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Politik

Machtlose UN-Mission, hilflose Regierung

Antonio Cascais
12. September 2017

UN-Blauhelme können die zentralafrikanische Bevölkerung nicht ausreichend vor brutalen Angriffen schützen. Im DW-Interview lobt Premierminister Simplice Sarandji dennoch ihren Einsatz und hofft auf Aussöhnung.

Zentralafrikanische Republik UN-Kräfte Minusca
Bild: picture-alliance/AP Photo/J. Delay

"Die Minusca-Blauhelme sind für uns unverzichtbar, sie sind eine große Hilfe bei der Befriedung unseres Staatsgebietes. Wir sind den Vereinten Nationen sehr dankbar." Im Exklusiv-Interview mit der Deutschen Welle kommt Simplice Sarandji, Premierminister der Zentralafrikanischen Republik, kein Wort der Kritik an der UN-Mission über die Lippen.

Mit Wohlwollen habe er den Appell des Chef der UN-Blauhelme, Jean-Pierre Lacroix, zur Kenntnis genommen: Angesichts steigender Gewalt müssten in dem Krisenland mehr Sicherheitskräfte stationiert werden, hatte Lacroix vergangene Woche in Genf gesagt. Der UN-Untergeneralsekretär forderte, der Sicherheitsrat müsse die Vergrößerung der Einheiten von derzeit 10.750 Soldaten und 2.100 Polizisten beschließen.

Die Vereinten Nationen reagieren mit ihrer Forderung auf Kritik an der Blauhelmmission Minusca, die laut Amnesty International und anderer Menschenrechtsorganisationen den Menschen in dem Land keinen ausreichenden Schutz biete. Augenzeugen berichteten aus der Provinz Basse-Kotto im Süden des Landes von brutalen Überfällen auf die Zivilbevölkerung und gezielten Morden an Christen.

UN-Soldaten kommen zu spät

So seien bei einem Massaker in der Stadt Alindao mindestens 130 Menschen getötet worden. In dem Land stationierte UN-Soldaten seien erst einen Tag zu spät und in so geringer Zahl erschienen, dass sie nur das Krankenhaus und ein Vertriebenenlager hätten schützen können.

Zahlreiche Milizen machen das Land unsicher und terrorisieren die ZivilbevölkerungBild: Reuters/B. Ratner

Eine Kritik, die Regierungschef Sarandji nicht bestätigen will: Es sei unfair, die Verantwortung für die Gewalt den Minusca-Blauhelmen zuzuschieben. Die Blauhelme täten alles, was im Rahmen ihres Mandats möglich sei, um die Zivilbevölkerung zu schützen: "Man stelle sich nur vor, was erst passiert wäre, wenn die Minusca-Blauhelme nicht hier wären! Ohne die Minusca würde dieses Land noch tiefer im Chaos versinken."

Religiöse Aufheizung des Konflikts

Vor allem in der Region Basse-Kotto treiben bewaffnete Banden ihr Unwesen, insbesondere Gruppen, die sich von dem muslimisch dominierten Séléka-Milizenbündnis abgespalten haben. Eine dieser Banden ist die "Union für den Frieden in Zentralafrika" (UPC).

Erst kürzlich hatten von Amnesty International zitierte Augenzeugen berichtet, UPC-Kämpfer hätten Frauen und Männer brutal vergewaltigt, oft vor den Augen ihrer Kinder. Männer seien danach erschossen, Babys vor den Augen ihrer Mütter zu Tode geprügelt worden.

Die UPC setze Vergewaltigung eindeutig als Kriegswaffe ein, bestätigt Sarandji. Am bedenklichsten sei jedoch die zunehmend religiöse Aufheizung des Konflikts, der nach dem Sturz von Präsident François Bozizé im März 2013 begann. Seitdem komme das Land trotz mehrerer Friedensabkommen nicht zur Ruhe. Die UN warnen seit Wochen vor einem drohenden Völkermord.

Was macht Präsident Touadéra?

Dem 2016 gewählten Präsidenten des Landes, Faustin Archange Touadéra, werfen Kritiker Tatenlosigkeit, Passivität und Erfolglosigkeit vor. Immer wieder organisieren in Frankreich lebenden Bürger der Zentralafrikanischen Republik Demonstrationen und fordern lautstark den Rücktritt des Präsidenten. Er habe sich nicht ausreichend für die Aussöhnung der Kriegsparteien eingesetzt. Er sei rundum gescheitert mit dem Versuch, die Bedingungen für einen Dialog zwischen den Rebellengruppen zu schaffen, sagen Kritiker.

Präsident Faustin Archange TouaderaBild: picture-alliance/AP Photo/B. Curtis

Kritikpunkte, die Regierungschef Saradji nicht gelten lässt: "Unser Präsident hat immer wieder die Hand ausgestreckt und gesagt: Setzt euch alle zusammen an einen Tisch, um über die Zukunft eures Landes zu sprechen. Es ist nicht allein die Aufgabe des Staatschefs, der Regierung oder der Abgeordneten des Parlaments, für Frieden zu sorgen. Alle Bürger müssen ihren Beitrag leisten!"

Warten auf Hilfe aus dem Ausland

Derweil wird die finanzielle Lage der Zentralafrikanischen Republik von Beobachtern als immer desaströser eingeschätzt. Bei verschiedenen Geberkonferenzen in Brüssel hatte die EU dem Land immer wieder Millionenhilfen zugestanden. Ein EU-Treuhandfonds trägt den Namen "Bêkou", was auf Sango, der Hauptsprache des Landes, "Hoffnung" bedeutet. Er hat zum Ziel, neben humanitärer Hilfe auch den Wiederaufbau und mittelfristige Entwicklungsprojekte zu finanzieren.

Auch die Afrikanische Union setzte das Dossier Zentralafrikanische Republik immer wieder auf ihre Tagesordnung. Bei der letzten Sitzung wurde beschlossen, eine Kommission einzusetzen, die einen Plan ausarbeiten soll, wie das Land aus der Krise geführt werden soll.

Simplice Sarandji bei einem Treffen mit IWF-Chefin Christine Lagarde im Januar 2017Bild: cc-by-International Monetary Fund

Und auch bei der nächsten UN-Vollversammlung wird das Thema Zentralafrikanische Republik diskutiert werden. Welche Position wird die Regierung der Zentralafrikanischen Republik in der UN vertreten? "Unser Präsident wird weiterhin an die internationale Staatengemeinschaft appellieren, uns zu helfen, damit die Lage nicht weiter eskaliert", sagt Premierminister Sarandji.

"Die Herzen für eine echte Aussöhnung öffnen"

Sarandji ist es wichtig, immer wieder zu betonen, dass die Verantwortlichen für die Gewalt vor allem im eigenen Land zu suchen seien: "Wichtigste Voraussetzung für das Ende der Gewalt ist, dass die Menschen dieses Landes ihre Herzen für eine echte Aussöhnung öffnen." Erst dann werde es echten Frieden geben.

Mitarbeit: Eric Topona

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