anti-Balaka-Miliz weist die UN in einem Bericht, der der Nachrichtenagentur AFP zugespielt wurde, Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach."Zuverlässige Beweise sprechen dafür, dass Einzelpersonen in beiden Konfliktgruppen Verbrechen begangen haben, die die internationale Menschenrechtsgesetzgebung verletzen, sowie Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit", heißt es in dem Papier. Von einem Genozid oder ethnischer Säuberung möchte die Untersuchungskommission, die seit Januar ermittelt, hingegen nicht sprechen. Das könne sich aber ändern, wenn die internationale Gemeinschaft nicht zeitnah eingreife.

Mehr als ein Jahr nach Ausbruch der Gewalt bleibt die Lage in der Zentralafrikanischen Republik angespannt. Der politische Konflikt um die Macht im Staat sowie der Kampf zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen um die knappen Ressourcen hat sich in weiten Teilen des Landes zu religiös verbrämten Kämpfen zwischen Christen und Muslimen ausgeweitet. Der UN-Sicherheitsrat hatte zwar im April beschlossen, eine 12.000 Soldaten starke Friedensmission in das Land zu schicken, doch wird die geplante Mission voraussichtlich erst im September starten. Derzeit sind rund 6000 Soldaten der Afrikanischen Union (MISCA) sowie 2000 Soldaten der französischen Eingreiftruppe Sangaris in der Zentralafrikanischen Republik im Einsatz. Die französischen Soldaten werden nach Angaben von Sangaris-Kommandeur Francisco Soriano ab Mitte September mit dem Abzug beginnen.

Die französischen Soldaten sollen ab September abgezogen werdenBild: Reuters/Siegfried Modola

Junge Männer im Fokus

Die Regierung in der Hauptstadt Bangui hat derweil Maßnahmen ergriffen, mit denen sie die Gewalt einzudämmen versucht. Geschehen soll das mit Hilfe eines Vier-Punkte-Plans, wie José Messango, im Versöhnungsministerium für das Programm zuständig, der Deutschen Welle erläuterte. Als erste Priorität müsse die Bevölkerung über Fragen von Sicherheit, Strafverfolgung, Frieden und Versöhnung informiert werden. Übergangspräsidentin Catherine Samba-Panza hatte schon zu Beginn ihres Mandats betont, dass es mit ihr keine Straflosigkeit für begangene Verbrechen geben solle. "Außerdem werden wir den Dialog mit den bewaffneten Gruppen, die das Land unsicher machen, verstärken," so Messango. Insbesondere müsse mit der jungen Bevölkerung zusammengearbeitet werden. Denn es sind vor allem junge, oft arbeitslose Männer, die von den verschiedenen Banden angeworben werden. Als dritten Punkt sieht der Plan vor, die Konfliktdynamik zwischen den Religionsgemeinschaften zu stoppen. Viertens soll ein Dialog mit den Binnenflüchtlingen und den Flüchtlingen außerhalb des Landes gestartet werden.

Übergangspräsidentin Catherine Samba-PanzaBild: Reuters

Premierminister André Nzapayéké hatte in den vergangenen Tagen bereits verstärkt das Gespräch mit Vorstehern verschiedener Viertel in Bangui gesucht. Noch in dieser Woche wollte er auch junge Leute über den Plan informieren.

"Das wird ein sehr langer Prozess"

Thibaud Lesueur, Zentralafrika-Experte bei der International Crisis Group, begrüßt den Plan grundsätzlich, hat aber auch Bedenken: "Man muss sich fragen, welche Wirkung ein solcher Plan haben kann. Denn im Moment gehen die Massaker und Kämpfe ja gleichzeitig weiter." Hinzu käme, dass etwa ein Viertel der Bevölkerung des Landes auf der Flucht sei. "Das wird ein sehr langer Prozess."

Zunächst müsse die Sicherheit im Land wiederhergestellt werden. "Ohne Sicherheit kann man keine Versöhnung erreichen", so Lesueur. Daher sei es wichtig, ein solches Versöhnungsprogramm individuell anzupassen: "Die Gegebenheiten sind überall im Land etwas anders, Dynamiken und Konflikte sind oft örtlich begrenzt." In Städten wie Bria im Osten des Landes, in denen sowohl Muslime als auch Christen leben, funktioniere das Zusammenleben sehr gut. "Im Westen hingegen werden Muslime massiv verfolgt", so Lesueur.

Die Regierung hat keine Kontrolle über die mordenden BandenBild: picture alliance/dpa

Ebenso wie Premierminister Nzapayéké kritisiert er, dass gewisse Kräfte innerhalb der Regierung, in der sowohl Angehörige der Séléka als auch der Anti-Balaka vertreten sind, an der Gewalt beteiligt seien. "Sie ziehen die Fäden und haben kein Interesse, dass das Land befriedet wird." Insofern sei der Ansatz von Regierung und internationalen Einsatzkräften richtig: "Man muss alle einbeziehen, mit den bewaffneten Gruppen sprechen und sie auffordern, sich zu strukturieren, um vertrauenswürdige Ansprechpartner zu haben."

SMS-Nachrichten verboten

Neben dem Vier-Punkte-Plan setzt die Regierung auf das Verbot von SMS-Nachrichten. Zuletzt gab es vermehrt Aufrufe zu Demonstrationen gegen die Regierung, die per SMS verschickt wurden und das Land lähmten. "Auf Anordnung des Premierministers und um einen Beitrag dazu zu leisten, die öffentliche Sicherheit wiederherzustellen, sind Textnachrichten auf Mobiltelefonen bis auf Weiteres verboten", hieß es in dem Schreiben des Telekommunikationsministers.

Für Marcel Mokoapi, Präsident der zentralafrikanischen Verbraucherschutzorganisation, ist das ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. "Es ist ein Wahnsinn, SMS zu verbieten", sagte er der DW. "Man müsste dieses Problem an der Wurzel packen und bei der Anmeldung der Nutzer aufpassen."

SMS-Verbot aus Angst vor ProtestenBild: picture-alliance/dpa

Die Nutzer selbst sind vor allem erstaunt: Sylvain, der nur seinen Vornamen nennen möchte, hat gleich vier Handy-Verträge. "Als nichts mehr ging, dachte ich erst, dass das das übliche Problem mit dem Netz ist. Aber dann habe ich gehört, dass die Behörden Textnachrichten verboten haben. Da bin ich schon überrascht." Ein anderer Mann, der ebenfalls anonym bleiben möchte, ärgert sich vor allem, dass die Regierung nicht vorgewarnt habe: "Ich verstehe das nicht. Wenn es gegen die Aufrufe ist, die hier gang und gäbe sind, ist es okay. Aber die Entscheidung kam zu plötzlich." Verbraucherschützer und Menschenrechtler wollen in den kommenden Tagen auf das Verbot reagieren.

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