Zentralasien und die EU: Wirtschaft contra Menschenrechte?
1. Februar 2007Am 11. Februar findet in Turkmenistan die Präsidentenwahl statt. Die Opposition ist nicht zugelassen. Vertreter westlicher NGOs meinen, die EU reagiere so gut wie gar nicht auf die Lage in Turkmenistan. Vor diesem Hintergrund haben sich Vertreter mehrerer internationaler Menschenrechtsorganisationen, westlicher Nichtregierungsorganisationen und der turkmenischen Opposition in Brüssel mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments getroffen. Hauptthemen der Gespräche waren die Lage in Turkmenistan nach dem Tod des Staatsoberhaupts Saparmurat Nijasow sowie die für den 11. Februar anberaumten Präsidentschaftswahlen.
Kritik an Politik der EU
Im Gespräch mit der Deutschen Welle bemängelte Alain Délétroz, Vizepräsident des in Brüssel ansässigen Forschungsinstituts International Crisis Group, dass der Westen, vor allem die Europäische Union, so gut wie gar nicht auf die Ereignisse in Turkmenistan reagiere: "Nach dem Tod von Saparmurat Nijasow wurde der Parlamentspräsident, der laut Verfassung im Falle des Todes des Staatsoberhauptes für eine Übergangszeit dessen Vollmachten übernimmt, einfach entmachtet und in ein Gefängnis geworfen. Auf seinen Posten wurde ein Mann gesetzt, der über keine Legitimität verfügte, aber jetzt die Wahlen organisiert, die deswegen aber nicht legitim sein können. An den Wahlen darf sich die Opposition, die in Europa lebt, nicht beteiligen. Politische Häftlinge sitzen nach wie vor in Gefängnissen, und die Welt schaut einfach zu und wartet ab, bis die Staatsmacht erklärt, das Volk habe einen neuen Präsidenten gewählt. Ich denke, es ist an der Zeit, dass die Europäische Union, in erster Linie Deutschland, das derzeit die EU-Präsidentschaft inne hat, deutlich macht, dass ein solches Vorgehen nicht akzeptabel ist."
Opposition fordert Turkmenistan-Resolution
Die Vertreter der turkmenischen Opposition - der Präsidentschaftskandidat der turkmenischen demokratischen Opposition, Chudajberdy Orasow, und der Vorsitzende der Republikanischen Partei Turkmenistans, Nurmuhammet Hanamow – informierten die Europäer über ihren Standpunkt zur politischen Lage und die Aussichten in Turkmenistan.
Hanamow sagte der Deutschen Welle, er habe in Brüssel intensive Gespräche geführt: "Wir haben uns mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments getroffen, die sich für die heutige Lage in Turkmenistan interessieren, aber auch dafür, was die Opposition vom Europäischen Parlament jetzt erwartet. Deswegen haben wir deutlich gemacht, dass es natürlich unmöglich ist, in einer so kurzen Zeit demokratische Wahlen vorzubereiten und durchzuführen. Das Volk selbst ist dazu nicht bereit, es steht noch unter Schock. Wir haben vor allem darum gebeten, eine Resolution zu verabschieden, die unter anderem den Punkt beinhaltet, dass die Wahlen um mindestens drei bis vier Monate verschoben werden."
Hanamow meint, bis dahin könne sich das Volk von dem Albtraum, in dem es 15 Jahre lang unter dem Nijasow-Regime gelebt habe, etwas erholen. Ferner könne man mit dem derzeitigen amtierenden Präsidenten und der Regierung bis dahin über die Rückkehr der Opposition nach Turkmenistan und die Freilassung politischer Häftlinge sowie letztendlich über offene und demokratische Wahlen verhandeln.
Turkmenistan-Resolutionen gab es bereits mehrere, sogar von den Vereinten Nationen. Das Nijasow-Regime reagierte auf sie nur schwach. Über die Erfolgsaussichten einer neuen Turkmenistan-Resolution sagte Hanamow: "Wenn die heutige turkmenische Regierung auf eine solche Resolution nicht reagiert, wird das ein weiterer Beweis dafür sein, dass alles beim alten bleibt und dass sie nicht beabsichtigt, etwas zu ändern, trotz der vor den Wahlen versprochenen Reformen."
Mehr Interesse an Rohstoffen?
Nach Ansicht des Vizepräsident des Forschungsinstituts International Crisis Group, Alain Délétroz, und des Leiters der Nichtregierungsorganisation ETG, Michael Laubsch, könnte die "träge" Haltung der Europäischen Union gegenüber Turkmenistan Zweifel daran wecken, dass den Europäern zum jetzigen Zeitpunkt an der Einhaltung der Menschenrechte tatsächlich mehr gelegen ist als an den Erdöl- und Erdgasressourcen in Zentralasien. Andererseits, so Laubsch, gebe die jüngste Erklärung des Deutschen Bundestages zu Turkmenistan Anlass zur Hoffnung, dass man in Europa begriffen habe: Ohne eine transparente politische Entwicklung unter breiter Beteiligung der verschiedenen politischen Schichten ist Stabilität in Turkmenistan nicht möglich.
Vitali Volkov
DW-RADIO/Zentralasien, 28.1.2007, Fokus Ost-Südost