Auf der Suche nach einem Versöhner
14. Januar 2014Allmählich kehrt wieder so etwas wie Normalität ein in Bangui: In der Nacht zum Dienstag (14.1.2014) blieb es weitgehend ruhig in der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik. In den Straßen Banguis patrouillierten zum ersten Mal seit Wochen wieder Polizisten. Die 135 Mitglieder des "Übergangsrats", des ehemaligen Parlaments des inzwischen abgesetzten Putschisten Michel Djotodia, sind dort zusammengekommen. Innerhalb von zwei Wochen sollen sie einen neuen Übergangspräsidenten für das Land bestimmen.
Etwa zehn Kandidatinnen und Kandidaten soll es geben, heißt es in Medienberichten. Einer von ihnen soll Alexandre-Ferdinand Nguendet sein, der dem Übergangsrat vorsitzt. Er selbst wollte die Frage von Journalisten, ob er den Posten anstrebe, nicht beantworten. Nguendet war Mitglied der Regierung Djotodias, der am Freitag (10.1.2014) auf internationalen Druck hin seinen Posten räumen musste. Während der zehnmonatigen Amtszeit Djotodias war ein blutiger Konflikt zwischen muslimischen und christlichen Milizen eskaliert, der mehr als 1000 Todesopfer forderte. "Man kann davon ausgehen, dass die meisten Menschen in der Zentralafrikanischen Republik Nguendet deshalb nicht an der Macht sehen wollen", sagt David Smith, der internationale Organisationen zur Zentralafrikanischen Republik berät.
Suche nach einem geeigneten Kandidaten
Die Menschen in Bangui sind unschlüssig, wer ihr Land aus der Krise führen könnte. "Ich wünsche mir, dass ein Militär Präsident wird und ein Zivilist Premierminister, am besten ein Technokrat oder jemand aus der Zivilgesellschaft. Ein anderer Vorschlag könnte jemand mit religiösem Hintergrund sein", sagt ein Mann einem DW-Reporter in Bangui. Ein anderer fügt hinzu: "Es muss jemand sein, der kompetent ist und zeigen kann, dass er nicht auf einer bestimmten Seite steht. Jemand, der bislang nicht durch eine Politik der Gewalt aufgefallen ist und nicht mit einer bestimmten Zeit - vor allem nicht der derzeitigen - verbunden wird."
Wer kann diesen Ansprüchen genügen? Dem Land fehle es an Persönlichkeiten, denen große Teile der Bevölkerung Unterstützung und Respekt entgegenbringen, glaubt David Smith: "Das letzte Mal war das 1959 der Fall, bei Barthélemy Boganda, dem Vater der Unabhängigkeit." Sein Tod bei einem Flugzeugabsturz stürzte das Land in die Krise, als es sich gerade von der französischen Kolonialherrschaft löste. "Seitdem gab es einen miserablen Führer nach dem nächsten", so Smith.
Schwierige Aufgaben für den neuen Staatschef
Dringendste Aufgabe des neuen Interimspräsidenten wird es sein, für Sicherheit und Stabilität zu sorgen. Ohne die Unterstützung der Friedenstruppen der Afrikanischen Union und den 1600 französischen Soldaten im Land sei dies nicht zu bewerkstelligen, glaubt Smith: "Die Armee ist ein Scherbenhaufen, die Polizei ist am Boden. Die müssen bei Null anfangen." Viele Menschen haben Angst, zur Arbeit zu gehen. Für Kinder findet kein Unterricht statt. Zahlreiche Schulen sind zu Auffanglager für Binnenflüchtlinge umfunktioniert worden. Hunderttausende befinden sich auf der Flucht.
Dann steht die Frage der Versöhnung an. Die Gräueltaten der vergangenen Monate müssen aufgearbeitet werden. Vor allem die Eingliederung ehemaliger Kämpfer in die Armee ist ein sensibles Thema. "Wir glauben, dass es eine gute Sache ist, die christlichen Milizen in die Armee zu integrieren, jedenfalls die, die nur sich und ihre Familie vor den muslimischen Rebellen verteidigt haben", sagt Joseph Bindoum, Präsident der Zentralafrikanischen Menschenrechtsliga. Diejenigen, die Kriegsverbrechen begangen haben, dürften jedoch nicht straffrei ausgehen, sondern müssten sich vor Gericht verantworten.
Religiöse Versöhnung ist machbar
Auch nach der Flucht Djotodias, des ersten muslimischen Präsidenten des Landes, ins westafrikanische Benin kommt es weiterhin zu gegenseitigen Vergeltungstaten zwischen Christen und Muslimen in der Zentralafrikanischen Republik. In den vergangenen vier Tagen sind rund 130 Menschen bei Kämpfen ums Leben gekommen, Häuser und Geschäfte von Muslimen geplündert, eine Moschee zerstört worden.
Viele christliche und muslimische Persönlichkeiten im Land haben es sich zur Aufgabe gemacht, für Versöhnung zu werben. "Wir haben Teams von Frauen und Jugendlichen, die die Botschaft der Toleranz über die lokalen Radiosender verbreiten", sagt Imam Omar Kobine Layama, der Vorsitzende der islamischen Gemeinschaft in der Zentralafrikanischen Republik. "Einige Menschen haben sich bereits getraut, nach Hause zurückzukehren, andere haben nach wie vor Angst."
Ob die Arbeit der religiösen Führer Erfolg hat, werde stark von der Person des neuen Präsidenten abhängen, sagt Pfarrer Jesus Demele, der Assistent des Erzbischofs von Bangui: "Der neue Übergangspräsident muss vom Volk akzeptiert werden. Sonst werden alle unsere Bemühungen wieder in Frage gestellt."
Für welchen Kandidaten auch immer sich die Abgeordneten entscheiden, seine Amtszeit wird nicht von langer Dauer sein: Spätestens im Februar 2015 sollen in der Zentralafrikanischen Republik Wahlen abgehalten werden. Viele drängen bereits auf einen früheren Termin. Der neue Übergangspräsident darf dann nicht mehr kandidieren.